Nur vier bis sechs Firmen dürften 2009 in die roten Zahlen rutschen. Allerdings könnte ein massiver Abbau von Stellen noch bevorstehen.

Hamburg. Die Weltwirtschaft durchleidet gerade die schwerste Krise seit Jahrzehnten, und dies bleibt nicht ohne Folgen für die Unternehmenslandschaft - die Zahl der Pleiten steigt, immer wieder sind auch bekannte Firmennamen darunter. Doch die große Mehrheit der 30 im Deutschen Aktienindex (DAX) enthaltenen Konzerne zeigt eine vor diesem Hintergrund erstaunliche Widerstandskraft: Von ihnen werden nach eigenen Prognosen und Experteneinschätzungen in diesem Jahr voraussichtlich nur vier bis sechs einen Verlust ausweisen, alle anderen bleiben in den schwarzen Zahlen.

Dabei finden sich auf der Liste der Minus-Kandidaten keine Überraschungen. Die vom drastischen Konjunktureinbruch hart getroffenen Stahlhersteller ThyssenKrupp und Salzgitter sind dabei, die unter der Übernahme der defizitären Dresdner Bank leidende Commerzbank und der Stuttgarter Fahrzeugriese Daimler. Nach Auffassung von Analysten dürfte der Chiphersteller Infineon ebenfalls in die Verlustzone rutschen sowie eventuell die Lufthansa. Bemerkenswert ist jedoch, dass Unternehmen wie etwa der Lastwagen- und Maschinenbauer MAN oder die Chemiekonzerne Bayer und BASF weiter Gewinne erzielen - und das trotz teils heftiger Umsatzrückgänge.

Allerdings ist die Resistenz der multinationalen Unternehmen nicht repräsentativ für die gesamte deutsche Wirtschaft. "Es scheint, dass die DAX-Konzerne besser durch die Krise kommen als die Mittelständler", sagt Karl-Werner Hansmann, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Uni Hamburg, dem Abendblatt. Für das Phänomen gibt es Erklärungen: "Die börsennotierten Großunternehmen haben schon nach dem Platzen der New-Economy-Blase, in den Jahren nach 2001, erhebliche Kostensenkungen umgesetzt", sagt Haspa-Analystin Annemarie Schlüter. "Konzerne wie Siemens oder Bayer haben sich in dieser Zeit komplett neu aufgestellt", die Lohnstückkosten hätten von 2005 bis 2007 spürbar abgenommen.

Bis in das Jahr 2008 hinein konnten etliche der Großunternehmen daher Gewinnmargen auf Rekordniveau erzielen, ergänzt Robert von Kap-herr, Abteilungsleiter Sekundär-Research bei der Berenberg Bank. "Zuvor haben sie im Zuge ihrer umfassenden Restrukturierung Geschäftssparten, die besonders konjunkturabhängig sind, verkauft." Hansmann sieht dies ähnlich: "Großunternehmen haben häufig sehr langfristig orientierte Absatzkanäle, so wie Siemens mit dem Kraftwerksbereich."

Im Vergleich zu vorherigen Konjunkturabschwüngen seien die DAX-Konzerne heute viel stärker auch auf Märkten in Asien und in Lateinamerika tätig, sagt von Kap-herr: "Die aktuelle Krise trifft vor allem Firmen, die international nicht so stark aufgestellt sind" - also in erster Linie kleine Betriebe. Hansmann fügt an: "Große Konzerne haben aber auch ihre Zulieferer immer stärker unter Druck gesetzt, zu günstigen Preisen anzubieten." Eine Entwicklung, die ebenfalls die Mittelständler trifft. Generell seien die großen Firmen flexibler geworden, unter anderem durch den vermehrten Einsatz von Zeitarbeitern. Indirekt hat auch der Staat die Unternehmen bei ihrem Arbeitsplatzabbau in den zurückliegenden Jahren unterstützt. "Zum Beispiel für die Finanzierung der Frühverrentung von älteren Beschäftigten wurden die Steuerzahler in Anspruch genommen", sagt Hansmann.

Doch der Staat hat weiter seine Hand im Spiel. "In diesem Jahr hilft die Kurzarbeit, die Binnennachfrage noch relativ hochzuhalten", sagt Schlüter. Hätten die von Kurzarbeit betroffenen Beschäftigten ihren Job verloren, stünden konsumabhängige DAX-Konzerne wie Metro, Adidas oder Beiersdorf deutlich schlechter da. Volkswagen profitierte zudem von der Abwrackprämie.

All dies trägt dazu bei, dass die 30 im wichtigsten deutschen Börsenbarometer versammelten Konzerne trotz der Krise ohne spektakuläre Massenentlassungen ausgekommen sind. Arbeitsplätze abgebaut haben sie gleichwohl, unter anderem indem sie frei werdende Stellen nicht wieder besetzten: Nach Berechnungen der "Welt am Sonntag" wurden bei ihnen im Zeitraum von Oktober 2008 bis Ende Juni 2009 etwa 50 000 Stellen gestrichen, davon 30 000 in Deutschland. Besonders stark kürzten demnach Daimler mit 5800 abgebauten Jobs sowie die Telekom mit 5200. Marktbeobachter schließen nicht aus, dass diese Zahlen noch steigen. "Bisher haben wir nur vergleichsweise moderate Kapazitätsanpassungen gesehen", sagt Annemarie Schlüter. "In Abhängigkeit vom Konjunkturverlauf kann da auch im nächsten Jahr noch etwas nachkommen."