Die Gewerkschaft macht mobil gegen längere Arbeitszeiten, weniger Lohn und Outsourcing bei den Paket- und Briefdiensten.

Hamburg. Die Geduld von Ver.di mit dem Vorstand der Deutschen Post scheint zu Ende. Die Gewerkschaft geht jetzt auf Konfrontationskurs. Im Kampf gegen geplante Lohnsenkungen, Arbeitszeiterhöhungen und Auslagerungen von Brief- und Paketdiensten kündigten die Arbeitnehmervertreter dem Konzern einen "heißen Herbst" an.

"Bereits im September gibt es großflächig ganztägige Betriebsversammlung in Norddeutschland, in denen die Beschäftigten über die Konzernpläne informiert werden", sagte der Hamburger Ver.di-Fachbereichsleiter für Postdienste, Wolfgang Abel, gestern nach einem Treffen von rund 250 Betriebsräten aus dem Norden mit Ver.di-Chef Frank Bsirske. "Die Folgen wird die Post spürbar merken."

Sollte es kein Umschwenken des Unternehmens geben, seien ab November weitergehende Aktionen denkbar. Dann laufe die Friedenspflicht für den gekündigten Rationalisierungsschutzvertrag aus. "Wir werden zunächst Gespräche führen und in Verhandlungen eintreten. Danach sind aber auch Streiks nicht ausgeschlossen", sagte Ver.di-Bundesvorstandsmitglied Andrea Kocsis.

Bei dem Konflikt geht es vor allem darum, eine Absenkung der Gehälter auf "Armutslöhne" zu verhindern. Ver.di kritisiert vor allem das Vorgehen des neuen Vorstandschefs Frank Appel. Obwohl die Post im ersten Halbjahr im Briefbereich einen Gewinn von 557 Millionen Euro eingefahren habe, verbreite der Vorstand in der Öffentlichkeit das Bild, die Post sei ein Sanierungsfall. Die Konzernführung fordere "gebetsmühlenartig die Einschränkung von Dienstleistungen, eine Arbeitszeitverlängerung von 38,5 auf 40 Stunden ohne Lohnausgleich sowie die Streichung der bereits tarifvertraglich vereinbarten dreiprozentigen Lohnerhöhung zum 1. Dezember sowie die erstmalige Fremdvergabe von Briefzustellbezirken", zählte Kocsis auf. Doch dagegen wehrt sich die Gewerkschafterin: "Die Post ist weder in einer prekären Lage, noch ist sie ein Sanierungsfall." Zuletzt hatte der Briefvorstand der Deutschen Post, Jürgen Gerdes, proklamiert, dass dem Unternehmen ohne massive Einsparungen und Umstrukturierungen langfristig möglicherweise Verluste drohten. Er schlug dazu Lohnverzicht und längere Arbeitszeiten als Therapie vor.

Ver.di-Gewerkschaftschef Frank Bsirske befürchtet, dass die Post mit dieser Argumentation auch in der Politik Gehör findet. "Es besteht der Verdacht, dass die Post das Lohnniveau in ihrem Unternehmen unter den Mindestlohn in der Branche drücken möchte." Bei der Deutschen Post, die sich mehrheitlich in Staatshand befindet, erhalten die rund 183.000 Mitarbeiter - davon 8000 in Hamburg - mindestens elf Euro je Stunde. Bei der Konkurrenz im Briefgeschäft seien unterdessen "Armutslöhne" von 5,90 Euro keine Seltenheit.

Bsirske forderte deshalb vom Arbeitgeberverband Postdienste, in der die Deutsche Post maßgebliches Bestimmungsrecht habe, den im April 2010 auslaufenden Mindestlohntarifvertrag in der Branche zu verlängern. Danach werden im Westen 9,80 Euro und im Osten 8,40 Euro bezahlt. Schon heute würden die Gehälter von zwei Millionen Menschen durch Hartz IV aufgestockt, weil sie weniger als fünf Euro pro Stunde verdienten und ihre Einkommen nicht zum Leben reichten. "Es ist doch absurd, wenn der Steuerzahler die Armutslöhne von Unternehmen mitfinanziert", so Bsirske. Der Gewerkschaftschef nannte den Vorstoß der Post als "sehr ernst zu nehmend", da bei der Deutschen Telekom ähnliche Gehaltssenkungen massenhaft erfolgt seien. Die Gewerkschaft ist sich einer großen Unterstützung aus der Belegschaft sicher. Rund 80 Prozent aller Postler seien Ver.di-Mitglieder. Auch die Betriebsräte zeigten sich gestern kampfeslustig: "Wir lassen uns die Attacke des Postvorstands nicht gefallen. Wir wehren uns."