Die Haspa ist besonders optimistisch, die Deutsche Bank eher skeptisch. Die Prognosen für 2009 waren meist zu verhalten.

Hamburg. Ein Plus im Deutschen Aktienindex (DAX) von mehr als 20 Prozent auf nunmehr 5945 Punkte im Jahr der schwersten Wirtschaftskrise seit Langem - der Kontrast ist extrem. Und tatsächlich haben die meisten Experten vor zwölf Monaten beides nicht erwartet, weder die Wucht des Konjunkturabschwungs noch die starken Kursgewinne an der Börse. Im Schnitt rechneten die Analysten mit etwa 5100 DAX-Punkten. "Die alte Finanzweisheit, Rezessionsjahre sind Boomjahre an den Börsen, wurde wieder einmal bestätigt", meint dazu Markus Roß, Aktienstratege der WGZ Bank.

Dabei war die Bandbreite der Prognosen selten zuvor so groß: Während die kleine Frankfurter Investmentbank Silvia Quandt & Cie. den Jahresendstand 2009 auf immerhin 7400 Punkte veranschlagte, ging die Hamburger Privatbank M.M.Warburg nur von 3600 Zählern aus, was allerdings ziemlich genau dem Tiefstand im März entsprach. Im Jahresverlauf hob die Bank ihre Prognose mehrfach an.

Für 2010 erwartet eine Mehrheit der Analysten zwar noch einmal einen Anstieg des wichtigsten deutschen Börsenbarometers, aber nur in moderatem Ausmaß. Auch wenn die dabei genannten Zahlen nicht mehr ganz so weit auseinanderliegen wie im Dezember 2008, ist die Spanne abermals beachtlich. Besonders optimistisch zeigen sich diesmal die Wertpapierexperten der Haspa, die dem DAX zum Jahresultimo 2010 rund 7000 Punkte zutrauen. Am oberen Ende der Spanne bewegt sich auch die Commerzbank (6900 Punkte). Dagegen rechnet die Berliner Weberbank mit einem Börsenabschwung auf 5300 Punkte. Fast ebenso vorsichtig ist man bei der Hamburger Conrad Hinrich Donner Bank. Vorstandsmitglied Marcus Vitt erläuterte dem Abendblatt, warum er den DAX auf Jahressicht bei nur 5600 Zähler sieht: "Die Krise ist noch nicht zu Ende. Man wird etliche Risiken erst noch verarbeiten müssen, gerade im Finanzsektor." Zumindest für das erste Halbjahr seien daher noch "viele Überraschungen" zu befürchten.

Eine eher verhaltene Einschätzung liefert auch die Deutsche Bank. Deren Spezialisten gehen davon aus, dass der DAX zum Jahresende 2010 ungefähr auf dem aktuellen Niveau liegt. "Für das erste Quartal erwarten wir aber zunächst einen Anstieg auf mehr als 6000 Punkte", sagte Rolf Hunck, Mitglied der Geschäftsleitung der Deutschen Bank Hamburg. Doch dann würden negative Faktoren allmählich die Oberhand gewinnen. "Die zunehmende Arbeitslosigkeit wird uns belasten", so Hunck. Wenn die Notenbanken im kommenden Jahr damit beginnen, die Leitzinsen wieder anzuheben, werde dies ebenfalls auf die Kurse drücken. Dennoch könnten Aktien für Anleger weiter attraktiv sein, nachdem die Renditen von Unternehmens- und Staatsanleihen gesunken seien. Hierfür sorge schon die hohe Dividendenrendite mancher Titel, erklärte Hunck: Bei der Telekom etwa liege sie oberhalb von sieben Prozent, während eine fünfjährige Anleihe des Konzerns nicht einmal halb so viel bringe. Ähnliches gelte für Papiere der RWE. Auch die Experten der WGZ Bank weisen auf diesen Faktor hin: Aktuell betrage die Dividendenrendite der DAX-Titel im Schnitt knapp 3,6 Prozent, zehnjährige Staatsanleihen brächten aber nur rund 3,2 Prozent.

Euphorie sei vor dem Hintergrund des unsicheren Umfelds jedenfalls nicht angebracht, eher sei Flexibilität gefragt, meint Hunck. Er rät dazu, oberhalb von 6000 DAX-Punkten den Aktienanteil des persönlichen Anlageportfolios wieder zu reduzieren. Dem kann Marcus Vitt nur zustimmen: "Es ist besser, auf eine Chance zu verzichten, als zu hohe Risiken einzugehen."