Die Euro-Krise treibt die Anleger zu dem Edelmetall. Ende noch nicht erreicht: Experten rechnen mit einem weiteren Preisanstieg bis 1800 Dollar.

Hamburg. Meist müssen die Banken sehr für ihre Finanzprodukte werben, um das Interesse der Kunden zu wecken. Doch in die Hauptfiliale der Hamburger Sparkasse am Großen Burstah kommen in diesen Tagen immer mehr Kunden unaufgefordert. Doch sie wollen weder Aktien, Fonds oder Anleihen, sondern Gold. "Die Nachfrage ist ungebrochen hoch", sagt Stefan Rose, Leiter des Edelmetallhandels bei der Haspa. Die Bank ist das einzige Geldhaus in Hamburg, das Gold und Silber auch an Nichtkunden verkauft. Gefragt sind Ein-Unzen-Anlagemünzen (31,1 Gramm) wie Krügerrand, Maple Leaf oder Philharmoniker und Goldbarren zu 50 oder 100 Gramm.

Neue Höchstpreise schrecken nicht ab. Die Staatsschuldenkrise in Europa und den USA treibt den Preis für das Edelmetall in immer neue Höhen. Mit 1609,51 Dollar je Feinunze erreichte Gold gestern einen neuen Rekord, bevor der Preis leicht nachgab. Eine Feinunze kostete gestern bei der Haspa 1189 Euro. "Das ist der bisher höchste Verkaufspreis", sagt Rose.

Auch andere Edelmetallhändler verzeichnen eine große Nachfrage. "Wir erleben gerade die dritte große Kaufwelle bei den Edelmetallen", sagt Benjamin Summa vom Handelshaus Pro Aurum. "In der vergangenen Woche haben wir Gold im Wert von 21 Millionen Euro verkauft, in der Woche zuvor waren es erst acht Millionen Euro", sagt Summa. Obwohl die Deutschen seit 2008 Gold erwerben, ist der Anteil an allen Vermögenswerten sehr gering. Nach einer Studie der Steinbeis-Hochschule sind es 2,8 Prozent (einschließlich Schmuck), was einem Wert von 273 Milliarden Euro entspricht. Zum Vergleich: Auf die Einlagen bei Banken und Versicherungen entfallen drei Billionen Euro.

"Als sicherer Hafen ist Gold mehr denn je gesucht", sagt Ingo Schmidt von der Haspa. Er hat viele Faktoren ausgemacht, die für einen weiteren Anstieg des Goldpreises sprechen. Neben der Staatsschuldenkrise ist das die expansive Geldpolitik in den westlichen Industriestaaten und Japan. "Der Realzins, also Zins abzüglich Inflationsrate, liegt nahe Null", sagt Schmidt. Ein Beispiel dafür sind zehnjährige Bundesanleihen, die eine Rendite von 2,6 Prozent bringen. Nach Abzug der Inflationsrate von 2,3 Prozent bleibt kaum noch etwas übrig. Vor allem die Schwellenländer sind bemüht, ihre Goldreserven aufzustocken. "Diese Entwicklung wird sich in den kommenden Jahren fortsetzen", sagt Schmidt. China legt seiner Bevölkerung sogar den Erwerb von Gold nahe. "Außerdem wird Gold zunehmend als Währungsersatz gesehen", sagt Schmidt. Gemessen an Gold hat Papiergeld in den vergangenen zehn Jahren massiv an Wert verloren. Der Euro büßte seit 2001 danach drei Viertel seines Wertes ein, die Leitwährung Dollar sogar 84 Prozent. Dagegen verbuchte der größte börsengehandelte Goldfonds der Welt, der SPDR Gold Trust, allein am vergangenen Freitag einen Zufluss von 10,6 Tonnen.

"Mit Italien ist eine neue Dimension in der Schuldenkrise erreicht worden", sagt Thorsten Proettel von der Landesbank Baden-Württemberg. Insgesamt haben die europäischen Banken über 700 Milliarden Euro in Anleihen von Problemstaaten investiert. Bei Staatspleiten wären große Teile dieses Geldes verloren. Hinter Gold steht dagegen kein Ausfallrisiko, vor allem wenn man physisch direkt auf das Edelmetall zurückgreifen kann.

Die Experten rechnen mit einem weiter steigenden Goldpreis. Schmidt erwartet, dass der Goldpreis bis zum Jahresende 1800 Dollar je Feinunze erreicht. Proettel ist etwas vorsichtiger und sieht diesen Wert erst für Mitte des nächsten Jahres voraus. Die Zahlungsunfähigkeit der USA erwartet er nicht. "Die Schuldenobergrenze wird sicherlich noch angehoben werden, sonst wäre der Goldpreis noch viel höher", sagt Proettel. Vom EU-Gipfel am Donnerstag erwartet er allerdings "keine substanziellen Entscheidungen", sodass er die Rückschlagsgefahr des Goldpreises für begrenzt hält. "Wir gehen davon aus, dass das Absicherungsbedürfnis der Anleger vor dem Hintergrund der Euro-Krise in den kommenden Monaten weiter zunehmen wird", sagt Summa. "Solange die Euro-Staaten Geld drucken, um Finanzlöcher zu stopfen, steigt der Goldpreis." Verbraucherschützer warnen allerdings. "Viele Hedgefonds haben Milliardenbeträge in Gold investiert", sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Wenn diese anfingen, ihr Gold zu verkaufen, dann könne der Preis schnell wieder sinken.

Der hohe Goldpreis beflügelt auch ein ganz anderes Gewerbe. "Wir können Goldwaren heute viel höher beleihen als noch vor einigen Jahren", sagt Thomas Struck, Vorsitzender des Pfandkreditverbandes Nord. Das Geschäft habe zwar zugenommen, aber nicht in dem Ausmaß, wie der Goldpreis gestiegen ist. Einen Krügerrand würde er aktuell in seinem Pfandhaus Friedrich Werdier in Hamburg mit 1000 Euro beleihen. Auch das spricht dafür, dass große Einbrüche beim Goldpreis jetzt nicht erwartet werden.