Anteilseigner gehen mit Vorstand und Aufsichtsrat hart ins Gericht .Auch Übernahme von Karmann umstritten. Konzernchef Winterkorn prognostiziert mehr Gewinn und höheren Absatz.

Hamburg. Zu Beginn der Hauptversammlung von VW gestern in der Hamburger Messehalle wähnten sich die Gäste in einer Werbeveranstaltung für Porsche: Die Marke ist ein "echtes Juwel", das Unternehmen sei der "profitabelste Autobauer der Welt", lobte VW-Chef Martin Winterkorn den Sportwagenbauer, der in Zukunft als zehnte Marke unter das Dach von VW schlüpfen wird. Offenbar können die Wolfsburger es gar nicht erwarten, das Geschäft mit dem Konzern unter Dach und Fach zu bringen, der kurz zuvor selber einen Übernahmeangriff auf VW gestartet hatte. Schon nächste Woche will VW 49,9 Prozent an dem Sportwagenbauer für 3,9 Milliarden Euro übernehmen - und damit das "nächste Kapitel in der Geschichte von VW und Porsche aufschlagen", sagte Winterkorn.

Die Tatsache, dass Porsche damit als zweifelsohne legendäre Marke zu VW stößt, begrüßten die Aktionäre gestern beinahe einhellig. Für Empörung jedoch sorgten die Umstände, unter denen das Geschäft abgelaufen ist - und vor allem der Kaufpreis, den VW nun an die Familien Porsche und Piëch als Eigentümer des Sportwagenbauers zahlt. Insgesamt kostet VW die Übernahme fast 16 Milliarden Euro. Porsche wurde mit 12,4 Milliarden Euro bewertet, das ebenfalls übernommene Autohandelsgeschäft in Salzburg mit 3,55 Milliarden Euro.

Um diese Investition stemmen zu können, hat VW gestern zu der außerordentlichen Hauptversammlung eingeladen. Die Aktionäre sollten ihre Zustimmung zu einer Kapitalerhöhung geben, mit der VW rund acht Milliarden Euro einsammeln will. Zwar könnte VW die Übernahme auch ohne frisches Geld bezahlen. Die Wolfsburger verfügten zuletzt über eine Nettoliquidität von 13,4 Milliarden Euro. Sie wollen aber nicht riskieren, dass die eigene Kreditwürdigkeit sinkt.

Rund zwei Stunden lang mussten sich gestern Vorstand und Aufsichtsrat dafür der Aktionärsschelte aussetzen: "Hat VW mit den Familien wie mit fremden Dritten verhandelt?", fragte ein Aktionärsschützer, der äußert, was in der Messehalle gestern viele dachten: Hat VW nicht eigentlich den Familien Porsche und Piëch einen Gefallen getan, indem der Konzern diesen Autoclans ein Unternehmen abgenommen hat, dessen Führung durch "Zockerei Milliardenschulden angehäuft hat?", fragte Martin Weimann von der Verbraucherzentrale für Kapitalanleger.

Nicht nur gegen mögliche Egoismen der Porsche-Eigentümerfamilien, sondern auch gegen die Rolle des Landes Niedersachsen, das mit 20 Prozent weiterer Großaktionär bei VW ist, fuhren die Redner gestern scharfe Geschütze auf. Es sei doch sehr fraglich, ob VW den Autobauer Karmann angesichts der Überkapazitäten im Automarkt auch gekauft hätte, wenn das Werk in Münster und nicht in Osnabrück, im Wahlkreis des Niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) stünde, sagte ein Vertreter der Fondsgesellschaft DWS. VW-Chef Martin Winterkorn argumentierte dagegen, dass Karmann als Hersteller von Cabrios die Chance biete, diese "stark emotionalisierte Sparte" intensiver zu besetzen, und das bei "überschaubarem Aufwand".

Auf Ablehnung stieß zudem die geplante Änderung der Firmensatzung, wonach das Land Niedersachsen auch künftig das Recht auf die Besetzung von zwei Aufsichtsratsposten haben soll. Ungeachtet der Aktionärsschelte führte Winterkorn die angepeilten Chancen durch die Porsche-Übernahme auf: So werde der Zusammenschluss das operative Ergebnis um 700 Millionen Euro im Jahr erhöhen. "Wir werden Wachstumspotenziale erschließen, erhebliche Synergien schaffen und dabei die Kosten deutlich senken", sagte Winterkorn. Der Porsche-Absatz solle von bisher rund 100 000 auf mehr als 150 000 Stück steigen.

Die Prognosen von Winterkorn, aber auch die Versuche des zum Teil gelangweilt wirkenden VW-Aufsichtsratschefs Ferdinand Piëch, den Anlegern rhetorisch den Wind aus den Segeln zu nehmen, waren aber letztendlich ohne Nutzen: Denn ausrichten können die Kleinanleger gegen die Pläne nichts.

Da die VW-Großaktionäre, also die Familien Piëch und Porsche, das Land Niedersachsen und das Golfemirat Katar sich in den gestern angesprochenen Themen einig sind, haben die Gegenstimmen der übrigen Anteilseigner keine Bedeutung: Auch wenn VW die Hauptversammlung wegen der zu erwartenden Diskussionen auf zwei Tage angesetzt hat - die Ergebnisse, also die Zustimmung zur Porsche-Übernahme und der Kapitalerhöhung standen schon vorher fest.