Rewe startet 2011 ein Pilotprojekt mit Onlinebestellung und Selbstabholung. Handelsexperten zweifeln am Erfolg des Konzepts.

Hamburg. Bei Feinkost Harder in Hamburg-Sülldorf gehört ein persönlicher Lieferservice seit Jahren zum Alltag. "Bei uns können die Kunden ihre Einkäufe per Telefon, Fax oder im Laden bestellen. Wir bringen sie dann zum gewünschten Termin vorbei. Nur die Onlineorder sind noch nicht möglich", sagt May-Britt Eisenmann-Frommholz, 42, Inhaberin des Edeka-Ladens. Täglich lassen sich zwischen zehn und 25 Kunden ihre Einkäufe nach Hause bringen, zudem Kindergärten und Schulen. Die Lieferung kostet zwei Euro. "Mit unserem Service wollen wir unseren Kunden etwas bieten, was sie in Discountern so nicht erhalten."

In Deutschland werden nur 0,5 Prozent der Lebensmittel online verkauft

Was bei einigen Händlern Praxis ist, versuchen jetzt große Konzerne einzuführen: die Hauslieferung von Lebensmitteln. Nach Amazon will jetzt auch die Einzelhandelskette Rewe in den Onlinehandel mit Lebensmitteln einsteigen. Vom Winter 2011 an sollen testweise zwei Onlinekonzepte an den Start gehen. Zum einen wird ein Drive-in-Supermarkt erprobt. Dabei bestellt der Kunde die Waren online, fährt zu einer vereinbarten Uhrzeit zur Filiale und nimmt dort die gepackten Einkaufstüten in Empfang und verstaut sie in seinem Kofferraum, erläutert der Rewe-Vorstandschef Alain Caparros in der "Wirtschaftswoche". Zum anderen können sich die Kunden auch komplett von Rewe beliefern lassen. Dabei bestellen sie ihren Einkauf im Netz und erhalten die Ware zum gewünschten Ort ausgeliefert. Der Rewe-Chef rechnet zunächst nur mit einem sehr geringen Umsatzanteil, den das neue Lieferkonzept ausmache. Vielmehr sieht Caparros darin eine Versicherung für die Zukunft. "Wir können es uns nicht leisten, wichtige Trends zu verschlafen." Bislang werden in Deutschland weniger als 0,5 Prozent aller Lebensmittel online vertrieben. Ein Markt, der entsprechend hohes Wachstum verspricht.

Handelsexperten sehen die neuen Onlinekonzepte der großen Konzerne jedoch noch skeptisch. Neben den Kosten für die Lieferung sei die Logistik das größte Problem. "Ein Lebensmittellieferservice lässt sich in Deutschland nicht profitabel betreiben", sagt Björn Weber, Forschungsdirektor des Handelsinstituts Planet Retail.

Für die Einhaltung der Kühlkette reichen gewöhnliche Paketdienste nicht

Supermärkte basieren heute auf Selbstbedienung. Der Kunde wählt seine Produkte selbst und transportiert sie auch selbst. "Für die Zusammenstellung der Produkte und Auslieferung an den Kunden würden den Unternehmen pro Bestellung zusätzliche Kosten von rund zehn Euro entstehen." Entsprechend höhere Lebensmittelpreise würde sich nur eine kleine Käufergruppe leisten. Zudem sei die Einhaltung der Kühlkette für Fleisch, Fisch, Molkereiprodukte und Tiefkühlkost ein Problem. "Die Auslieferung in einer Styroporbox durch einen gewöhnlichen Paketdienst ist unverantwortlich. Bei verzögerten Auslieferungen oder Mehrfachzustellungen reißt die Kühlkette schnell - der Händler verstößt dann gegen die Hygienevorschriften", so Weber. "Für eine korrekte Belieferung müsste Rewe in spezielle Zustellfahrzeuge mit aktiver Kühlung und mehreren Temperaturzonen investieren."

Auch der Geschäftsführer des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI, Michael Gerling, hat Zweifel, dass die Verbraucher den Onlinekauf massenhaft nutzen. "Die Käufer von Lebensmitteln sind hierzulande sehr preissensibel und haben zugleich höchste Ansprüche an die Qualität bei Frischeprodukten. Es ist davon auszugehen, dass der Lieferpreis auf die Kaufsumme aufgeschlagen wird, was viele Kunden abschrecken dürfte." Anders sehe dies in Großbritannien aus, wo Tesco mit Onlineverkäufen große Umsätze erziele. "Der britische Markt folgt anderen Gesetzen. Dort sind nicht nur die Lebensmittel teurer, sondern die Verbraucher bereit, für Dienstleistungen extra zu bezahlen. Dies ist in Deutschland nicht in gleichem Maße der Fall." Generell sei es aber zu begrüßen, dass Rewe sich in dieser Marktnische versuche.

Der GfK-Experte Wolfgang Adlwarth sieht in dem Drive-in-Supermarkt vor allem für Berufstätige ein interessantes Experiment. Diese würden vermutlich auch Mehrkosten für die Kommissionierung nicht stören, sofern sie damit kostbare Zeit sparten.