Sport ist nicht nur gut für die Gesundheit, sondern auch für das Geschäft. Von diesem Trend profitieren in diesen Wochen besonders die Fahrradhändler.

Hamburg. Im Vorfeld des Hamburger Triathlons und des legendären Radrennens Cyclassics klingeln die Kassen vieler Rennradspezialisten besonders laut, wie eine Umfrage des Abendblatts unter Hamburger Händlern ergeben hat.

"Die Wirtschaftskrise spüren wir bisher noch nicht. Im Gegenteil. Für 2009 erwarte ich ein zweistelliges Umsatzplus", berichtet Sven Harms (39), Geschäftsführer des Radsport Zentrums Hamburg und ehemaliger Profitriathlet. "Die bevorstehenden Wettkämpfe geben dem Geschäft zusätzlichen Auftrieb."

"Kurz vor jedem Rennen drehen viele Radfans noch mal richtig auf. Sie kaufen sich neue Trikots, Hosen, Helme oder sogar Schuhe, obwohl diese eigentlich erst richtig eingetragen werden müssten", berichtet auch Werner von Hacht (57), Miteigentümer des gleichnamigen Sportladens und Produzent der Stevens-Fahrräder. "Manche leisten sich sogar gleich ein komplett neues Rad." Den ersten großen Ansturm auf seinen Laden erlebte der Traditionshändler von Hacht bereits im Juni vor dem Velothon-Radrennen in Berlin. "Da wurde auch bei uns in Hamburg gekauft wie wild." Für das Gesamtjahr erwartet von Hacht, der bundesweit 450 Händler mit seinen Stevens-Rädern beliefert, ein Umsatzplus von zehn Prozent. Die Geschäfte rollen gut, konkrete Zahlen verrät er aber nicht.

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Die Händler profitieren neben der allgemeinen Gesundheitswelle vor allem von der seit Jahren wachsenden Sporteuphorie der Hamburger. Gingen bei den ersten Cyclassics vor 13 Jahren noch 2500 Amateure an den Start, sind es in diesem Jahr 22 000. Beim Triathlon treten insgesamt 8775 "Jedermänner" und Frauen an. Sie alle sind potenzielle Kunden. "Hamburg ist die Rennradhochburg im Norden", meint Reinald Achilles, PR-Referent des Wettkampfveranstalters Upsolut Sports. Beide Events seien bereits seit Monaten ausverkauft. Auch bei den Messen rund um die Veranstaltungen gebe es keinen freien Stand mehr.

"Der Trend zum Rennrad nimmt seit Jahren zu", berichtet auch Robert Karrasch (42) von Pirate Bikes. "Schnelles Fahren macht einfach Spaß." Der ehemalige Rennradprofi spürt von der Wirtschaftskrise noch nichts. Karrasch setzt auf Individualität und stellt - wie fast alle seiner Konkurrenten - für jeden Kunden die Räder nach persönlichen Vorlieben zusammen. In der Regel gleicht kein Rad dem anderen. Rahmen, Laufräder, Kettenblätter, Schaltungen und Sattel werden individuell kombiniert. "Ich verkaufe meinen Kunden nur, was ich selbst fahren würde", so Karrasch.

Auch Storm Cycles profitiert von der seit Jahren wachsenden Begeisterung für Rennräder. "Die Nachfrage steigt stetig", sagt der Inhaber Roger Tanner (34). Der gebürtige Südafrikaner produziert auch eigene Rennräder unter der Marke Pearl.

Rennradkunden geben nicht selten gerne etwas mehr für ihr Hobby aus. "Es gibt einen klaren Trend zu teureren Rädern", sagt Harms vom Radsport Zentrum. Dabei beziffert von Hacht den Einstiegspreis für ein gutes Rennrad aus Aluminium auf etwa 1400 Euro, für Carbon auf 2000 Euro plus.

Bei vielen Händlern sind derzeit Rahmen aus Carbon - ein Kohlenstofffaserkunststoff - gefragt, die als besonders leicht und steif gelten, mit denen geübte Fahrer ihre Geschwindigkeit merklich steigern können. Bei den Farben sind in Hamburg wiederum Weiß und Schwarz im Trend.

"Bei uns gehen am besten Räder bis 2000 Euro für Einsteiger sowie solche ab 3000 Euro", erzählt Harms. Der Radladen Dear Cycles macht wiederum besonders gute Geschäfte mit Ersatzteilen und Zubehör, sagt der Betreiber Thomas Richter (29). Vor den Rennen erwartet er noch viele Umbauten, Inspektionen und Reparaturen von Rädern.

Gleichsam bleiben Rennräder in der Branche ein Nischenprodukt. Der Zweirad-Industrie-Verband beziffert den Anteil von Rennrädern auf zwei Prozent aller in Deutschland verkauften Fahrräder, so Geschäftsführer Rolf Lemberg. Von den Dopingaffären bei früheren und heutigen Tour-de-France-Profis lassen sich die Radfreunde ihr Hobby jedenfalls nicht vermiesen. "Jeder Radfahrer fährt vor allem für sein eigenes Vergnügen", so Harms. Auch die Störfälle im Atomkraftwerk Krümmel dürften nicht zu größeren Startstornierungen bei den Cyclassics führen, die von Vattenfall finanziert werden. "Das ist bei den Radfans kein Thema. Die Leute lieben den Sport, egal wer der Sponsor ist", so von Hacht. Beim Veranstalter Upsolut hat sich bisher nur eine einzige Teilnehmerin über den Cyclassics-Sponsor Vattenfall beschwert - und einen Rücktritt vom Jedermannrennen erwogen.