Nur noch 20 Aufträge für diesen Schiffstyp hat die Branche hierzulande. Konkurrenz aus Asien ist übermächtig.

Hamburg. So sieht das Ende einer Ära aus. Frisch gestrichen und mit Wimpeln geschmückt, liegt die "Elysee" am Ausrüstungskai bei Blohm + Voss. Am Montag wird das Containerzubringerschiff nach Rotterdam auslaufen. 393 Containerschiffe hat Deutschlands älteste Werft Sietas in Neuenfelde seit 1966 gebaut. Das letzte von ihnen wurde am Freitag bei Blohm + Voss abgeliefert, wo es zuvor seinen Endanstrich bekommen hatte. Bei Blohm + Voss werden schon lange keine Handelsschiffe mehr gebaut. Die "Elysee" war daher wohl der letzte Neubau eines Containerschiffes in Hamburg insgesamt.

"Bei Sietas ist ein neues Zeitalter angebrochen", sagte Geschäftsführer Rüdiger Fuchs auf der Brücke der "Elysee". "Der Spezialschiffbau mit einem industriellen Fertigungskonzept ist unsere Zukunft und soll uns international wettbewerbsfähig machen." Mit einem kleinen Auftragsbuch von derzeit sechs Schiffen will Fuchs die älteste deutsche Werft durch die Krise führen. Der Zusammenbruch des Schiffsmarktes hatte das Familienunternehmen zu Beginn des Jahres in seiner Existenz bedroht. Der frühere Airbus-Manager Fuchs übernahm die Führung bei Sietas. Er richtete die Produktion neu aus und strich rund 170 von derzeit 1220 Arbeitsplätzen in der Sietas-Gruppe, zu der auch die auf Reparaturen spezialisierte Norderwerft im Hamburger Hafen und die Neuenfelder Maschinenfabrik gehören.

Das Ende des Containerschiffbaus bei Sietas markiert einen Trend für die gesamte Schiffsindustrie in Deutschland. Die Branche räumt dem Bau einfacher Standardschiffe wie Container- oder Massengutfrachtern keine Perspektiven mehr ein. Dieses Geschäft wird in den kommenden Jahren wohl komplett nach Südkorea und China abwandern. Nach etlichen Stornierungen im zurückliegenden Jahr verzeichnet der Branchenverband VSM bei den deutschen Werften derzeit noch einen Auftragsbestand von 20 Containerschiffen. Wie viele dieser Frachter, die teils schon gebaut sind, zum ursprünglich vereinbarten Preis abgeliefert werden, hängt von der Entwicklung des Welthandels ab. Mehr als 550 Containerfrachter aller Größen, das sind rund zehn Prozent der weltweiten Containertransportkapazität, liegen derzeit ohne Aufträge fest.

Bei den Zubringerschiffen, den sogenannten Feedern, könnte sich der Markt schneller erholen als bei den größeren Frachtern. "Bei den Feederschiffen gibt es kaum Überkapazitäten, anders als bei den Überseeschiffen", sagte Sander Schakelaar, Chef des niederländischen Schiffshauses JR Shipping, vor der Ablieferung der "Elysee". Das Unternehmen wird den Frachter an die Reederei APL aus Singapur verchartern. APL will damit den Zubringerverkehr von Rotterdam nach St. Petersburg bedienen.

JR Shipping betreibt laut Schakelaar 23 Feederschiffe. Zehn davon, inklusive der 33 Millionen Euro teuren "Elysee", wurden von Sietas gebaut. "Unser Geschäft steht stark unter Druck", sagte Schakelaar. "Die Charterraten sind, je nach Schiffsgröße, um 70 bis 80 Prozent eingebrochen. Allerdings erholt sich der Markt deutlich, die Transportmengen steigen wieder."

Der Boom des Welthandels brachte den deutschen Werften im zurückliegenden Jahrzehnt etliche Aufträge für Containerschiffe. Niemand erwartet, dass sich das wiederholt, wenn der Markt nach der Wirtschaftskrise wieder anzieht. Die Übermacht asiatischer Werften beim Bau von Standardschiffen ist zu groß.

Für Sietas geht deshalb ein wichtiger Teil der Unternehmensgeschichte zu Ende. 1966 hatte die Werft das Küstenmotorschiff "Bell Vanguard" gebaut, das erste Schiff weltweit, das nach den damals neuen Standardmaßen für Container konstruiert worden war. Auch Werftchef Rüdiger Fuchs demonstrierte am Freitag Wehmut: "Die ,Bell Vanguard' wurde am 26. April 1966 abgeliefert", sagte er. "Das war ein Tag vor meiner Geburt."