Der Sportwagenhersteller Spyker bietet neu für den angeschlagenen Hersteller Saab, Volvo soll an Geely in China verkauft werden.

Hamburg. Des einen Freud, des anderen Leid: Schwedens Automobilindustrie steht vor dem Ausverkauf. Volvo soll von seinem bisherigen Eigentümer, dem US-Automobilkonzern Ford, an die chinesische Geely-Gruppe verkauft werden, berichtet die "Financial Times". Geely gilt seit Monaten als der favorisierte Verhandlungspartner von Ford.

Bei Schwedens zweitem und kleinerem Hersteller Saab hofft man auf Rettung in letzter Minute. Eigentümer General Motors (GM) bereitet schon die Abwicklung von Saab vor. Der niederländische Sportwagenhersteller Spyker Cars legte gestern ein erneuertes Angebot für eine Übernahme vor. "Wir können noch auf eine Lösung hoffen", sagte ein Saab-Sprecher dazu. Betriebsratschef Paul Åkerlund sagte nach der Vorstellung des Konzepts durch Spyker im Unternehmen, die Pläne seien "äußerst seriös" und verdienten jede erdenkliche Unterstützung durch Schwedens Regierung. Hinter dem neuen Angebot von Spyker steht laut der niederländischen Zeitung "De Telegraaf" der Milliardär und Spyker-Großaktionär Marcel Boekhoolt.

Saab und Volvo sind zwar seit vielen Jahren keine eigenständigen schwedischen Unternehmen mehr. Doch die Zukunft für die beiden Hersteller sieht noch düsterer aus als die Zeit unter der Regie amerikanischer Konzerne. Für Schwedens Wirtschaft steht viel auf dem Spiel. Die Regierung stellt sich auf den schlimmsten Fall ein, die Schließung von Saab im südwestschwedischen Trollhättan. Betroffen wären vom Ende des Autoherstellers nicht nur die 3400 Beschäftigten bei Saab, sondern laut schwedischen Medienberichten insgesamt 8000 Menschen, da auch Zulieferunternehmen von Saab Werke schließen müssten. Die Regierung will nach Aussage von Wirtschaftsministerin Maud Olofsson umgerechnet rund 52 Millionen Euro in die Region fließen lassen, um im Falle einer Pleite bei Saab die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu stimulieren und Menschen weiter zu qualifizieren.

Völlig ungewiss ist auch die Zukunft von Volvo. Seit mehr als zwei Jahren versucht Ford bereits, das Tochterunternehmen zu verkaufen. Ursprünglich wollte Ford-Chef Alan Mulally sechs Milliarden Dollar für Volvo haben, Geely bietet nun offenbar weniger als zwei Milliarden Dollar. Europäische Hersteller wie BMW oder Volkswagen hatten eine Übernahme von Volvo geprüft, aber nach näherer Betrachtung des Unternehmens abgesagt.

Volvo und Saab galten lange als vorbildlich im Hinblick auf Innovation und - vor allem Saab - auf Design. Technologien wie der Turbolader, Zweikreisbremssysteme, Seitenairbags oder beheizbare Sitze wurden zuerst in Schweden serienmäßig in Automobile eingebaut. GM übernahm Saab Ende der 80er-Jahre, Ford kaufte Volvo 1999. Seither ging es mit den beiden Marken bergab, auch deshalb, weil die US-Konzerne in den Autos der einstigen Premiummarken immer mehr Technologie von Ford oder der Saab-Schwestermarke Opel montierten. Seit Jahren schreiben Saab und Volvo hohe Verluste. Volvo hat in diesem Jahr 300 000 Autos verkauft, Saab weniger als 50 000. Beide Marken sind für eine eigenständige Existenz viel zu klein.

Ob Geely Volvo in eine bessere Zukunft führen kann und will, erscheint äußerst fraglich. "Die chinesischen Hersteller konkurrieren im Markt mit einfacher Technologie. Marken wie Volvo oder Saab als Türöffner nach Europa sind da nicht besonders interessant", sagte Aleksej Wunrau, Automobilanalyst der BHF-Bank in Frankfurt, dem Abendblatt. "Die Chinesen wollen vor allem Technologie und fortgeschrittene Kenntnisse für das Prozessmanagement haben."

Auch Saab wird teilweise nach China verkauft. Die Motor- und die Getriebetechnologie der beiden wichtigsten laufenden Modelle 9-3 und 9-5 sowie die Produktionsanlagen für den 9-5 übernimmt der staatliche chinesische Hersteller BAIC. Die Anlagen will BAIC von Schweden nach China bringen und darauf eigene Fahrzeuge fertigen.

"Die Autoproduktion wird aus Schweden sicher nicht komplett verschwinden, aber die Perspektiven sind doch sehr begrenzt - vor allem, wenn Saab schließen muss", sagte der Automobilmarktexperte Professor Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen dem Abendblatt. "Und mit Blick auf die Zukunft von Saab und Volvo muss man sehen: Es sind schwierige Marken, auch Ford und GM waren damit nicht erfolgreich."

Unberührt von der Krise im schwedischen Fahrzeugbau bleibt derzeit nur der Lastwagenhersteller Scania. Der allerdings ist auch kein schwedisches Unternehmen mehr. Die Mehrheit an Scania gehört Volkswagen. Und in absehbarer Zeit könnte Scania mit dem Münchner Konkurrenten MAN verschmolzen werden - unter dem Dach des Wolfsburger Konzerns.