Der DB-Konzern modernisiert Europas größten Rangierbahnhof Maschen - ohne Probleme. Für Hamburg ist er unverzichtbar.

Maschen. Wolfgang Weber stellt die Weiche per Mausklick. Und wieder zurück. Es geht so leicht wie bei einer Modelleisenbahn. Doch unten in dem riesigen Gleisfeld bewegt sich eine echte stählerne Weiche, obwohl man das von oben, aus dem Stellwerk heraus, nicht sehen kann. Weber, 62, Bau- und Betriebskoordinator bei der Bahngüterverkehrstochter DB Schenker Rail, sitzt vor einer Computertastatur mit drei Monitoren, der neuen Weichensteuerung des Stellwerks Südost am Rangierbahnhof Maschen . Der Leitstand ist einer von vier, in dem die insgesamt 750 Weichen der Anlage überwacht und bedient werden.

+++Kommentar: Noch mehr Güter auf die Schiene+++

+++Deutsche Bahn erneuert 2600 Kilometer Schienen+++

Weber zeigt auf ein Schaltpult neben dem Rechner, es hat Knöpfe für die Weichen und Leuchtspuren für die Gleise. "Das alte Stellpult war für die Stellwerksmeister zwar auch einfach zu bedienen. Aber dafür brauchten wir in einem der unteren Stockwerke einen eigenen Raum mit 120 Quadratmetern allein für die Relaistechnik", sagt er. "Das neue System funktioniert mit zwei Personal Computern." Nach mehr als 30 Dienstjahren wird die alte Siemens-Anlage demnächst aus dem Verkehr gezogen. Maschen wird modernisiert.

Fast geräuschlos bringt die Deutsche Bahn Europas größten Rangierbahnhof technologisch auf den neuesten Stand. Über etliche große Verkehrsprojekte in Norddeutschland wird seit Jahren gestritten und debattiert: sei es die sogenannten Y-Trasse - neue Gleiswege für den Güterverkehr zwischen Bremen, Hamburg und Hannover -, die Hafenquerspange, die am südlichen Rand des Hamburger Hafens die Autobahnen 1 und 7 verbinden soll, oder die geplante Tunnelquerung des Fehmarnbelts. Mal fehlt es an Geld, mal am politischen Wille, mal an Zustimmung der Bürger, die Infrastruktur zu erneuern, selbst wenn dies dringend nötig ist.

In Maschen aber läuft es. Güterzüge rollen von außerhalb auf die Rangiergleise, die in zwei Gruppen für den Nord-Süd- und den Süd-Nord-Verkehr organisiert sind. Rangierloks schieben einzelne oder mehrere Waggons über die fünf Meter hohen "Ablaufberge". Durch das Gefälle bekommen die Wagen genügend Schwung, um sie nacheinander zu Zügen kombinieren zu können. Fährt mal einer zu schnell, wird er über Bremsanlagen in den Gleisen automatisch verlangsamt. Schubschlitten in den Schienen, die von Stahlseilen gezogen werden, bewegen die Waggons bei Bedarf auf den letzten Metern bis zum Prellbock des voranstehenden Wagens. Selbst die Rangierloks fahren per Fernsteuerung. Die Lokführer sitzen nur noch zur Sicherheit auf dem Führerstand, sagt Weber, der die Bauarbeiten zwischen dem Schienen- und dem Fahrbetrieb koordiniert.

Bei vollem Betrieb wird Maschen renoviert. Die gewaltige Anlage läuft 24 Stunden am Tag, außer an wenigen Feiertagen wie Weihnachten. Bautrupps erneuern Gleise, Weichen, Bremsanlagen, Kabeltrassen. Zug für Zug wird gleichzeitig auf dem Gleisnetz vom Rangierpersonal getrennt oder neu zusammengestellt. Peter Schröder hat als Entkuppler viel zu tun, denn die Kupplungen der Waggons werden noch per Hand verbunden oder gelöst. Schröder trennt die Lok eines eingefahrenen Zugs aus Dänemark, die später den Gegenzug zurück nach Norden ziehen wird. Pressluft zischt aus der Hydraulikleitung für die Bremsen. Bei jedem Wetter stehen die Entkuppler draußen. Heutzutage aber arbeiten sie in Trupps von zwei Leuten, früher waren sie meist zu viert. Die Männer steuern die Rangierloks von außen über eine Fernbedienung. "Lokrangierführer" heißen die Rangierer deshalb in der Bahnsprache.

Zwischen 2008 und 2014 wird der Rangierbahnhof fit für die kommenden Jahrzehnte gemacht. 220 Millionen Euro investiert die Bahn in die Renovierung. 121 Kilometer Gleise lässt die Bahntochter DB Netz als Betreiber der Anlage erneuern, 230 Weichen, 60 Kilometer Kabeltrassen und die Steuerelektronik in den Stellwerken.

Dass dies ohne besondere Störungen funktioniert, ist auch der Weitsicht der Planer und Ingenieure zu danken, die Maschen in den 1970er-Jahren entwarfen. 1977 wurde der Rangierbahnhof mit seinen insgesamt 272 Kilometern Gleisen in Betrieb genommen. Obwohl der Güterdurchsatz in den dreieinhalb Jahrzehnten seither deutlich gestiegen ist, stößt die Anlage nicht an ihre Grenzen. Etwa 3000 Waggons am Tag fertigt Maschen derzeit ab, bis zu 5500 könnten es sein. Die Köhlbrandbrücke im Hamburger Hafen etwa, auch sie ein technologisches Meisterwerk, ging 1974 in Betrieb. Heutzutage ist sie eine Dauerbaustelle und ein chronischer Engpass für den Hafenverkehr.

Den Rangierbahnhof Maschen hingegen sieht die Bahn auch für das Güterwachstum der kommenden Jahre präpariert. Der Hamburger Hafen steuert wieder die bisherige Rekordmarke von zehn Millionen Containereinheiten im Jahr an, die 2007 erreicht worden war. Obendrein ist Maschen auch der wichtigste Knotenpunkt im Hinterland für den Seehafen Bremerhaven.

Aus Hamburg kommen in Maschen mehr Importgüter mit südlicher Zielrichtung an, nach Bremerhaven läuft in Nordrichtung eher der Export. "Wir nehmen in der Nord-Süd-Richtung im Zuge der Erneuerungsarbeiten acht Gleise aus dem Betrieb heraus. Trotzdem wird es keinen Engpass geben", sagt die Projektingenieurin Silke Buchholz, 45. "Bei Bedarf können die Gleise sofort wieder hinzugenommen werden. Aber aus Hamburg heraus fahren immer mehr Container- oder Erzzüge direkt zu ihren Bestimmungsorten. Die müssen hier nicht rangiert und neu zusammengestellt werden."

Es sind viele einzelne Verbesserungen, die ineinandergreifen und das System Maschen leistungsfähig halten: neue Steuertechnik, mehr Automatisierung, aber auch eine höhere Einfahrgeschwindigkeit, mit der die Güterzüge vom Streckennetz auf dem letzten Abschnitt vor den Rangieranlagen ankommen. Statt 40 werden nun 60 km/h gefahren. "Güterzüge fahren genauso nach Plan wie Personenzüge", sagt Wolfgang Weber. "Und den Plan wollen wir möglichst immer einhalten."