Ein Gespräch über Ethik in der Wirtschaft, die neue Rolle des Staates sowie die Chancen und Risiken der Krise für Hamburg.

Hamburg. Abendblatt:

Leben wir noch in einer Marktwirtschaft?

Frank Horch:

Ja.

Abendblatt:

Der Staat musste die HSH Nordbank mit Zigmilliarden Euro am Leben erhalten, nun benötigt die Reederei Hapag-Lloyd, an der die Stadt bereits beteiligt ist, Steuergelder. Und die traditionsreiche Sietas Werft müsste ohne städtische Bürgschaften Insolvenz anmelden. Was hat das noch mit Marktwirtschaft zu tun?

Horch:

Wir befinden uns derzeit in einer historisch wohl einmaligen Finanz- und Wirtschaftskrise. Sie hat vor allem dem maritimen Sektor stark zugesetzt. Diese Entwicklung trifft die Hafenstadt Hamburg besonders hart. Da kann die Politik nicht einfach nur zuschauen, sondern muss aktiv werden. Allerdings darf der Staat nicht den Anschein erwecken, er sei für alle Probleme zuständig. Und er sollte sein Engagement nicht von der Größe eines Unternehmens abhängig machen. Denn es darf keinesfalls der Eindruck in der Wirtschaft entstehen, dass nur den Großen geholfen wird.

Abendblatt:

An welche Bedingungen sollten Hilfen geknüpft sein?

Horch:

Der Staat sollte sie zeitlich befristet gewähren. Das Unternehmen, dem geholfen wird, muss ein klares Szenario für die Krisenbewältigung und eine sichere Zukunftsprognose haben. Und es muss eine Gegenleistung erbracht werden - zum Beispiel in Form eines Sparprogramms. Schließlich geht es um Steuergelder.

Abendblatt:

Hapag-Lloyd braucht eine Kapitalspritze von 1,75 Milliarden Euro. Die Reederei will Staatskredite und möchte, dass die Stadt sich noch stärker engagiert. Stimmen hier die Gegenleistungen des Unternehmens?

Horch:

Die Gründe für die geforderten Staatshilfen müssen ausführlich und plausibel dargelegt werden. Die Reederei muss ein tragbares Zukunftskonzept vorlegen und ich würde mich freuen, wenn die Gesellschafter eine konstruktive Einigung erzielen.

Abendblatt:

Mit wie vielen Milliarden Euro Steuergeld wird der Staat die HSH Nordbank noch stützen müssen?

Horch:

Ich hoffe, dass die bisher beschlossenen Maßnahmen ausreichen werden, um die HSH Nordbank auf den richtigen Weg zu bringen. Die Bank muss sich wieder auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren - als Schiffsfinanzierer und Partner des Mittelstands. Es ist für sie an der Zeit, die Kontakte gerade zu den mittelständischen Kunden wieder zu intensivieren.

Abendblatt:

Brauchen wir überhaupt noch eine HSH Nordbank?

Horch:

Für den Schifffahrtstandort Hamburg halte ich einen starken Schiffsfinanzierer für unverzichtbar. Man sollte wegen der aktuellen Krise auch nicht alles schlechtreden, was die HSH Nordbank in den vergangenen Jahrzehnten geleistet hat.

Abendblatt:

HSH-Nordbank-Chef Dirk Jens Nonnenmacher bekommt einen Bonus von 2,9 Millionen Euro - wie stehen Sie zu dieser Zahlung?

Horch:

Der Bonus für Herrn Nonnenmacher passt meiner Meinung nach überhaupt nicht in die öffentliche Diskussion über Bankenrettungspläne und Managergehälter. Unabhängig davon, dass die Sonderzahlungen den vertraglichen Regelungen entsprechen, gilt in diesem Fall aber: Was der Vertrag erlaubt, verbietet der Anstand. Zudem hätte man zumindest bei der Vertragsformulierung darauf achten sollen, dass der Bonus von einer messbaren Leistung abhängt. Das ist leider verpasst worden.

Abendblatt:

Derzeit gibt es in Hamburg rund 78 000 Arbeitslose - welche Zahl erwarten Sie bis zum Jahresende?

Horch:

Ich denke, wir werden zum Jahresende in Hamburg knapp 90 000 Arbeitslose haben.

Abendblatt:

Derzeit sind rund 23 000 Hamburger in Kurzarbeit - wird so nicht lediglich die Arbeitslosenstatistik geschönt?

Horch:

Ich halte das Instrument der Kurzarbeit für ein wichtiges und richtiges. Mit ihm wird Unternehmen die Möglichkeit gegeben, die Belegschaft der schwächeren Auftragslage anzupassen - ohne Kündigungen aussprechen zu müssen.

Abendblatt:

Wann wird für die Hamburger Wirtschaft eine Wende zum Besseren eintreten?

Horch:

Aus unserer jüngsten Konjunkturumfrage lässt sich bereits ablesen, dass die Hamburger Unternehmer ein wenig zuversichtlicher werden. Ich gehe davon aus, dass die Hamburger Wirtschaft 2010 zumindest wieder leicht wachsen wird. Für die weitere Zukunft bin ich sicher, dass Hamburg mit seiner breit aufgestellten Wirtschaftsstruktur und internationalen Orientierung für den Weg aus der Krise gut gerüstet ist.