Im Jahr 2016 soll der neue Jet aus Asien für bis zu 190 Passagiere auf den Markt kommen. Experte nennt den Zeitplan “sportlich“.

Hamburg. Die chinesische Konkurrenz für die Flugzeugbauer Airbus und Boeing nimmt Gestalt an: Im Shanghaier Stadtbezirk Pudong hat der Bau der Endmontagelinie für den geplanten Passagierjet C919 begonnen. Das Flugzeug soll nach Angaben des Staatskonzerns Commercial Aircraft Corporation of China (Comac) im Jahr 2014 zum Erstflug abheben und zwei Jahre später den Liniendienst aufnehmen.

Der für 150 bis 190 Fluggäste ausgelegte Jet wäre dann die erste Verkehrsmaschine, die in vollem Umfang in den Wettbewerb mit den Basisprodukten von Airbus und Boeing, der A320-Familie sowie den 737-Modellen, eintritt. Ein schon für 2013 geplantes Flugzeug des kanadischen Regionalflugzeugherstellers Bombardier soll maximal 149 Passagiere befördern, das bisher größte Konkurrenzmodell kommt vom brasilianischen Unternehmen Embraer und hat bis zu 122 Sitze.

Allerdings sei der von den Chinesen genannte Zeitplan für ihre C919 "sportlich", sagte Uwe Gröning, Vorstandsvorsitzender des Luftfahrtzuliefererverbands Hanse Aerospace, dem Abendblatt mit Blick auf die erheblichen Projektverzögerungen bei neuen Typen von Airbus und Boeing. Dennoch müsse man den neuen Wettbewerber ernst nehmen: "Die Chinesen werden nicht wie einst Airbus 20 Jahre brauchen, um sich als bedeutender Flugzeugbauer zu etablieren."

Schließlich habe der Technologietransfer in die Luftfahrtindustrie des asiatischen Riesenreichs längst begonnen. Gröning meint damit nicht nur das im September 2008 eröffnete Montagewerk für Jets der Airbus-A320-Familie in Tianjin. So nutzt Comac auch für den Bau des kleineren Regionaljets ARJ21, der vor gut einem Jahr seinen Erstflug absolvierte, in großem Umfang Technologie aus den USA und aus Europa.

Zwar gilt die ARJ21 in Branchenkreisen als kaum konkurrenzfähig und die erste Auslieferung an die Kunden - praktisch ausschließlich chinesische Airlines - hat sich um mehr als drei Jahre auf das Jahresende 2010 verzögert. Doch aus diesen Erfahrungen wollen die Chinesen lernen. Auch bei der C919 greifen sie stark auf westliche Zulieferer zurück. Die Triebwerke werden vom französisch-amerikanischen Hersteller CFM stammen, der auch Jets von Airbus und Boeing ausrüstet. Und die komplette Kabinenausstattung wird der österreichische Spezialist Fischer Advanced Composite Components (FACC) liefern - der kürzlich von einer chinesischen Firma übernommen wurde.

"Verkaufen wird man die C919 in den ersten Jahren wohl erst einmal im Inland, später auch in Indien und in anderen asiatischen Ländern", erwartet Gröning. Denn zu den größten Herausforderungen für einen neuen Flugzeugbauer gehöre es, ein weltumspannendes Servicenetz aufzubauen. Doch allein die Nachfrage aus China selbst werde in den kommenden Jahren so groß sein, dass Comac nur den kleineren Teil des Inlandsmarktes bedienen könne, sagte Jin Qiansheng, ein leitender Manager der staatlichen Luftfahrtindustrie: "Chinas Flugzeugprogramm wird zumindest in den kommenden 20 Jahren keine Bedrohung für Boeing und Airbus sein." Und auch der Branchenexperte Richard Aboulafia vom US-Analysehaus Teal Group meint, es werde Jahrzehnte dauern, bis China auch nur den eigenen Bedarf an Passagierjets befriedigen könne. Abgesehen davon würden chinesische Fluggesellschaften nicht aufhören, bei Airbus oder Boeing zu kaufen.

Das sieht man bei Airbus genauso. "Die Nachfrage in China ist sehr groß - und wir sind mit unserem Werk schon da", sagte ein Firmensprecher dem Abendblatt. "Außerdem ist uns jeder gesunde Wettbewerb willkommen."