Stechender Blick, mechanisches Grinsen: Machtmensch Ferdinand Piëch hat im Ringen um VW und Porsche das Steuer in die Hand genommen. Ein Porträt.

Es ist nicht gut, Ferdinand Piëch zum Gegner zu haben. Wer ihm einmal gegenüberstand, kann sich leicht vorstellen, warum. Da ist dieses abrupte, irgendwie mechanisch wirkende Grinsen. Da sind die kalten, stechenden Augen. "Ich bringe mit meinem Blick manchmal Menschen durcheinander, ohne dass ich es erklären könnte", sagt Piëch selbst über sich. Da ist die Eigenart, häufig erst nach vielen Sekunden des Nachdenkens mit kaum hörbarer Stimme weiter zu sprechen.

Es war auch für Wendelin Wiedeking nicht gut, Piëch zum Gegner zu haben. Der "Alte", wie sie Piëch in Wolfsburg respektvoll nennen, hat sich wieder einmal durchgesetzt - wie schon so oft. Für den Machtmenschen ist der Ausgang des Kräftemessens mit Porsche-Chef Wiedeking nur die logische Konsequenz seiner darwinistisch geprägten Lebensphilosophie: "Es gibt Gewinner und Verlierer", hat der VW-Patriarch über sich gesagt. "Ich habe die Absicht, der Gewinner zu sein."

Seinem Ziel, Volkswagen zum weltgrößten Automobilhersteller zu machen, ist der Aufsichtsratsvorsitzende des Konzerns ein Stück nähergekommen. Zudem ist er nun wieder unbestritten der Auto-König.


Diesen Titel hatten die Medien in den zurückliegenden Jahren Wiedeking zuerkannt. Denn es war ihm gelungen, den Gewinn der Stuttgarter Firma steil in die Höhe zu treiben - und damit auch das Vermögen der Familien Porsche und Piëch, denen alle stimmberechtigten Stammaktien des Unternehmens gehören. Mindestens ebenso rasant wuchs Wiedekings Selbstbewusstsein. Schließlich traute er sich sogar zu, den vielfach größeren VW-Konzern vollständig unter die Kontrolle von Porsche zu bringen und damit auch in Wolfsburg das Lenkrad in die Hand zu nehmen.


Das konnte nicht gut gehen, nicht gegen Piëch. "Mir wird zu leicht schlecht, wenn ein anderer fährt", sagte dieser einmal der "Braunschweiger Zeitung" in einem seiner seltenen Interviews. Dabei hatte die beiden Alphatiere zunächst auch im Hinblick auf VW ein gemeinsames Interesse verbunden. Zu einer Zeit, als die Geschäfte des Autoriesen nicht gut liefen und der Konzern wegen des niedrigen Börsenwerts fürchten musste, durch Finanzinvestoren oder durch einen asiatischen Konkurrenten geschluckt zu werden, dürfte Piëch den Einstieg von Porsche als Ideallösung gesehen haben.


Vor dem Hintergrund seiner Familiengeschichte wird das verständlich: Piëchs Großvater war der legendäre Autopionier Ferdinand Porsche, der den Nationalsozialisten ihren Traum vom "Volkswagen" erfüllte, auf dessen Basis nach dem Krieg die ersten Sportwagen unter dem Namen der Familie entstanden. Piëchs Vater war während der Kriegsjahre Leiter des Wolfsburger Werks.


Wie ein Erfolgsmensch wirkte Ferdinand Piëch in seiner Kinderzeit allerdings noch nicht. "Burli", wie er in der Familie genannt wird, ist Legastheniker und nach eigenem Bekunden ein "Zurückgezogener", der in der Schule stets in der letzten Reihe sitzt. Seine Neigung aber zeigt sich früh: Schon als Vierjähriger fertigt er technische Zeichnungen an, der Jugendliche Piëch will Flugzeuge entwickeln. Als daraus nach dem Ingenieurstudium in Zürich nichts wird, tritt er 1963 in die nun von seinem Onkel Ferry Porsche geleitete Stuttgarter Sportwagenschmiede ein. Zwar beginnt er auf der niedrigsten Stufe als Sachbearbeiter in der Rennmotoren-Versuchsabteilung, wird aber schon kurz darauf Versuchsleiter.


