Pharmariesen profitieren von der grassierenden Schweinegrippe, aber auch der Hamburger Hersteller des Händedesinfektionsmittels Sterilium.

Hamburg. Die Angst vor der Schweinegrippe treibt gelegentlich seltsame Blüten - so wie die Empfehlung, nur noch mit Latexhandschuhen anderen Menschen die Hand zu schütteln. Doch die Befürchtungen in der Bevölkerung wie auch in den Regierungen und in den Chefetagen von Firmen bringen einigen Unternehmen fulminante Geschäfte. So konnte der Schweizer Pharmariese Roche im ersten Halbjahr seinen Umsatz mit dem Grippemittel Tamiflu um mehr als 200 Prozent auf eine Milliarde Franken (660 Millionen Euro) steigern, im gesamten Jahr will man zwei Milliarden Franken einnehmen. Allein durch Tamiflu werde der Gewinn von Roche in diesem Jahr um etwa fünf Prozent steigen, erwartet Fabian Wenner, Branchenanalyst der UBS. Bei dem britischen Konkurrenten GlaxoSmithKline schossen die Erlöse mit dessen Medikament Relenza auf umgerechnet 321 Millionen Euro in die Höhe - das war ein Anstieg um das Neunfache gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

"Weil Tamiflu schon viel verbreiteter ist und man fürchtet, das Grippevirus könne eine Resistenz dagegen entwickeln, haben Regierungen zur Vorsorge vermehrt Relenza eingekauft", sagt Branchenanalyst Jens Hasselmeier von Independent Research dem Abendblatt. Roche will die gegenwärtige Produktionskapazität von jährlich 110 Millionen Packungen Tamiflu im nächsten Jahr nahezu vervierfachen, GlaxoSmithKline will bis Ende 2009 mehr als dreimal so viel Relenza herstellen können als bisher. An der Börse konnten beide Konzerne schon kräftig profitieren: "Allein am 11. Juni, als die Weltgesundheitsorganisation WHO die höchste Pandemie-Alarmstufe ausrief, legten beide Aktien um rund zehn Prozent zu", so Hasselmeier. "Bei konjunkturunabhängigen Pharmatiteln sind derartige Kurssprünge schon ungewöhnlich."

Doch schon demnächst könnte es wieder dazu kommen. Denn die WHO erwartet, dass im September ein erster Impfstoff für die Schweinegrippe in einzelnen Ländern auf den Markt kommt. "Das Marktvolumen wird auf sieben bis 14 Milliarden Dollar geschätzt", erklärt der Experte. Zu den Unternehmen, die mit im Rennen um diesen Markt sind, gehören GlaxoSmithKline, Novartis (Schweiz), Sanofi-Aventis (Frankreich), Solvay (Belgien), Baxter (USA) und CSL (Australien). Der Einsatz ist hoch: Allein GlaxoSmithKline hat nach eigenen Angaben etwa zwei Milliarden in die Entwicklung des Impfstoffs investiert, im Dresdner Werk sollen 150 neue Arbeitsplätze für dessen Produktion geschaffen werden. Auswirkungen auf den Umsatz erwartet man nicht vor dem Jahresende.

Schon jetzt profitiert auch die Biotechnologiefirma Qiagen mit Sitz in Venlo (Niederlande) vom Schweinegrippe-Effekt. Die von Qiagen angebotenen Virustestverfahren trugen zu einem Umsatzanstieg um zehn Prozent im ersten Halbjahr bei, die Geschäftsprognosen für das Gesamtjahr wurden angehoben.

Aber auch in Hamburg gibt es Gewinner. So wie Bode Chemie, Hersteller des Händedesinfektionsmittels Sterilium. "Bei einzelnen Abpackgrößen waren wir zeitweise nicht mehr lieferfähig", sagte Firmensprecher Wolfgang Strecker. "So etwas habe ich in rund 30 Jahren in diesem Unternehmen noch nicht erlebt." Wegen der Lieferengpässe beschloss Geschäftsführer Ulrich Möllers, vom Zweischichtbetrieb auf eine Fertigung in drei Schichten rund um die Uhr überzugehen. Mehr als 25 Beschäftigte wurden neu eingestellt, weil Bode Chemie nun mit drei Produktionslinien arbeitet anstatt mit einer wie noch zu Jahresanfang.

Üblicherweise sind Krankenhäuser die Kunden für Sterilium und sie haben weiter erste Priorität. "Neu hinzugekommen sind aber Unternehmen, Verbände und Gesundheitsämter", sagt Strecker. "Besonders gefragt sind die kleinen 100-Milliliter-Flaschen, die man in der Tasche überallhin mitnehmen kann." Aus dem gleichen Grund hat der Absatz des in Apotheken erhältlichen Reinigungsgels "Waschen ohne Wasser" der Hamburger Firma Canea Pharma um 50 bis 60 Prozent angezogen. "Das ist zwar kein wirkliches Desinfektionsmittel", sagt Ursula Peter von Canea Pharma. "Aber die Menschen machen sich wegen der Schweinegrippe mehr Gedanken über die Hygiene."