Udo Jürgens spielt auf den Flügeln von Schimmel, Deutschlands größtem Flügel- und Klavierbauer. Auch Paul Kuhn begeistert sich für die Instrumente der Premiumklasse aus Braunschweig, und junge Talente wie der 22 Jahre alte Chinese Haiou Zhang starten ihre Karriere an einem Schimmel-Flügel.

Hamburg. Fragen nach berühmten Kunden beantwortet Schimmel-Geschäftsführer Hannes Schimmel-Vogel gern. Doch das will im Moment keiner wissen. Der Chef muss sich jetzt einem anderen Thema widmen, denn das Familienunternehmen hat Insolvenz angemeldet. Für Juli konnten keine Löhne mehr an die rund 140 Beschäftigten gezahlt werden. "Jetzt sollen Banken das Insolvenzgeld der Arbeitsagentur vorfinanzieren", sagt Insolvenzverwalter Joachim Schmitz.

Zu einem Drittel ist Schimmel vom US-Markt abhängig. Dort gibt es Absatzeinbrüche von bis zu 90 Prozent. "Das lässt sich durch andere Märkte nicht auffangen", sagt Schimmel-Vogel dem Abendblatt. Nicht nur die Finanzkrise setzt dem Unternehmen zu, sondern auch der Dollarkurs, der die Produkte aus Braunschweig für Abnehmer im Dollarraum teuer macht.

Kurzarbeit reichte nicht mehr aus, "nachdem es ein extremes Sommerloch bei den Aufträgen gegeben hat", sagt Schmitz. Er will das Unternehmen mit einem Insolvenzplanverfahren, dem früheren Vergleich, retten. "Ziel ist es, dass Schimmel nach dem Verfahren schuldenfrei ist", sagt Schmitz. Dazu müssen die Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten, doch bei einer Zerschlagung des Unternehmens hätten sie noch größere Verluste zu befürchten.

"Die Belegschaft steht fest an der Seite des Unternehmens, die Arbeit geht weiter, und wir sind kämpferisch", sagt Schimmel-Vogel, der für das Gesamtjahr mit einem Auftragseinbruch von 40 Prozent rechnet. Entscheidend werde sein, wie der Markt auf die Insolvenz reagiere.

Der Vorsitzende des Branchenverbandes Klavier, Burkhard Stein, sieht für die gesamte Branche Auftragsrückgänge von 35 bis 40 Prozent. "Aber bis 2012 wird sich der Markt wieder erholen", sagt er dem Abendblatt. In Deutschland werden jährlich 2500 Flügel und 10 000 Klaviere gebaut. Gemessen an der Weltproduktion von 450 000 Stück, die zu mehr als der Hälfte aus China kommt, ist das keine bedeutende Größenordnung mehr. "Aber im Premiumsegment spielen deutsche Hersteller die führende Rolle", sagt Stein.

Die Schockwelle der Schimmel-Pleite reicht bis nach Hamburg. "Wir bedauern die Entwicklung bei Schimmel sehr. Auch wir spüren Auftragsrückgänge. Deshalb mussten wir in den ersten acht Monaten dieses Jahres kurzarbeiten. Diese Regelung endet im August", sagt Sabine Höpermann, Unternehmenssprecherin von Steinway, in Hamburg. "Es besteht aber keine Gefahr, dass wir in eine ähnliche Lage wie Schimmel geraten", stellt sie klar. Das amerikanische Unternehmen bedient von Hamburg aus mit 370 Beschäftigten die Märkte in Europa, Asien und Australien mit Flügeln und Klavieren. "Da Steinway den gesamten Weltmarkt beliefert, trifft uns der Einbruch eines Marktsegmentes nicht so stark und kann teilweise durch Aufträge aus anderen Regionen ausgeglichen werden", sagt Höpermann.