Der Vorstand sei speziell mit Blick auf neue Konzepte seit Monaten tatenlos geblieben, kritisiert Klaus-Michael Kühne. Der Miteigner der Reederei Hapag-Lloyd hält an seinem Engagement aber fest.

Hamburg. Unmittelbar nach der jüngsten Stützungsaktion für die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd hat deren Miteigner Klaus-Michael Kühne die Führung des TUI-Konzerns und den Vorstand von Hapag-Lloyd scharf kritisiert. "TUI hat uns eine Hapag-Lloyd geliefert, die alles andere als schön ist", sagte Kühne gestern bei einer Telefonkonferenz. Als Alleineigentümer habe TUI der Reederei Kapital entzogen, sodass Hapag-Lloyd in der aktuellen schweren Krise der Schifffahrt wesentlich schlechter dastehe als viele der Konkurrenten. Die hohen Zinsen für die Schulden bei TUI drückten neben der schlechten Marktlage zusätzlich auf das Ergebnis. TUI müsse Hapag-Lloyd Schulden erlassen oder diese "in Kapital umwandeln", sagte Kühne. "Alle müssen Opfer bringen, auch TUI."

Der Vorstand der Hamburger Reederei sei speziell mit Blick auf neue Konzepte seit Monaten tatenlos geblieben, kritisierte Kühne: "Beim Hapag-Lloyd-Vorstand ist in meinen Augen seit Beginn des Jahres nicht viel geschehen." Erst auf sein Drängen über Monate hin habe die Führung der Reederei Ende Juni die Unternehmensberatung Roland Berger eingeschaltet "und dann den Eindruck vermittelt, dass dies aus Eigeninitiative des Vorstandes geschehen sei".



Dem Logistikunternehmer, der Mitglied im Hamburger Konsortium Albert Ballin ist, gehören 15 Prozent der führenden deutschen Reederei. TUI hält nach dem Verkauf der Mehrheit an das Konsortium im März noch 43 Prozent an Hapag-Lloyd. Zur Hamburger Investorengruppe zählen neben Kühne die städtische Beteiligungsgesellschaft mit 23 Prozent Anteil an Hapag-Lloyd, zudem die Banken HSH Nordbank und M.M.Warburg sowie die Versicherungen HanseMerkur und Signal Iduna mit jeweils kleineren Anteilen.


Am Dienstag hatten TUI, die Stadt Hamburg und Signal Iduna Hapag-Lloyd für 315 Millionen Euro dessen 25-prozentigen Anteil am Containerterminal Altenwerder abgekauft. Die Reederei erhält dadurch dringend nötige Liquidität. Nach Angaben aus dem Umfeld des Unternehmens fährt Hapag-Lloyd derzeit monatlich 100 Millionen Euro Verlust ein, im ersten Quartal waren es den offiziellen Zahlen zufolge 222 Millionen Euro.


Kühne hatte am Kauf des Terminalanteils nicht teilgenommen, da sich die Kühne-Holding, wie er sagte, grundsätzlich nicht an Immobilienfinanzierungen beteilige. Er sei aber bereit, der Reederei gemeinsam mit den anderen Eigentümern frisches Kapital zur Verfügung zu stellen. Insgesamt benötigt Hapag-Lloyd nach Informationen aus dem Umfeld des Unternehmens für die kommenden 18 Monate 1,75 Milliarden Euro. Eine Milliarde davon soll durch staatlich verbürgte Kredite aufgebracht, die übrige Summe - inklusive der bereits beschlossenen 315 Millionen Euro - müssten die Gesellschafter finanzieren. "Ich werde weiteres Geld einsetzen, sobald es zu dieser großen Lösung kommt", sagte Kühne. Unabdingbare Voraussetzungen dafür seien aber, dass "volle Transparenz" über die Lage von Hapag-Lloyd hergestellt und dass klare Konzepte für die "Sanierung" und für die mittelfristige Zukunft auf den Tisch kämen. Dabei müsse es um neue Geschäftsmodelle und auch um künftige Allianzen "bis hin zu Fusionen gehen". Mögliche Partner dafür müsse Hapag-Lloyd "auf der ganzen Welt" suchen. "Ich würde unter heutigen Gesichtspunkten gar nichts mehr ausschließen", sagte Kühne, "aber Hapag-Lloyd muss eigenständig und die Zentrale in Hamburg bleiben." Im vergangenen Jahr war ein Übernahmeversuch von NOL aus Singapur bei Hapag-Lloyd gescheitert.


Kühne sagte nicht, bis wann das Gesamtkonzept im Umfang von 1,75 Milliarden Euro beschlossen wird. Nach Abendblatt-Informationen wird dies noch vor der Bundestagswahl am 27. September geschehen, weil die Bedingungen für eine Staatsbürgschaft danach schwerer zu kalkulieren sind. Zu Stellenstreichungen äußerte sich Kühne nicht. Die Lage der Reederei sei aber ernst.


Kühne betonte, dass er an seinem Hapag-Lloyd-Anteil festhalten wolle. "Ich stehe dazu und habe nicht über einen Ausstieg nachgedacht", sagte er, obgleich er sich zuletzt "von der Gruppe isoliert" habe.


TUI reagierte eher zurückhaltend auf Kühnes Äußerungen: "Wir nehmen zur Kenntnis, dass Herr Kühne als Gesellschafter der Hapag-Lloyd ein gemeinschaftliches und solidarisches Vorgehen befürwortet", teilte der Konzern gestern mit. Seine Vorhaltungen seien nicht begründet.