Hermes fordert Steuergerechtigkeit. Dem Staat entgehen pro Jahr 400 bis 500 Millionen Euro durch Post-Privileg.

Hamburg. Die Hamburger Hermes Logistik Gruppe zählt mit 14.000 Annahmestellen zu den größten Konkurrenten der Deutschen Post im Paketbereich. Über die Ziele des Unternehmens, das zum Otto-Konzern gehört, und die Entwicklung der Branche sprach das Abendblatt mit Hanjo Schneider (48), Konzernvorstand für Services der Hamburger Otto Group. Schneider ist im Otto-Konzern weltweit für die Logistik und den Einkauf verantwortlich.

Abendblatt: Die Deutsche Post zahlt für Briefe und Pakete als einziges Logistikunternehmen keine Mehrwertsteuer. Die Regierung will dieses Privileg kippen. Fühlen Sie sich damit am Ziel?

Hanjo Schneider: Dies ist eine sehr gute, längst überfällige Entscheidung. Wir leben seit Jahren mit dieser ungerechten Wettbewerbsverzerrung. Alle Post-Konkurrenten müssen für die gleichen und besseren Leistungen 19 Prozent Mehrwertsteuer abführen. Damit muss Schluss sein. Wir wollen Waffengleichheit und zu den gleichen Konditionen um Kunden kämpfen. Für alle Wettbewerber sollten die gleichen politischen und steuerlichen Auflagen gelten.

Abendblatt: Damit Gerechtigkeit entsteht, könnten ja auch alle Postfirmen grundsätzlich steuerbefreit werden.

Schneider: Das halte ich für ordnungspolitisch problematisch. Bei Postdiensten handelt es sich um einen ganz normalen Wirtschaftszweig, entsprechend bedarf es keiner gesonderten Besteuerung.

Abendblatt: Dennoch sollen voraussichtlich zumindest Briefe von Privatleuten steuerbefreit bleiben, um die zur Grundversorgung der Bevölkerung zu gewähren. Ist dies nicht sinnvoll?

Schneider: Nein. Im Durchschnitt schreiben die Deutschen fünf bis zehn Briefe pro Jahr. Damit würde jeder Bürger im Schnitt also nur einen Euro sparen. Ich denke nicht, dass es vor diesem Hintergrund fiskalischer Ausnahmen bedarf.

Abendblatt: Wie viel Geld verliert der Bund durch die Steuerbefreiung der Deutschen Post?

Schneider: Dem Staat gehen jedes Jahr zwischen 400 und 500 Millionen Euro durch die Steuerbefreiung verloren.

Abendblatt: Plant Hermes noch in den Briefmarkt einzusteigen?

Schneider: Nein. Wir sind über unsere 29-Prozent-Beteiligung an TNT im Briefmarkt aktiv. Das reicht uns. TNT hat eine Marktabdeckung von 90 Prozent.

Abendblatt: Hermes ist der zweitgrößte Anbieter bei Privatpaketen nach der Deutschen Post. Wo liegen Ihre Ziele?

Schneider: Unser Marktanteil liegt im Privatpaketbereich heute bei rund 40 Prozent. In zwei bis drei Jahren könnten wir in diesem Segment größer als die Deutsche Post sein. Im ersten Halbjahr ist der Bereich bei uns um acht Prozent gewachsen und wir peilen diese Größenordnung nach Möglichkeit auch für das Gesamtjahr an. Ungewiss ist aber noch das Weihnachtsgeschäft.

Abendblatt: Die Wirtschaftskrise hat Sie offenbar nicht getroffen?

Schneider: Nein, wir haben sogar viele neue Kunden gewinnen können. Trotz Krise haben die Menschen nicht aufgehört einzukaufen - insbesondere im Internet. Davon profitieren wir.

Abendblatt: Wie schätzen Sie das Wachstum des Marktes ein?

Schneider: Der Gesamtmarkt für Pakete wird bis 2014 europaweit von heute sechs Milliarden auf etwa zehn Milliarden Euro steigen - und damit jährlich zweistellig wachsen. Das größte Wachstum kommt aus dem Internet. Schon heute kommen 50 Prozent aller Pakete aus Internetbestellungen. Tendenz stark steigend.

Abendblatt: Hermes ist bisher in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Österreich mit eigenen Ablegern vertreten. Geht Ihre Expansion noch weiter?

Schneider: Wir setzen derzeit mehr auf Konsolidierung statt auf Expansion. Mit DPD starten wir noch Ende Oktober ein Gemeinschaftsunternehmen in Russland. Darüber hinaus ist vorerst nichts geplant. Vielmehr bauen wir unsere bisherigen Märkte aus - und wollen zum Beispiel in Österreich 300 weitere Shops eröffnen. Mit diesen fünf Ländern decken wir 85 Prozent des europäischen B2C-Markts (Business to Consumer) ab.

Abendblatt: Was unternimmt Hermes im Bereich Umweltschutz?

Schneider: Als Unternehmen der Otto Group unterstützt Hermes die Klimaschutzstrategie des Konzerns, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 50 Prozent zu reduzieren.

Abendblatt: In Hamburg beschäftigt Hermes 1200 von insgesamt mehr als 3500 Mitarbeitern. Ist ein Stellenabbau geplant?

Schneider: Wir bauen bei der Hermes Logistik Gruppe Deutschland seit Jahren Personal auf und haben seit 2004 mehr als 650 neue Arbeitsplätze geschaffen. Auch in Hamburg wachsen wir kontinuierlich. Ein schönes Zeichen dafür ist auch die Erweiterung unserer Zentrale, die im Frühjahr 2010 fertiggestellt wird.