New York. Die USA sind im Ausverkauf. Die schwere Rezession, die das Land infolge der Wirtschafts- und Finanzkrise erfasst und Millionen von Amerikanern in die Arbeitslosigkeit geschickt hat, verwandelt die USA in ein Paradies für Schnäppchenjäger.

Von Kleidung über Kaffee bis hin zur Haustiernahrung: Die Preise purzeln. Sogar bei Artikeln, bei denen es normalerweise nie Preisnachlässe gibt, wie Verlobungsringe des Edeljuweliers Tiffany, wird der Rotstift angesetzt. Auch die zwei größten Ausgabeposten in Privathaushalten, Häuser und Autos, werden von der Preislawine mitgerissen.

"Das ist die neue Normalität", erklärt Donald Keptra, Präsident der Supermarktkette Dominick's, die Läden im mittleren Westen der USA betreibt. Seine Firma hat gerade die Preise für mehrere Tausend Artikel um 30 Prozent gesenkt. "Zurück gehen wir nicht." Was sich derzeit an der Preisfront in den USA ereignet, hat sich seit Längerem angebahnt. Vor vielen Jahren verkündete der Handelsriese Wal-Mart seine Kampagne "Jeden Tag Niedrigpreise". Amazon definierte Ende der 90er-Jahre die Schnäppchenjagd durch die Einführung des Onlineshoppings neu. Nach der Rezession von 2001 lockten die Autohersteller mit Null-Prozent-Finanzierungen die Konsumenten zum Geldausgeben. McDonald's "Dollar Meals" (Essen für ein Dollar) machte Fast Food noch billiger.

Doch was sich derzeit in der Großen Rezession abspielt, ist ohne Beispiel. Der Beinahezusammenbruch des Finanzsystems hat den Preis von Immobilien und Aktien fast ins Bodenlose stürzen lassen, das Haushaltsvermögen der Amerikaner schmolz um 6,6 Billionen Dollar oder elf Prozent zusammen.

Schnäppchen gibt es nicht nur im Einzelhandel. Auch nach dem Ende der Abwrackprämie erhalten Neuwagenkäufer in den USA satte Rabatte. Für Hotelübernachtungen muss der Reisende im Schnitt 20 Prozent weniger ausgeben als vor einem Jahr - der größte Preisrutsch seit Beginn der Erhebungen von Smith Travel Research. Auch der Immobilienmarkt wird von einer Preislawine überrollt. Seit 2006, dem Höhepunkt der Immobilienblase, ist der Preis für Einfamilienhäuser im Schnitt um 30 Prozent eingebrochen. In einigen Städten sind Immobilien gerade noch die Hälfte wert. In Teilen von Detroit, dem Herzen der kriselnden Autoindustrie, sind Häuser billiger als ein Neuwagen.

Leute wie der Werbemanager Bruce Halkin gehören zu den Nutznießern der Krise. In Kürze wird er den Kaufvertrag für ein Anwesen unterzeichnen, das an einem Golfkurs in Boca Raton in Florida liegt. 335 000 Dollar (223 000 Euro) wird er für das Haus mit drei Schlafzimmern bezahlen. Den Preis von 365 000 Dollar, den die Verkäufer verlangten, hat er heruntergehandelt. Die jetzigen Besitzer hatten das Anwesen 2006 für 410 000 Dollar gekauft und danach noch einmal 75 000 Dollar in die Renovierung gesteckt.

Die Preisspirale nach unten birgt freilich viele Risiken. Je mehr die Konsumenten mit weiter sinkenden Preisen rechnen, desto stärker halten sie ihr Geld für künftige Schnäppchen zusammen und pumpen es nicht in den Wirtschaftskreislauf. Die Unternehmen sehen sich gezwungen, ihre Preise weiter zu senken. Dies wiederum hält sie davon ab, neue Mitarbeiter einzustellen und ihren Angestellten höhere Gehälter zu zahlen. Einige Volkswirtschaftler warnen bereits vor einer Deflation, wie sie Japan seit zwei Jahrzehnten im Griff hat.