Handelsriese expandiert rasant in Europa. Erstes deutsches Geschäft in Bremen bietet trendige Textilien zum günstigen Preis.

Bremen. Bei Shoppingtouren in London war Primark bisher erste Adresse. "Billiger geht es nicht", "best place in London", "tolle Farben", "wir sind dem Primark-Virus verfallen" heißen die Kommentare von Kunden im Internet. Jetzt ist der Laden auch in Bremen zum Magneten für Modefans geworden. Im Waterfront Center, einem riesigen Einkaufszentrum am Stadtrand, ist Primark seit Mai mit einem Geschäft mit den Ausmaßen eines Fußballfeldes vertreten.

Es ist die erste deutsche Filiale der 1969 gegründeten irisch-britischen Kette, die nach eigenen Angaben heute der größte Textilhändler Großbritanniens ist. Aber selbst in Deutschland ist Primark unter Billigdesign-Anhängern schon Kult: Zur Eröffnung hat eine Firma aus dem Ruhrgebiet Touren eigens zum Primark-Shoppen angeboten, auch ein Hamburger Busunternehmer will einen solchen Schnäppchenjägertourismus für Kunden etablieren.

"Meine 14-jährige Tochter hat mich hierhergeschleppt", sagt Sabine Ostermann, die extra 100 Kilometer aus Osnabrück zu dem Textildiscounter gefahren ist. Die Familie (ohne Männer) wuselt mit Freundinnen im Schlepptau zwischen den Regalen und Tischen mit Klamotten herum und sagt, was hier wohl viele denken: "Die Auswahl ist riesig, das schafft einen richtig", meint die ältere Tochter Lydia, in der rechten Hand einen großen grauen Textilbeutel, den hier jeder trägt: Damit können die Kunden ähnlich wie bei Ikea ihre Einkäufe mit sich herumtragen.

Die Preise stehen ganz schlicht schwarz auf weiß an den Tischen, ein System, das Schnäppchenjägern den Überblick erleichtern soll. T-Shirts mit modernen Aufdrucken gibt es als Lockvogel am Tisch gleich neben dem Eingang für zwei Euro, Jeans in allen möglichen Farben und Formen ab sechs Euro, Winterjacken für zwölf Euro.

Die Mode erinnert an den jungen H&M-Style, die Preise eher an Kik. Es gibt Accessoires wie Gürtel, Mützen, erstaunlich viele Pantoffeln, Wäsche, alles für Frauen, Kinder und Männer, sogar Heimtextilien und singende Hunde mit Weihnachtshüten sind vertreten. Otto-Chef Hans-Otto Schrader nannte Primark kürzlich die größte Herausforderung für H&M und andere Player im Textilmarkt.

Denn das Unternehmen wächst rasant - und zwar europaweit. Inzwischen ist Primark mit 191 Geschäften und 27 500 Mitarbeitern in Spanien, Irland, Großbritannien, den Niederlanden, Portugal und Deutschland vertreten. Demnächst soll auch ein Laden in Frankfurt eröffnen.

"Wir haben unsere eigene Nische und unsere eigene Zielgruppe, - junge trendbewusste Leute bis 35 Jahre - deshalb funktioniert das Konzept von Primark in jedem Land", sagt Personalchefin Breege O'Donoghue im Gespräch mit dem Abendblatt selbstbewusst. Auch in Bremen hat Primark "großen Erfolg", heißt es aus der Zentrale. Wann es einen Ableger in Hamburg geben wird, wollte das ohnehin nicht sehr mitteilsame Unternehmen noch nicht sagen.

Primark erzielt wie die spanische Inditex, zu der das Modegeschäft Zara gehört, trotz der Einzelhandelsflaute jedenfalls immer noch Umsatzzuwächse. Das Erfolgsrezept der Modetochter des Mischkonzerns Associated British Foods ist eine supermoderne Bestands- und Verkaufskontrolle, bei der die Filialleiter jederzeit für jeden Artikel wissen, welche Farbe am besten verkauft wurde oder welche Jeans am beliebtesten ist.

Was sich in Bremen, Dublin oder Rotterdam als Ladenhüter entpuppt, wird dort einfach nicht mehr bestellt. Auch auf Werbung verzichtet Primark praktisch vollständig. Und die Verwaltung ist so klein, dass die Kontaktaufnahme mit dem Unternehmen für die Recherche dieses Artikels mehrere Monate in Anspruch genommen hat. Im Laden wird Service allerdings großgeschrieben: Allein die Filiale in Bremen beschäftigt 200 Mitarbeiter, die beraten, aber hauptsächlich damit beschäftigt sind, die Ware wieder ordentlich auf den (Wühl-)Tischen zu drapieren.

Personalvorstand Breege O'Donoghue betont, die Beschäftigten würden im Marktschnitt bezahlt und könnten jederzeit einen Betriebsrat gründen. Die Frage nach der Ethik bei einem solchen Billiganbieter stellt sich aber nicht nur bei den eigenen Mitarbeitern, sondern schon einen Schritt früher, bei der Herstellung der Ware: In der Tat war bei Primark-Zulieferern vor einiger Zeit Kinderarbeit festgestellt worden. Daraufhin hatte die Zentrale die Verträge mit den drei betroffenen Unternehmen gekündigt und versichert, man verfolge eine "Ethical Trading"-Politik, die den Zulieferern Kinderarbeit und Sweatshops untersagt.

Doch noch in diesem Frühjahr, bei der Eröffnung einer neuen Filiale in London protestierten Aktivisten gegen eine angeblich unterdurchschnittliche Bezahlung von Fabrikarbeitern in Bangladesch durch Primark. Auch in Bremen kommt bei den Kunden die Frage hoch, wie die Preise zu erklären sind: "Ich möchte nicht wissen, wer dafür bluten muss", sagt eine Kundin, die eine Jacke für neun Euro gefunden hat.

Aber auch bei diesem Thema bleibt das Unternehmen verschwiegen: Die Herkunftsländer der Textilien sind bei Primark nicht auf den Etiketten aufgedruckt.