Am Donnerstag eröffnete die erste Filiale der Drogeriemarktkette dm in Hamburg. Abendblatt.de sprach mit Gründer Götz Werner über den Dalai Lama, das Berufsleben und sinkende Preise.

Hamburg. Die Drogeriekette dm und ihr Gründer Götz Werner stehen für eine unkonventionelle Unternehmensphilosophie und klare politische Forderungen, etwa nach einem Grundeinkommen für alle Bundesbürger. Heute eröffnet dm die erste Hamburger Filiale am Winterhuder Markt - das Abendblatt sprach deshalb mit Werner.

Abendblatt:

Sie diskutieren Ende des Monats mit dem Dalai Lama in Frankfurt über Ethik und Wirtschaft. Stimmen Sie mit dem religiösen Oberhaupt der Tibeter in diesen Fragen überein?

Götz Werner:

Der Dalai Lama betont, wie wichtig es ist, die Selbstverantwortung und Eigeninitiative von Menschen zu fördern. Die Bedingungen dafür müssen wir in unserer Gesellschaft und in den Unternehmen schaffen.

Abendblatt:

Warum gelingt dies bisher nicht?

Werner:

Bisher ist die Selbstverantwortung unterentwickelt, weil die Menschen sich bedroht fühlen. Wir leben in der Unsicherheit, ob wir im Alter genügend Geld haben, fragen uns, ob unser Arbeitsplatz erhalten bleibt, und bezweifeln, dass wir genügend Zeit für unsere Kinder haben. Doch wer sich bedroht fühlt, wird apathisch. Kreativität und Schaffensfreude entwickeln Menschen so nicht. Stattdessen halten sie sich quasi krampfhaft an allem fest, was sie noch haben und gehen keine Risiken ein.

Abendblatt:

Sie spielen auf Ihre Idee des Grundeinkommens für jeden in Höhe von 1500 Euro an. Welche Hindernisse gibt es?

Werner:

Zunächst ein Hinweis zur Höhe des Grundeinkommens: Es sind nicht 1500 Euro, sondern so viel, wie die Gesellschaft einem Menschen bemisst, damit er bescheiden, aber in Würde leben kann. Es ist die Art und Weise, wie wir über Realitäten denken. Der Fehler ist die Überzeugung, eine Leistung nur zu bekommen, wenn man jemand anderen unter Druck setzt. Wir übersehen, dass Leistungen auch aus intrinsischer Motivation entstehen, also aus einer eigenen Einsicht, ohne einen externen Anreiz.

Abendblatt:

Wann wird die Zeit für ein Umdenken gekommen sein?

Werner:

Wenn die Arbeitswelt sich so verändert, dass wir nur noch instabile Berufsbiografien haben werden. Das ganze Leben bei Krupp zu verbringen - wie früher - wird schon bald nicht mehr möglich sein. Wir werden als Freelancer in temporären Projekten zusammenarbeiten. Ein solches Berufsleben wird aber mit unserem bismarckschen Sozialstaatsdenken nicht mehr zu vereinbaren sein.

Abendblatt:

Wer muss Ethik und Verantwortung in der Gesellschaft fördern? Auch Manager?

Werner:

Das muss jeder. Es muss unser Kulturimpuls sein. Wie Henry Ford sagte: Wohlstand fängt nicht erst an der Werkbank an, sondern bereits im Kindergarten.

Abendblatt:

Wie beurteilen Sie die Eingriffe des Staates in die Wirtschaft, etwa bei Opel?

Werner:

Die Situation in der Autoindustrie ist vergleichbar mit der Systemkrise Ende der 50er-Jahre. Die letzten Steinkohlereserven wurden abgebaut, weil behauptet wurde, die Menschen brauchen einen Arbeitsplatz, dabei brauchen sie ein Einkommen. Das muss man entkoppeln. Warum sollten die Menschen Opel produzieren, die keiner kauft?

Abendblatt:

Wer ist schuld an der Krise, die Akteure oder das System?

Werner:

Unser Bewusstsein. Es wurden Illusionen geschaffen, die mit der Realität nichts zu tun haben. Die Banken dürfen in Zukunft nur noch die Realwirtschaft bedienen. Dazu sind sie doch da. Alles andere ist Veruntreuung der Spargelder.

Abendblatt:

Wenn Porsche-Chef Wendelin Wiedeking wohl bald einen dreistelligen Millionenbetrag als Abfindung kassiert, stößt das bei vielen auf Ablehnung.

Werner:

Ich finde es witzlos, sich über die Abfindung, die ja im Übrigen auf einer Vereinbarung mit irgendjemand beruht, zu echauffieren. Viel interessanter wäre es, bei Wiedeking zu fragen, was er mit seinem Geld macht, was er dadurch hervorbringt.

Abendblatt:

Ihr Unternehmen wächst auch in der Krise. Heute eröffnen Sie Ihre erste Filiale in Hamburg, in der Heimatstadt Budnikowskys, die seit Jahren Ihre Eigenmarke verkaufen ...

Werner:

... und dies hoffentlich noch viele Jahre tun, schließlich haben wir uns gegenüber vielen Wettbewerbern zu profilieren. Selbstverständlich auch jeder für sich. Wie ambitioniert wir Standorte angehen, macht das Beispiel Berlin deutlich: Vor vier Jahren gestartet eröffnen wir demnächst den 35. dm-Markt. Und auch wenn Budni derzeit zahlreiche neue Filialen in Hamburg eröffnet, sind wir guter Dinge, dass wir hier so expandieren können wie in Berlin. Was das Verhältnis zu Budnikowsky aber nicht trübt.

Abendblatt:

Bei insolventen Kaufhäusern stehen Immobilien zum Verkauf. Haben Sie Interesse?

Werner:

Ja, wir interessieren uns für passende Flächen von Woolworth, Hertie oder Karstadt. Wenn Lage und Preis stimmen, werden wir investieren.

Abendblatt:

Wie werden sich die Drogeriepreise angesichts des harten Wettbewerbs entwickeln?

Werner:

Die Preise sinken in diesem und im nächsten Jahr. Derzeit haben wir eine gute Verhandlungsposition gegenüber den Herstellern von Drogeriewaren, weil diese ihre Produktion auch in der Krise auslasten wollen und zu Zugeständnissen bereit sind.