Die goldenen Zeiten der “grünen“ Landwirte gehen zu Ende. Das Abendblatt besuchte Höfe im Norden.

Hamburg. Sein Nachname verrät, wie tief der Beruf in der Familientradition verwurzelt ist: Sönke Meier aus Tangstedt ist Milchbauer in vierter Generation. Schon als Knirps bestaunte er an der Hand des Großvaters die sanften Augen und prallen Euter der Kühe. Heute, mit 47 Jahren, ist er selbst ein typischer norddeutscher Landwirt, mit blonden Haaren, blauen Augen und festem Händedruck. Und einem Stall voller Probleme: Seine 200 Kühe sind seit einigen Wochen ein Verlustgeschäft. Jeden Morgen, wenn Meier um 5.30 Uhr den Stall zum Melken betritt, zahlt er 100 Euro drauf. "Die Milchpreise sind so stark gefallen, dass ich meine Kosten nicht mehr decken kann", sagt er.

Nie zuvor musste Meier seinen Betrieb über Kredite finanzieren. Denn seit 13 Jahren ist er Bio-Milchbauer. Einer von mittlerweile knapp 1000 Kuhhaltern in Deutschland, die die Chancen im wachsenden Biomarkt erkannt haben. Seitdem hat Meier zwar höhere Kosten, da er etwa das Futter selbst anbaut und die Kühe täglich Weidegang bekommen. Sein ökologisch erzeugtes Produkt wird aber besser bezahlt als "normale" Milch: Während der konventionelle Literpreis im Frühjahr auf teils unter 20 Cent abstürzte, hielten sich die Biopreise lange bei knapp 40 Cent. Der Preisabstand wuchs wie nie zuvor.

Das wird Meier und anderen Öko-Milchbauern nun zum Verhängnis: Seit Juni erhält er von der Meierei Trittau sechs Cent weniger als im Mai, also 33 Cent pro Liter. "Die Tiefpreise im konventionellen Bereich haben auch uns heruntergezogen", sagt er. "Plötzlich brechen mir meine Einnahmen weg." Bei der Meierei Trittau erklärt man die Abwärtsspirale mit Preissenkungen im Handel. "Der Abstand zwischen Bio- und normaler Milch darf in den Läden nicht zu groß werden", sagt Geschäftsführer Heiko Maschmann. "In der Wirtschaftskrise sind die Verbraucher nicht mehr bereit, so hohe Preise zu bezahlen."

So kostet Meiers Endprodukt, Biomilch der Marke "Hamfelder Hof", in den Läden der Region nun knapp einen Euro statt 1,10 Euro. Zum Vergleich: Bei den Discountern zahlen Verbraucher für einen Liter normaler Milch knapp 45 Cent, 19 Prozent weniger als noch vor einem Jahr. Der Grund: Die deutschen Exporte sind in der Wirtschaftskrise eingebrochen, der europäische Markt ist vom Milch-Überschuss geradezu überschwemmt. Erst Anfang Juli verkündeten die Billig-Supermärkte weitere Preissenkungen bei Milchprodukten.

Für die Bauern ist das eine Horrornachricht. Schon jetzt steht jeder vierte konventionelle Kuhhalter nach Schätzungen des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter vor dem Bankrott. Tausende demonstrieren immer wieder auf Treckern für höhere Milchpreise, Strohballen gingen in Flammen auf, Bäuerinnen traten in den Hungerstreik.

Auch für die Bio-Milchbauern wird es nun eng. "Biomilch muss ein Premiumprodukt bleiben", sagt Markus Rippin vom Marktforschungsinstitut Agro Milagro. "Wenn hier der Preis kaputt gemacht wird, sehe ich langfristig schwarz für eine nachhaltige Produktion." Momentan können aber selbst die Marktführer bei Biomilch, die Molkereien Andechser in Bayern und Söbbeke in Nordrhein-Westfalen, dem Druck der Handelsketten wenig entgegen setzen. Hinzu kommt, dass Landwirte aus Österreich und Dänemark mit ihrer Biomilch in den deutschen Markt drängen. "Hier herrscht momentan ein Überangebot", sagt Michael Seiler, Vertriebsleiter bei Söbbeke. "Wir bauen aber auf weiteres Wachstum." Die Nachfrage zumindest wächst stetig: Seit 2005 hat sich der Absatz von Ökomilch nach Zahlen von Agro Milagro mehr als verdoppelt, auch im ersten Quartal 2009 legte sie um zwei Prozent zu. Der Absatz normaler Milch ging hingegen laut GfK um 2,6 Prozent zurück. "Unsere Kunden kaufen aus Ideologie, nicht aus Sparsamkeit", sagt Seiler.

Wer es sich leisten kann, entzieht sich dem Preisdiktat der Discounter. So wie Elke Dehlwes, Inhaberin einer Hofmolkerei bei Bremen, die sich auf regionale Vermarktung spezialisiert hat. "Ich habe hier in der Gegend einen Namen", sagt Dehlwes selbstbewusst. "Die Verbraucher sind wie meine Familie". Dank der treuen Kunden könne sie den Verdienst ihrer Milchbauern bei 41 Cent pro Liter halten. Auch Ökobauer Hubertus von Hörsten hält an seinen 19 Kühen fest, obwohl sie für seinen Hof im Landkreis Harburg seit Langem unrentabel sind. "Das Milchvieh gehört dazu", sagt von Hörsten. "Wenn ich betriebswirtschaftlich rechnen würde, wären die Kühe längst in der Wurst." Seine Schwarzbunten haben Glück: Die hofeigene Biobäckerei läuft so gut, dass Ackerland, Ziegen, Hühner und eben Kühe davon getragen werden.

Sönke Meier aus Tangstedt hat keine Bäckerei, er setzt in Zeiten fallender Milchpreise auf andere Geldquellen: Fans seiner Biomarke können für einen monatlichen Beitrag Patenschaften für Kühe erwerben. Das soll die Treue der Verbraucher zu Meiers Hof stärken. Die Verluste beim Melken wird es nicht ausgleichen.