Was dann geschieht, ist kennzeichnend für seine weitere Karriere: Es kommt zu einem Kompetenzstreit mit seinem Vorgesetzten Hans Tomala, dem Technischen Direktor von Porsche. Piëch geht zu seinem Onkel, stellt ihn vor die Wahl: "Tomala oder ich" - und bekommt Tomalas Posten. Diese Durchsetzungsstärke nutzt Piëch von nun an immer wieder. "Wir haben fast körperliche Angst vor ihm", gestand Ferry Porsche Jahre später.


Nicht zuletzt aufgrund solcher Konflikte entscheidet die Familie schließlich, dass kein Porsche und kein Piëch mehr leitende Funktionen bei dem Sportwagenbauer wahrnehmen dürfe. Der Familienzweig der Porsches, heute mit Wolfgang Porsche ("WoPo") an der Spitze, hält seitdem eine leichte Mehrheit der Anteile in Stuttgart, die Piëchs haben dafür das Übergewicht bei der Porsche Holding Salzburg, die Fahrzeuge des VW-Konzerns in Österreich und angrenzenden Ländern verkauft und Europas größter Autohändler ist. Auch dieses Geschäft ist Milliarden wert.


Piëch wechselt schließlich zu Audi und sitzt dort bald im Chefsessel. Mit technischen Innovationen wie dem Allradantrieb, dem Turbodieselmotor und der Aluminiumkarosserie befreit er die Ingolstädter Marke von ihrem Hosenträger-Image und bringt sie auf Augenhöhe mit BMW. Auch als Vorstandsvorsitzender des Mutterkonzerns VW lebt er seinen Technik-Fetischismus aus: Er setzt kompromisslos auf Qualität und lanciert ehrgeizige Nischenprodukte wie den 1001 PS starken Bugatti, der schneller als jeder Porsche ist.


Immer wieder trifft Piëch auf Manager, die andere Auffassungen vom Autobau haben als er - und häufig müssen sie weichen. "Man traut Ferdinand Piëch grundsätzlich alles zu. Im Positiven wie im Negativen", schrieb Biografin Rita Stiens.


Dabei könne Piëch, so heißt es in vertrauter Runde, äußerst charmant sein - gerade auch Frauen gegenüber: Er ist in vierter Ehe verheiratet und hat zwölf Kinder. Und bei seltenen Gelegenheiten, wenn er sich sicher fühlt, kann er sogar mit Fremden locker plaudern. So wie im Mai bei der Vorstellung des neuen VW Polo auf Sardinien. Alle seine launigen Bemerkungen an diesem Abend laufen auf eines hinaus: Porsche verliert den Machtkampf um VW, Wiedekings Tage als Chef sind gezählt. Das sagt er zu einer Zeit, als Piëchs Cousin Wolfgang Porsche, Aufsichtsratsvorsitzender in Stuttgart, erklärtermaßen noch fest zu Wiedeking hält.


Niemand weiß bis heute, wie Piëch die Mehrheit des rund 60 Personen umfassenden Familienclans und "WoPo" hinter sich brachte. Ebenso weiß niemand, wann Wiedeking sich die Feindschaft Piëchs zuzog - erst als die Finanzkrise den Plan der VW-Übernahme zu Fall brachte und die immense Verschuldung Porsches auch das Vermögen der beiden Familien gefährdete oder schon Jahre zuvor, als Wiedeking über Piëchs Luxusmarken-Strategie bei VW herzog.


Dabei hätte Wiedeking sehr gut wissen müssen, was geschieht, wenn man es sich mit Piëch verscherzt. Wiedekings Vorgänger Arno Bohn musste schon nach rund drei Jahren an der Porsche-Spitze wieder gehen. Bohn hatte es gewagt, in Piëchs Doppelrolle als Aufsichtsrat von Porsche und Chef des Wettbewerbers Audi einen Interessenkonflikt zu sehen. "Bei Auseinandersetzungen mit Ferdinand Piëch bin ich in die Oppositionsrolle geraten", sagte Bohn später. Dieser Satz könnte eines Tages auch in den Erinnerungen von Wendelin Wiedeking stehen.