Die Zahl der deutschen Abwanderer sinkt um 40 Prozent. Viele Unternehmen kehren zurück. Osteuropa verliert an Bedeutung.

Düsseldorf/Hamburg. In der Krise gewinnt der Produktionsstandort Deutschland an Bedeutung. Immer weniger deutsche Unternehmen verlagern ihre Produktion ins Ausland. Die Zahl der Abwanderungen ist in den letzten drei Jahren um 40 Prozent zurückgegangen. Das ist das Ergebnis einer Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) im Auftrag des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), die gestern in Düsseldorf vorgestellt wurde. Befragt wurden knapp 1500 Unternehmen. "Die Quote der Produktionsverlagerungen beträgt aktuell nur noch neun Prozent", sagt VDI-Direktor Willi Fuchs. Das sei der tiefste Stand seit 15 Jahren. Aktuelle Planungen deuten darauf hin, dass sich diese Quote noch auf sieben Prozent verringern könnte. In der Hochzeit der Produktionsverlagerung wurde noch ein Wert von 15 Prozent erreicht.

"Die Ergebnisse sind insofern überraschend, als dass bei früheren Wirtschaftskrisen die Unternehmen verstärkt Produktionsverlagerungen zur Kosteneinsparung genutzt haben", sagt Studienleiter Steffen Kinkel vom ISI. "In der aktuellen Absatzkrise scheint es für die Unternehmen dagegen wichtiger zu sein, ihre Kapazitäten an ihren inländischen Produktionsstandorten bestmöglich auszulasten."

So sieht es auch Peter Haas, Sprecher von Nordmetall, dem Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie in Norddeutschland. "Unsere regelmäßigen Konjunkturumfragen bestätigen seit Jahren, dass sich nur noch rund fünf Prozent der Firmen mit Verlagerungsplänen beschäftigen", sagt Haas dem Abendblatt. "Wenn jetzt Unternehmen doch in das Ausland gehen, wollen sie neue Absatzmärkte wie in China oder Indien erschließen." Kostensenkungen spielten kaum eine Rolle.

Die Firmen haben inzwischen gemerkt, dass sie hohe Anlaufkosten haben, bis die Qualität der Produkte stimmt. "Dazu müssen deutsche Experten lange Zeit im Ausland arbeiten, was ebenfalls zu höheren Kosten führt", sagt Haas. Hinzu komme der Mangel an qualifizierten Facharbeitern und hohe Lohnsteigerungen vor allem in den osteuropäischen Ländern. "Eine Verlagerungswelle, wie es sie Ende der 90er-Jahre gegeben hat, wird sich so nicht wiederholen", sagt Haas. Auch der Industrieverband Hamburg sieht keine Gefahr für eine Abwanderung von Unternehmen aus der Hansestadt.

Der Gabelstaplerhersteller Jungheinrich hat bereits vor einigen Jahren seine Werke in Großbritannien und Frankreich geschlossen, weil sie nicht profitabel waren. Die Produktion wurde in die Werke Norderstedt und Moosburg geholt. Auch der Stofftierhersteller Steiff will bis zum Jahr 2010 seine Produktion in China nach Deutschland zurückholen. Nach der ISI-Studie kommen jährlich etwa 570 Firmen wieder zurück nach Deutschland. "Das ist jedes dritte Unternehmen, das ins Ausland gegangen ist", sagt Kinkel. Rund die Hälfte der Rückverlagerungen erfolgen aus den osteuropäischen EU-Ländern. "Die Unternehmen haben die Lohndynamik in diesen Ländern unterschätzt", sagt Kinkel. Oft agierten die Firmen kurzsichtig und unkritisch. 16 Prozent der Rückverlagerungen erfolgen aus China.

Dennoch verlagern noch 1750 Unternehmen jährlich Produktionskapazitäten ins Ausland. Hauptmotiv sind die hohen Personalkosten in Deutschland. Besonders häufig praktizieren das Elektroindustrie, Fahrzeugbau und Textilgewerbe.