Die Konkurrenz unter den Wachmachern ist riesig, die Margen sind groß - und auch Hamburger mischen mit.

Hamburg. Hinten auf der Dose prangt ein blaues Gummibärchen. Durchgestrichen. Soll heißen: Dieser Energydrink schmeckt nicht so süßlich wie viele andere. "Ich mag diese Getränke mit Gummibärchengeschmack nicht", sagt Andreas von Froreich, Erfinder des neuen Wachmachers aus der Dose. Deshalb hat der Hamburger vor wenigen Monaten kurzerhand einen Energydrink mit scharfem Colageschmack auf den Markt gebracht: Chili, Ingwer, Koffein, Zucker und natürliches Taurin sind die Inhaltsstoffe seiner Cola Rebell Cultimate. Die ersten 50 000 Dosen sind bereits ausverkauft, es gibt reichlich Bestellungen.

Energydrinks sind unter Getränken die Aufsteiger des Jahrzehnts

Wer statt der Chili-Note auch Gummibärchengeschmack in Kauf nimmt, findet trotzdem reichlich Auswahl im Supermarktregal. Energydrinks sind die Aufsteiger des Jahrzehnts im Getränkemarkt, obwohl ihre Wirkung umstritten ist: Kein anderes Segment hat zwischen 2001 und 2009 so viele Konsumenten dazugewonnen - laut einer Statistik des Allensbach-Instituts ein Plus von 55 Prozent. "Energydrinks passen eben gut in unsere schnelllebige Zeit, in der Leistung immer wichtiger wird", erklärt sich von Froreich den Boom. Im vergangenen Jahr wurden mit den aufputschenden Getränken in Deutschland nach Angaben des Marktforschungsinstituts Nielsen Consumer 229 Millionen Euro umgesetzt. Das waren satte 32 Prozent mehr als im Vorjahr.

Davon profitiert vor allem einer: das Branchenidol, der Wegbereiter, der Begründer des Erfolgsrezepts Energydrink. Red Bull, das österreichische Unternehmen, das seinen Gründer Dietrich Mateschitz vom Visionär zum Multimilliardär machte. In den Achtzigerjahren brachte er aus Thailand ein Rezept mit dem Aufputschstoff Taurin mit. Er kündigte seinen gut bezahlten Job als Marketingexperte für Zahnpasta, investierte all seine Ersparnisse und tüftelte drei Jahre an Werbung und Rezeptur. Im Jahr 1987 kam Europa dann in den Genuss des ersten Energydrinks. Nur dass von Genuss zuerst keine Rede sein konnte: Die Marktforschung brachte verheerende Ergebnisse. Keiner glaubte an Mateschitz' Erfolg.

Neben Red Bull teilen sich Kleinstmarken den Markt

Heute verkauft Red Bull knapp vier Milliarden Dosen seines süßen Gemischs pro Jahr. Red Bull ist nicht nur eine Marke, sondern das Synonym für den Energydrink schlechthin. Die Überflieger aus Österreich sind in fast 150 Ländern aktiv, der Umsatz liegt bei mehr als 3,3 Milliarden Euro. Während das Geschäft in den USA leicht schwächelt, wuchs der Absatz in Deutschland 2009 um satte 18 Prozent. In der Gastronomie dominiert Red Bull nach eigenen Angaben mit einem Marktanteil bei Energydrinks von 90 Prozent, an Kiosken und Tankstellen liege er bei 80 Prozent. Im Handel herrscht die größte Konkurrenz: Hier stammen nach Firmenangaben 55 Prozent aller verkauften Energydrinks von Red Bull. Die restlichen Umsätze teilen sich Hunderte andere Marken untereinander auf. "Der Markt ist neben Red Bull extrem zersplittert und in Kleinstmarken aufgeteilt", sagt Florian Klaus, Getränkeexperte vom Beratungsunternehmen K&A Brand Research. Immerhin können die Nachahmer, Marken wie Fire Horse, Flying Horse, Effect, Sex Drive oder Sexergy, im Windschatten des Marktführers mitsegeln und vom Branchenwachstum profitieren.

