Obst- und Gemüselieferanten finden immer mehr Kunden in Hamburger Firmen und Haushalten. Ein Wachstumsmarkt.

Hamburg. Mareike Imbt steht im Lager von Biobob zwischen Obstkisten aus Schleswig-Holstein, Spanien und Südafrika. Es duftet frisch und süß. Die Geschäftsführerin der Biolieferfirma greift zu einem Apfel und beißt hinein, dass es kracht. "Der kommt aus dem Alten Land, bio", sagt die Unternehmerin und kaut genüsslich. Bei Obst macht ihr niemand etwas vor. "Viele Kunden wollen Elstar-Äpfel schon im August, dann ist es für die Sorte aber noch viel zu früh. Erst nach vierwöchiger Lagerung schmeckt der Apfel richtig gut", sagt Mareike Imbt.

Sie hat noch viele solcher Geschichten rund um Birnen, Bananen oder Orangen parat, ein Wissen über gesundes, leckeres Essen, das in vielen Haushalten angesichts des modernen Angebots von Tütensuppen und Tiefkühlkost längst ausgestorben ist. Die Mutter von zwei Kindern kennt Fastfood und Fertiggerichte nur vom Hörensagen. Sie hat ihr gesamtes Berufsleben mit Obst und Gemüse verbracht, in Reformhäusern und acht Jahre auf Gut Wulksfelde, dem Biohof im Norden Hamburgs - und jetzt bei Biobob.

+++ Einige Frischkostlieferanten für Hamburg +++

+++ Ökologisch und lecker +++

Mit dem Lieferservice für gesunde Lebensmittel hat sich die 46-Jährige vor drei Jahren gemeinsam mit Jonas Puschke-Rui selbstständig gemacht. Biobob beliefert wie City Farming, ebenfalls ein Hamburger Lebensmittelanbieter, hauptsächlich Unternehmen mit Bio-Obst und Gemüse. Verzehrfertig, als Snack zwischendurch oder gegen den Hunger bei Konferenzen oder Schulungen. Anbieter wie Kochhaus und einige Hofläden rund um Hamburg konzentrieren sich dagegen auf Pakete mit Salat, Kartoffeln oder Äpfeln für Privathaushalte, konkurrieren damit aber ebenfalls im Markt der Lieferdienste für (Bio-)Lebensmittel.

Alle diese Dienstleister setzen darauf, dass auch in Deutschland, dem Land mit der höchsten Discounterdichte, nicht jeder Verbraucher nur den Preis als Kaufanreiz für Lebensmittel sieht. Zudem profitieren die Biolieferdienste von einem Umdenken in der Gesellschaft. In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Absatz von biologisch erzeugten Waren verdreifacht. Zwar haben die stark ausgeweiteten Bio-Angebote der Discounter ihren Anteil an dem Zuwachs, aber auch das Bewusstsein der Verbraucher ändert sich - nicht zuletzt als Reaktion auf die Fleischskandale, Dioxinfunde in Futtermitteln oder Lebensmittelvarianten wie Analogkäse und Klebschinken.

"Bei unseren Firmenkunden zählt aber auch das Argument der Gesundheitsvorsorge für die Mitarbeiter", sagt Ascan Ruhlig, Betriebsleiter von City Farming. Im viel zitierten Kampf um Köpfe sei der täglich frische Korb mit Obst zudem eine sichtbare Leistung für die Beschäftigten. Und günstiger als Zuwendungen wie Dienstwagen oder Incentive-Reisen. Zu den Lieferadressen von City Farming gehören große Betriebe, aber auch Friseure oder Unternehmensberatungen.

Wettbewerber Biobob hat nach eigenen Angaben bereits 300 Kunden und expandiert weiter: Vergangene Woche ist das Unternehmen umgezogen und hat sich von 120 auf 400 Quadratmeter vergrößert: "Wir platzten einfach aus allen Nähten", sagt Imbt.

Aber nicht nur Händler, sondern auch die Produzenten selber stellen sich auf den Trend zum gesunden Lieferobst ein. So ist nicht nur die Anbaufläche für ökologisch einwandfreie Landwirtschaft in Deutschland kürzlich erstmals auf mehr als eine Million Hektar gewachsen. Wer als Bauer an seine Kunden denkt, weiß, dass zwischen Job, Kindergarten und Haushalt die Zeit fehlt, auch noch zu verschiedenen Anbietern aufs Land zu fahren, um Biogemüse oder Fleisch von glücklichen Tieren zu kaufen.

Einer der Pioniere in diesem Bereich ist das Gut Wulksfelde. Hier kaufen Hamburger in der idyllischen Landschaft am oberen Alsterlauf seit etlichen Jahren Gesundes ein. Und in letzter Zeit nutzen auch immer mehr Verbraucher den Onlineshop des Wulksfelder Lieferservices, der Biofrische direkt nach Hause bringt. "Wir beliefern rund 1500 Kunden in und um Hamburg und sind damit einer der ältesten und erfahrensten Biolieferdienste in Norddeutschland", heißt es von dem Unternehmen.

Das Gut profitiert wie Biobob oder City Farming von dem begrenzten Zeitbudget der Kunden. Mehr als acht Prozent der Biolebensmittel werden inzwischen über Online-Anbieter vertrieben. Damit ist die Lieferung aber noch kein Massenphänomen. "Das niedrige Preisniveau bei Lebensmitteln in Deutschland, verbunden mit der fehlenden Bereitschaft, für die Logistikleistung zu zahlen, verhindern bisher eine größere Marktbedeutung", sagt Sabine Eichner, Geschäftsführerin der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie.

Aber es gibt durchaus Wachstumspotenzial, wie ein Blick nach Norden zeigt: In Skandinavien, wo viele Frauen berufstätig sind, gehören die Lieferdienste für Privathaushalte zum Alltag. Die Firma Middagsfrid beliefert allein in Schweden 6000 Kunden. Der Pionier hat auch einen Ableger in Deutschland gegründet, in Hamburg startete KommtEssen seine Expansion. Das Unternehmen liefert immer montags Zutaten und darauf abgestimmte Rezepte direkt nach Hause. "Wir sehen einiges Potenzial, weil es auch hier immer mehr Haushalte mit Doppelverdienern gibt", sagt Geschäftsführerin Lisa Rentrop von KommtEssen.

Neu in der Hansestadt sind auch TischLine deck dich und Kochhaus, die ein ähnliches Konzept verfolgen. Beim Kochhaus können die Kunden allerdings nicht nur bestellen, sondern im Geschäft an der Langen Reihe in St. Georg auch die Produkte begutachten. Und dabei kann sich schon mal der kleine Hunger einstellen: In dem "begehbaren Rezeptbuch" warten in dieser Woche beispielsweise alle Zutaten für Kartoffelreibekuchen mit Räucherlachs und Orangen-Estragon-Crème oder Crespelle mit Champignon-Walnuss-Füllung und frischem Spinat auf die Kochfans.