Bundesbank-Chef Axel Weber tritt aus persönlichen Gründen zurück - oder weil er nicht an die Spitze der Europäischen Zentralbank rücken kann?

Hamburg. Fast drei Tage lang hat er die Öffentlichkeit und die Finanzwelt rätseln lassen, was er vorhat. Und nicht einmal bei seiner Rücktrittserklärung am Freitagnachmittag sorgte Bundesbank-Präsident Axel Weber für Klarheit. Aus "persönlichen Motiven", hieß es nach seinem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), scheide er zum 30. April aus dem Amt aus.

Ebenso unklar bleibt zunächst Webers Nachfolge an der Spitze der Institution, an die nach Auffassung des früheren EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors mehr Deutsche glauben als an Gott. So wird spekuliert, Bundesbank-Vizechef Franz-Christoph Zeitler werde als Übergangspräsident fungieren, bis Merkels Wirtschaftsberater Jens Weidmann erst in den Vorstand wechseln und später den Vorsitz übernehmen könne.

Mit Webers Rückzug ist er auch nicht mehr Kandidat für das Amt des Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), wenn Jean-Claude Trichet Ende Oktober geht. Unter den möglichen Nachfolgern galt er als "Falke", der sich in der Tradition der Bundesbank für eine stabile Währung einsetzt.

Dennoch reagierte der Kurs des Euro nicht auf die Rücktrittsnachricht. "Weber war nicht der einzige Falke unter den Kandidaten für den EZB-Chefposten", erklärten dazu die Devisenanalysten der Commerzbank.

Die SPD warf der Kanzlerin vor, Weber zum Verzicht auf eine Kandidatur für den Chefposten der EZB getrieben zu haben. "Obwohl er der Kandidat der Regierung für dieses zentrale europäische Amt war, sind sämtliche europapolitischen Entscheidungen der letzten Monate erkennbar an Axel Weber vorbeigelaufen", sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier "Spiegel Online" und fügte an: "Merkel hat ihren Kandidaten hängen lassen, jetzt zieht er die Konsequenzen."

Was auch immer der Grund für Webers Rückzug sein mag, eines liegt auf der Hand: Schon bei früheren Gelegenheiten machte er keine glückliche Figur. Dabei hatte es an Wohlwollen bei Fachleuten und in der Politik nicht gemangelt, als er im April 2004 auf Vorschlag des damaligen Finanzministers Hans Eichel (SPD) zum Nachfolger des nach einer Luxushotel-Affäre zurückgetretenen Bundesbank-Präsidenten Ernst Welteke ernannt wurde. Selbst die Opposition zeigte sich zufrieden mit dem parteilosen "Wirtschaftsweisen".

Doch der Streit um den Umgang mit den umstrittenen Äußerungen von Thilo Sarrazin über Zuwanderer ließ unübersehbare Kratzer an Webers Image zurück, obwohl ihn in dieser Sache wohl keine Schuld trifft. Es ist kein Geheimnis, dass Sarrazin Anfang 2009 gegen den Willen Webers in den Bundesbank-Vorstand einrückte; Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hatte seinen Finanzsenator, der schon in diesem Amt immer wieder mit provokanten Thesen aufgefallen war, dorthin geschickt.

Sarrazins Buch "Deutschland schafft sich ab" bringt schließlich das Fass zum Überlaufen. Kanzlerin Merkel drängt Weber, Sarrazin aus dem Amt zu entfernen. Doch eine Entlassung ist aus juristischen Gründen kaum durchsetzbar. Erst als der Bundesbank-Vorstand zum letzten Mittel greift und bei Bundespräsident Christian Wulff die Abberufung Sarrazins beantragt, tritt dieser zurück. Auch wenn Weber kaum anders handeln konnte, ist die Affäre dem von der Bundesbank stets sorgsam verteidigten Ruf der politischen Unabhängigkeit nicht gut bekommen.

Besonders in Frankreich hat man Weber indes vorgeworfen, er mische sich seinerseits in die Politik ein. So lässt er im November vergangenen Jahres nach einer Rede vor Topmanagern und Politikern in Paris - die er, wenn auch auf Wunsch der Gastgeber, auf Deutsch hält - die Bemerkung fallen, der 750 Milliarden Euro schwere Euro-Rettungsschirm könnte aufgestockt werden, wenn dies notwendig sei. Eine Entscheidung darüber ist jedoch eindeutig Sache der Regierungen. Dass Weber kurz darauf zurückrudert und beteuert, es sei extrem unwahrscheinlich, dass der Rettungsfonds ausgeweitet werden müsse, macht die Sache kaum besser. Ganz nebenbei hatte er mit seinem Nebensatz in Paris den Euro auf Talfahrt geschickt.

Vor allem aber hat Weber auch seine Kollegen im EZB-Rat mehrfach brüskiert: Als die Notenbank im Mai 2010 dem Drängen mehrerer Regierungen nachgibt, Staatsanleihen hoch verschuldeter Euro-Länder aufzukaufen, kritisiert Weber wegen der "damit verbundenen stabilitätspolitischen Risiken" diesen Beschluss öffentlich. Im Oktober legt er nach und fordert, das Ankaufprogramm schnell zu beenden. Prompt handelt er sich eine Rüge von Trichet ein: Die Entscheidung sei von einer "überwältigenden Mehrheit" im EZB-Rat getragen worden.

Angesichts solcher Alleingänge mögen der Bundesregierung Zweifel gekommen sein, ob sie sich im Gerangel um die Trichet-Nachfolge tatsächlich mit voller Energie hinter den Kandidaten Weber stellen sollte. Deutlich erkennbar war eine solche Unterstützung jedenfalls nicht - wohl auch nicht für Axel Weber selbst.