Deutsche Yachtwerften produzieren 60 Prozent weniger. Doch einige aufsehenerregende Innovationen machen Lust auf Wassersport.

Hamburg. Den Bootsbauern weht in der Krise ein kräftiger Wind entgegen. Teure Segel- und Motoryachten finden kaum noch Abnehmer und auch der Gebrauchtmarkt liegt am Boden. Im vergangenen Jahr ist die Produktion von Booten und Yachten deutscher Hersteller insgesamt um 60 Prozent eingebrochen.

Auf der Düsseldorfer Wassersportmesse "boot", die seit diesem Sonnabend Freizeitsportler aus ganz Deutschland und die bekannten Namen der Branche anzieht, standen daher auch kleinere, aber zum Teil spektakuläre Wassersportinnovationen im Vordergrund.

Ein Freizeitpaddler beispielsweise kann sich künftig manche Anstrengung sparen und im Faltboot den mit Sonnenenergie gespeisten Motor anwerfen: 4,5 Kilogramm schwer ist die muskelschonende Ausrüstung, die als Prototyp auf der Messe vorgestellt wird. Und sogar ein sperriges Kanu passt zum Beispiel in ein Auto, wenn man es in zwei Teile zerlegen und ineinander schieben kann. Besucher der "boot" können Badehose und Handtuch mitbringen und Trendsportarten wie etwa "Stand-up-Paddling" im Schwimmbecken ausprobieren: Dabei steht man auf einem wackeligen Brett und bewegt sich mit einem langen Paddel vorwärts. "Es ist wie Nordic Walking auf dem Wasser", sagt der Münchner Stand-up-Paddler Andy Mencke. Und falls experimentierfreudige Gäste bei ihren Versuchen doch ins Becken plumpsen - das Nass ist trotz der Winterkälte wohlige 27 Grad warm.

Die Bootsbranche befinde sich im Umbruch, betont der Präsident des Bundesverbandes Wassersportwirtschaft, Robert Marx: Hatten in den 90er-Jahren noch 2,5 Prozent eines Altersjahrgangs ein eigenes Boot, so sind es heute nur noch zwischen einem und 1,5 Prozent. Der Nachwuchs fehlt. Und Neueinsteiger benötigen kleine Boote für Fahrten auf Flüssen, Kanälen und Seen.

"Wir erleben einen Umsatzrückgang von mehr als 50 Prozent", sagt Arne Schmidt, Inhaber des gleichnamigen Yachtbrokers mit Sitz in Hamburg, der sich auf Motor- und Segelboote zu Preisen von rund 120 000 Euro bis zehn Millionen Euro spezialisiert hat. Der Vermittler, der kürzlich sogar den gut 100 Jahre alten und aus der Beck's Werbung bekannten Großsegler "Alexander von Humboldt" ins Portfolio bekam, sieht weder bei Neubauten noch bei Gebrauchtbooten eine Belebung des Geschäfts. "Viele ältere Kunden wollen ihre Boote verkaufen, aber es gibt kaum Interessenten", sagt Schmidt. Neueinsteiger hofften auf Schnäppchen. Und die Verkäufer warteten auf bessere Zeiten, um dann höhere Preise zu erzielen. Ein Teufelskreis: "Der Gebrauchtmarkt ist praktisch tot", sagte der 62-Jährige, der selbst einen "Drachen", ein offenes Kielboot, auf der Alster segelt.

Um jüngeren Familien den Einstieg zu erleichtern, warten die Hersteller auf der "boot" mit Billigangeboten auf: So bietet etwa Hanse Yacht eine "Einsteigerkielyacht" an. Das 5,50 Meter lange Boot soll im segelfähigen Zustand weniger als 10 000 Euro kosten. "Wir wollen neue Kunden werben für den Segelsport", sagt Jan Spengler, der Koordinator des Projekts, über die "Jacht für Jedermann". Gebaut wird die "Varianta" in Meschede im Sauerland. Auch andere Anbieter denken wieder im kleineren Maßstab. Schließlich ist die Kaufflaute nicht nur ein inländisches Problem. Und die rund 200 deutschen Werften leben zu 90 Prozent vom Export. Wenn die Nachfrage von Kunden im Ausland nicht wieder auffrischt, dürfte es laut Branchenkennern weitere Firmenaufgaben geben. Schon vor einigen Monaten musste die 1963 gegründete Dehler Werft aus dem sauerländischen Freienohl ihre Unabhängigkeit aufgeben und schlüpfte unter das Dach des Branchenriesen Hanse Yachts in Greifswald. Auch der große Wettbewerber Bavaria konnte sich nur mithilfe von amerikanischen Investoren über Wasser halten.

Der Hersteller Feltz Werft aus Finkenwerder erlebte einen so starken Rückgang bei den privaten Aufträgen für seine Stahlrohbauten, die sich die Eigner bisher selber ausbauten, dass das Unternehmen seine Strategie nun geändert hat: "Wir fertigen praktisch nur noch für gewerbliche Kunden", sagt Geschäftsführer Klaus Heins dem Abendblatt.

Nicht schlecht läuft aber offenbar das Geschäft mit ausländischen Booten. Richard Gründl vom gleichnamigen Hamburger Bootsimporteur ist mit dem Umsatz zufrieden. Fabrikate wie Beneteau seien derzeit so beliebt, dass manche Kunden monatelang auf ihr ersehntes Boot warten müssten, sagte Gründl, der Modelle zu Preisen zwischen 10 000 Euro und 600 000 Euro verkauft. Auch für die kommenden Monate ist der Unternehmer, den ohnehin wenig erschüttern kann, optimistisch: Dass jede Flaute, auch eine wirtschaftliche, irgendwann ein Ende hat, hat seine Firma bereits in den vergangenen Jahrzehnten erfahren. Immerhin sind die Gründls, die ihr Händlerleben zunächst mit einem Gemüseladen starteten, schon seit 45 Jahren im Bootsmarkt aktiv.