Hunderte kopieren das Erfolgsrezept von Red Bull

Der Vorsitzende des Verbands des Deutschen Getränke-Einzelhandels, Sepp Gail, ist von der Vormachtstellung der Österreicher überzeugt. "Viele Einzelhändler führen nur Red Bull und noch ein günstiges No-Name-Produkt", sagt er. "Red Bull ist immer noch das Kultgetränk Nummer eins - eine solche Erfolgsstory kann keiner wiederholen."

Das schreckt aber weder die Entwicklungsabteilungen noch junge Firmengründer von diesem Segment ab. Im Gegenteil: Der Markt ist nach Einschätzung von Branchenkennern umkämpfter als je zuvor. "Neue Energydrinks tauchen so schnell am Markt auf wie Leuchtraketen am Nachthimmel", sagt Gail. "Genauso schnell verschwinden die meisten aber auch wieder." Allein im vergangenen Monat hätten sich vier Firmen mit neuen Energydrinks bei ihm vorgestellt. Das lässt sich mit den hohen Margen schnell erklären: Die aufputschenden Getränke sind laut Nielsen Consumer zwar mit einem Anteil von zwei Prozent am Gesamtmarkt der alkoholfreien Getränke nur ein Nischenprodukt. Ein sehr lukratives allerdings. "Diese Drinks lassen sich für Cent-Beträge herstellen, aber zu Euro-Beträgen teuer an den Endverbraucher verkaufen", sagt Gail. Das restliche Getränkegeschäft werde hingegen immer härter, die Margen immer geringer.

So mancher Red-Bull-Konkurrent versucht deshalb, sich mit vermeintlich neuen Ideen zu positionieren. So bewirbt sich Pussy, der aktuelle Geheimtipp der Londoner Clubszene, als hundertprozentig natürlich. Die bayerische Firma Mad Bat (verrückte Fledermaus) prahlt damit, den ersten biozertifizierten Energydrink auf den Markt gebracht zu haben. Die Schwarze Dose 28 will auf Basis der Açaí-Beere komplett auf Taurin und künstliche Zutaten verzichten. Auch Getränkeriesen wie Coca-Cola bringen immer wieder neue Varianten heraus, die nach Einschätzung von Experten aber Flops sind.

Mythen ranken sich um die Kultmarke aus Österreich

Keiner von ihnen beherrscht die Markenführung so virtuos wie der Meister aus Österreich. "Red Bull hat auch deshalb einen solchen Vorsprung, weil sich verschiedene Mythen darum ranken", sagt Branchenkenner Klaus. So war Red Bull bis 1994 in Deutschland verboten und mutierte zum Geheimtipp. Jahrelang kursierte das Gerücht, der aufputschende Zusatz Taurin werde aus Stierhoden gewonnen - tatsächlich stammt der Stoff aus der Galle von Bullen oder schlicht aus dem Labor. Nach der Markteinführung von Red Bull Cola war das Unternehmen im vergangenen Jahr wieder in aller Munde, weil in dem Getränk mysteriöse Kokainspuren auftauchten. "Das passte sehr gut zum Stil der Anfangsjahre", sagt Klaus.

Getränkeproduzent Andreas von Froreich aus Fuhlsbüttel hingegen will nicht mit Legenden, sondern mit Fakten auf sich und seine Cola Rebell Cultimate aufmerksam machen. "Wir sind die Einzigen, die eine scharfe Energy-Cola machen", sagt er. Ohne den süßlichen Gummibärchengeschmack, wie er betont. Und das Taurin in seinem Energydrink sei nicht synthetisch wie bei vielen seiner Konkurrenten, sondern stamme aus natürlicher Quelle. Es wird aus der Galle neuseeländischer Bullen gewonnen.