Wer online shoppen geht, sammelt bei Speach Freiminuten fürs Telefonieren. Auch die Konkurrenz wartet mit Innovationen auf.

Hamburg. Wenn Moritz Pagendarm seine elf Wochen alte Tochter wickelt, gehen ihm manchmal Zahlen durch den Kopf. Zum Beispiel, wie viele Freiminuten er wohl für die Windeln erhält, die er dem Baby gerade umbindet. Denn je mehr Pampers der 31-Jährige online bestellt, desto günstiger kann er mobil telefonieren: Einkaufen gegen Handyguthaben, ein bestechend einfaches Prinzip. Moritz Pagendarm hat es sich selbst ausgedacht, gemeinsam mit drei weiteren Geschäftspartnern und seinem Bruder Anton (28).

Mit dieser Idee ist das junge Team aus Hamburg in den umkämpften Mobilfunkmarkt eingestiegen. Kunden aus ganz Deutschland können über die Internetseite der Firma Speach Media bei rund 300 Partnerunternehmen wie Rossmann, Nike, iTunes, Tchibo oder Conrad online einkaufen und dabei, je nach Bestellwert, Freiminuten sammeln oder Rabattgutscheine einlösen. Wer noch kein Guthaben angehäuft hat, zahlt günstige neun Cent pro Gesprächsminute und SMS in alle deutschen Netze, ohne Vertragsbindung, Grundgebühr oder Mindestumsatz. Die Zukunftsvision des Pagendarm-Teams sieht allerdings anders aus: "Unsere Kunden sollen eines Tages den Großteil ihrer Einkäufe über uns machen und dadurch praktisch umsonst telefonieren können."

Branchenkenner sehen in solchen Innovationen die Zukunft der Discountmarken. "Wer jetzt noch in diesen übersättigten Markt hinein will, muss sich mit einem originellen Ansatz an eine bestimmte Zielgruppe wenden", sagt Armin Modi vom IT-Dienstleister Arcoreus. "Nur über den Preis kann heute kein neuer Discountanbieter mehr punkten." Was daran liegen könnte, dass sich die Wettbewerber bereits gegenseitig auf Tiefstpreise gedrückt haben: Während die ersten Mobilfunkdiscounter 2004 mit Minutenpreisen um 35 Cent gestartet sind, bewegen sich die günstigsten Tarife laut dem Vergleichsportal Verivox derzeit bei acht bis neun Cent pro Gesprächsminute in alle Netze. Rund 50 Billiganbieter wie Aldi Talk, Blau oder Fonic tummeln sich mittlerweile an dem heiß umkämpften Discountmarkt, der nach Modis Schätzungen innerhalb des vergangenen Jahres um 40 Prozent gewachsen ist. Demnach haben die Billigmarken rund 14 Millionen SIM-Karten verkauft und sich einen Marktanteil von mehr als zehn Prozent erkämpft.

Dieser Siegeszug hat seinen Preis. So mancher Discounter sieht sich gezwungen, nach anderen Einnahmequellen zu suchen, was zu versteckten Kosten führen kann. "Die derzeitigen Minutenpreise sind an der Grenze der Wirtschaftlichkeit", sagt Manfred Breul vom Branchenverband Bitkom. Mobilfunkkunden sollten unbedingt das Kleingedruckte beachten - oder ein traditionelles Vertragsangebot in Betracht ziehen und ein paar Cent mehr bezahlen. Denn auch die Netzbetreiber gehen neue Wege, um ihre Kunden nicht an die Discountkonkurrenz zu verlieren. Der viertgrößte deutsche Anbieter O2 hat sein Angebot von 27 Tarifen auf drei reduziert und so übersichtlicher gemacht. Besonders attraktiv ist der neue "Kosten-Airbag", mit dem Verbraucher ihre monatliche Handyrechnung bei maximal 60 Euro deckeln können. Wer unter dieser Summe bleibt, zahlt pro Gesprächsminute und SMS 15 Cent. Man wolle den Mobilfunkkunden transparente Tarife und Kostensicherheit bieten, heißt es bei O2.

Konkurrent E-Plus, der von Branchenkennern als Innovationsführer gehandelt wird, hat im Sommer als erster deutscher Anbieter die viel diskutierte mobile Werbung gestartet. Deutsche Kunden von E-Plus und den Töchtermarken Base, Vybemobile, Blau und Simyo können jetzt Guthaben sammeln, indem sie eine bestimmte Anzahl von Werbe-SMS akzeptieren. "Studien zeigen, dass sich der Markt für mobile Werbung dynamisch entwickelt und gute Wachstumsaussichten hat", sagt Sprecher Klaus Schulze-Löwenberg. Die E-Plus-Gruppe betrachtet das Discountsegment nicht als Bedrohung - im Gegenteil: Bereits seit dem Jahr 2005 richtet sich das Unternehmen mit seinen Töchtermarken an einzelne Zielgruppen und bietet auf diese zugeschnittene Tarife. So soll die Marke Simyo vorrangig Onlinekunden ansprechen, Base ermöglicht lange Gespräche auf Flatratebasis und Ethnomarken wie Ay Yildiz richten sich mit günstigen Preisen für Türkei-Telefonate an Kunden mit Migrationshintergrund.

Auch die Hamburger Brüder Moritz und Anton Pagendarm und ihre Geschäftspartner von Speach Media haben nun ihre Nische gefunden - wenn auch eine von gewaltigem Ausmaß: Der Branchenverband Bitkom ermittelte unlängst, dass bereits 41 Prozent aller Deutschen im Netz einkaufen. Flüge, Kinokarten und Bücher stehen dabei auf der Beliebtheitsskala ganz oben. Es müssen ja nicht immer Windeln sein.