Das einst beliebteste Bier Hamburgs kehrt zurück. Dafür entsteht sogar eine eigene Brauerei im Schanzenviertel

Hamburg. Wolfgang Speth kann die Begeisterung für seine geplante Brauerei nur schwer verbergen. Mit langen Schritten eilt der hochgewachsene, braun gebrannte Biermanager über das Gelände des Hamburger Schlachthofs, vorbei an den historischen, graffitibeschmierten Viehhallen, die schon weitaus bessere Tage gesehen haben. "Mitte kommenden Jahres können wir hier unser erstes, selbst gebrautes Bier ausschenken", sagt der 44-Jährige zuversichtlich. Ende August beginnen die Umbauarbeiten für das Großprojekt.

Es ist nicht irgendein Bier, das Speth im Herzen des Schanzenviertels brauen lassen will. Der gebürtige Hamburger plant das Comeback von Ratsherrn Pils, der mit einem Ausstoß von 150 000 Hektolitern einst beliebtesten Biermarke der Stadt. "Die Marke hat ein enormes Potenzial, wurde in den vergangenen Jahrzehnten aber von einem Eigentümer zum nächsten weitergereicht und dabei massiv vernachlässigt", sagt Speth.

Der neue Geschäftsführer der Ratsherrn Brauerei kennt sich aus im schwierigen Biergeschäft, war er doch bis vor Kurzem noch Chef des friesischen Brauhauses zu Jever. Hinter der Wiederbelebung steht zudem die potente Nordmann-Gruppe aus dem niedersächsischen Wildeshausen. Das Familienunternehmen ist vor allem im Getränkegroßhandel aktiv, hat sich in den vergangenen Jahren aber auch durch die Neupositionierung von kleineren regionalen Bieren einen Namen gemacht. So hauchten die Niedersachsen etwa der Stralsunder Brauerei neues Leben ein. Insgesamt kommt die Gruppe auf einen Absatz von 4,2 Millionen Hektolitern jährlich.

Wie viel Bier genau im Schanzenviertel gebraut werden soll, will Ratsherrn-Geschäftsführer Speth noch nicht verraten. Klar ist aber, dass es sich bei der "Braumanufaktur" nicht um eine reine Gastrobrauerei wie etwa Gröninger handeln wird. "Wir wollen die gesamte Metropolregion Hamburg mit Ratsherrn beliefern", so Speth. Es sei nicht ausgeschlossen, dass man über die Jahre auch an die alten Absatzzahlen aus den 70er- und 80er-Jahren anknüpfen könne.

Eine solche Entwicklung wäre im schwierigen deutschen Biermarkt mehr als erstaunlich. Der Bierdurst der Bundesbürger geht seit Jahren nämlich beständig zurück. Zwar gibt es eine gewisse Renaissance von regionalen Kleinstbrauereien mit einem Ausstoß von bis zu 5000 Hektoliter jährlich. Im mittleren Segment setzt sich das Sterben der Braustätten aber unvermindert fort. "Eine Neugründung in diesem Bereich ist sicher ambitioniert, hat aber durchaus Aussicht auf Erfolg, wenn die Brauer die regionalen Besonderheiten ihres Bieres in den Mittelpunkt stellen", sagt der Sprecher des Deutschen Brauer-Bunds, Marc-Oliver Huhnholz.

Regionale Premiummarke mit herber Note

Der Ratsherrn-Chef ist daher zuversichtlich, dass sich für die wieder belebte Marke im Norden gute Absatzchancen bieten. "Wir werden das Bier als regionale Premiummarke mit einer herben Note positionieren, so etwas gibt es bislang in Hamburg nicht", sagt Speth mit einem leichten Seitenhieb auf die Carlsberg-Gruppe, die in der Hansestadt neben Holsten auch die Marke Astra braut.

Für das Comeback wird sich nicht nur der Geschmack, sondern auch das Aussehen des Bieres ändern. "Wir wollten die Marke entstauben, ohne dabei die Tradition außer Acht zu lassen", sagt Speth. Das ursprüngliche Ratsherrn-Pils ist vor allem älteren Hamburgern noch ein Begriff. Am 6. August 1951 wurde es von der Elbschloß-Brauerei erstmals ausgeschenkt. Nach der Probe zu urteilen, werde das Bier mit dem "sympathischen Namen" seinen Weg in Hamburg machen, urteilte damals ein Reporter des Abendblatts. Tatsächlich entwickelte sich die Marke in den folgenden Jahrzehnten zum Bestseller für die Brauer von der Elbchaussee.

Doch mit der Schließung der Elbschloß-Brauerei 1994 und der Verlegung der Produktion zu Bavaria (Astra) begann der Niedergang der einst auch über Hamburg hinaus erfolgreichen Marke. Als Bavaria dann von Holsten geschluckt wurde, wurde die Marke zugunsten von Astra und Holsten immer mehr an den Rand gedrängt. Im Jahr 2000 musste Holsten Ratsherrn schließlich auf Druck des Kartellamts verkaufen, weil die Hanseaten dabei waren, durch die Fusion mit der König-Brauerei zum nationalen Bierproduzenten aufzusteigen. Danach verschwand die Marke in der Versenkung. Die Nordmann-Gruppe kaufte sie später und ließ das Bier in anderen Braustätten noch in sehr kleinem Umfang für die Gastronomie abfüllen.

Dass Ratsherrn bald wieder über eine eigene Braustätte in Hamburg verfügt, ist für Chef Speth auch eine ganz persönliche Genugtuung. Er begann seine Karriere nämlich bei Bavaria und musste miterleben, wie das traditionsreiche Haus seine Eigenständigkeit und die Marke Ratsherrn zusehends an Bedeutung verlor. "Das hat wehgetan", sagt Speth. Umso zuversichtlicher ist er jetzt, dass das Comeback erfolgreich sein wird.