Rohstoffpreis stark gestiegen. Bundesfinanzministerium zieht deshalb die Ausgabe der beliebten Zehn-Euro-Stücke vor.

Hamburg. Wer dem Papiergeld misstraut, hatte sich das Datum im Kalender fett markiert: Am 11. November sollte die Zehn-Euro-Gedenkmünze zu 175 Jahren Eisenbahn in Deutschland herausgegeben werden und zwei Wochen später die Münze zur Ski-WM 2011. Der hohe Silberanteil macht die Münzen zu begehrten Stücken bei Euro-Skeptikern. Doch die beiden Münzserien kamen schon gestern überraschend auf den Markt. "Vor dem Hintergrund des gestiegenen Silberpreises haben wir die Ausgabe vorgezogen", sagte eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums. "Gemessen am aktuellen Silberpreis liegt der Materialwert dieser Münzen bei knapp neun Euro", sagt Thorsten Schulte, Silberexperte und Herausgeber des Börsenbriefes Silberjunge. "Nie war eine solche Gedenkmünze so wertvoll wie heute." Eine gefährliche Entwicklung, denn der Bund darf keine Münzen ausgeben, deren Materialwert über dem Abgabewert liegt. Doch es werden auch die letzten Münzen sein, die einen solch hohen Silbergehalt haben. "Ab dem kommenden Jahr werden die Anleger nicht mehr so günstig an reines Silber kommen", sagt Branchenexperte Schulte.

Allein in diesem Jahr hat der Silberpreis - gemessen in Euro - 43 Prozent an Wert zugelegt. Eine Zehn-Euro Gedenkmünze, von der in diesem Jahr schon vier Serien erschienen sind, enthält 16,65 Gramm reines Feinsilber, das einem Materialwert von 8,97 Euro entspricht. Der Rest der 18 Gramm schweren Münzen besteht aus Kupfer.

Von dem vorgezogenen Ausgabetermin wussten nur wenige. Deshalb gab es gestern in der Hamburger Bundesbank-Filiale anders als sonst "Silber-Zehner" ohne Anstehen. "Der Andrang ist geringer als bisher, weil die meisten Leute den vorgezogenen Ausgabetermin nicht kennen", sagt Filialleiter Ralf Ebert. Sonst kommen 400 bis 600 pro Tag. "Nach anderthalb Wochen ist die jeweilige Münzserie ausverkauft, von der im Durchschnitt 1,8 Millionen Stück geprägt werden", sagt Ebert.

Die Münzen reichen nur deshalb so lange, weil lediglich fünf Stück pro Person und Serie abgegeben werden. "Wenn wir verkaufen würden, was die Leute haben wollen, wären wir schon nach wenigen Stunden ausverkauft", sagt ein Kassierer am Schalter. Erst seit Ausbruch der Finanzkrise ist das Interesse an den Zehn-Euro-Gedenkmünzen so gestiegen. Vorher lagen die Münzen schon mal wie Blei in den Regalen. Die Hamburger Sparkasse wird die Euro-Gedenkmünzen erst ab Donnerstagnachmittag abgeben. "Die Filialen entscheiden eigenständig, wie viel Stück ein Kunde erhält", sagte ein Haspa-Sprecher dem Abendblatt.

Die wenigsten Kunden bei der Bundesbank denken wie die Einzelhandelskauffrau Christa Ebeling an ein Weihnachtsgeschenk, wenn sie die Münzen erwerben. Aber auch sie weiß um den hohen Materialwert. Angesichts ausufernder Staatsschulden in der Euro-Zone fühlen sich viele mit den Münzen besser abgesichert. "Der Nennwert der Münze sichert mich gegen einen fallenden Silberpreis ab", sagt ein Mann, der anonym bleiben will. "Solange kein Währungsschnitt kommt, kann ich also kein Geld verlieren. Sinkt die Kaufkraft der Münze durch ausufernde Inflation, kann der Silberwert noch über zehn Euro klettern." Die 36 Jahre alte Monika Donath hat zwei Freundinnen mitgebracht. So kann sie mehr Münzen erwerben. Den Tipp der vorgezogenen Ausgabe bekam sie von ihrem Freund, einem Banker. "Ich investiere seit drei Jahren in Silber und Gold, weil ich dem Papiergeld nicht mehr traue. Die Gedenkmünzen kombinieren Zahlungsmittel und Silberwert in idealer Weise."

Nicht zu vergleichen mit der Silbermünze Wiener Philharmoniker (31,1 Gramm), die nur einen Nennwert von 1,50 Euro hat (und auch nur in Österreich gesetzliches Zahlungsmittel ist) und rund 20 Euro kostet. "Gemessen am Silberanteil liegt der Aufpreis der Euro-Gedenkmünzen gegenüber Silbermünzen wie dem Philharmoniker nur noch bei rund zwei Prozent", sagt Schulte. Noch im Februar 2010 waren es fast 40 Prozent.

Darauf hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) reagiert. Von 2011 an setzt er deshalb den Silbergehalt der Gedenkmünzen herab. Künftig werden nicht mehr 16,65 Gramm Silber, sondern nur noch zehn Gramm Silber enthalten sein. Bei der alten Zusammensetzung wären die Zehner schon bei einem Silberpreis von 25 Dollar mehr wert als der Nennwert. Für nächstes Jahr sind sechs Gedenkmünzen geplant, darunter 100 Jahre Hamburger Elbtunnel im September 2011. Doch ob sich dann noch so viele Käufer finden wie in diesem Jahr, ist ungewiss. Die künftige Auflage der Münzserien steht noch nicht fest.

Aktuell liegt der Silberpreis bei rund 24 Dollar je Feinunze und befindet sich in einer Korrekturphase. "Nach dem steilen Anstieg innerhalb von zwei Monaten ist das auch nicht verwunderlich", sagt Thorsten Proettel von der Landesbank Baden-Württemberg. Mit einem Einbruch des Silberkurses rechnet er nicht. "Bei einem fallenden Silberpreis wird die Industrie zugreifen und den Kurs stützen." Denn das Edelmetall findet anders als Gold zur Hälfte in der Industrie Verwendung. Erst knapp 20 Prozent werden für Investmentzwecke gebunkert. Experte Schulte hält unverändert am langfristigen Kursziel von 100 Dollar je Feinunze fest. Bis dahin muss die Zusammensetzung der Zehn-Euro-Münzen noch häufiger verwässert werden.