Viele Konjunkturdaten sprechen für ein Ende des Absturzes. Aber: Die Gefahr einer langen Stagnation sei nicht gebannt, warnen Experten.

Hamburg. Die Zeichen für ein Ende der Rezession der deutschen Wirtschaft mehren sich. Fast täglich werden neue Konjunkturdaten veröffentlicht, die für eine Stabilisierung der Lage sprechen. "Die Talsohle ist erreicht, aber wir sind noch nicht aus der Weltwirtschaftskrise heraus", sagt Michael Bräuninger vom Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) dem Abendblatt. "Ab Jahresmitte zeichnet sich eine Stagnation ab", bestätigt Gustav Horn, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Die Europäische Zentralbank sieht erste zaghafte Anzeichen einer Stabilisierung. Der Absturz der Weltwirtschaft, unter dem die Exportnation Deutschland sehr gelitten habe, sei gestoppt.

Eine Normalisierung nach dem scharfen Konjunktureinbruch zeichnet sich vor allem in der Industrie und dem Außenhandel ab. So hat die Industrie in Deutschland ihren Umsatz im Mai so stark gesteigert wie seit mindestens 18 Jahren nicht mehr. Der preisbereinigte Umsatz stieg um 4,6 Prozent gegenüber dem April, berichtete das Statistische Bundesamt gestern. Im Auslandsgeschäft stiegen die Umsätze sogar um 6,9 Prozent. Im Inland erwirtschafteten die Firmen 2,8 Prozent mehr Umsatz, teilte das Amt mit.

Zuvor waren bereits die Auftragseingänge in der Industrie um 4,4 Prozent gegenüber April gestiegen. Die Bestellungen erhöhten sich damit im dritten Monat in Folge. Mehr Aufträge für die exportabhängige deutsche Industrie kamen sowohl aus dem Ausland (plus 5,2 Prozent) wie auch dem Inland (plus 3,9 Prozent. Unicredit-Ökonom Andreas Rees spricht von "sehr starken Zahlen" und bescheinigt den Firmen ein "unglaubliches Comeback". Im nächsten halben Jahr werde die Erholung kräftiger sein, als viele erwarten. Aktuell sorgen vor allem leer geräumte Lager für eine hohe Nachfrage. "Ein Umschwung bei der Lagerdisposition kann die Produktion kurzfristig merklich beleben und dafür sorgen, dass die konjunkturelle Erholung deutlicher ausfällt als erwartet", sagt Joachim Scheide vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel.

Auch die Exporteure spüren eine Trendwende. Im Mai wurden 0,3 Prozent mehr Waren exportiert als im April. "Das ist ein hoffnungsvolles Zeichen, aber wir haben das Tal noch nicht durchschritten", sagte Anton Börner, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA). Auch Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg warnte vor zu großem Optimismus. "Das Ganze sollte nicht mit Euphorie begleitet werden", warnte er.

Die positiven Konjunkturwerte sind die Folge eines tiefen Absturzes, auf den unweigerlich eine Erholung folgen muss. "Die Industrieproduktion befindet sich gegenwärtig auf dem Niveau des Jahres 2000", sagt HWWI-Experte Bräuninger. Zwar gibt es jetzt auf Monatsbasis einen starken Anstieg beim Umsatz der Industrie, verglichen mit dem Vorjahresmonat Mai 2008 beträgt der Umsatzrückgang immer noch fast 22 Prozent. Auch die Erholung beim Export kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Firmen in diesem Jahr nach BGA-Schätzungen 18 Prozent weniger exportieren werden.

Dennoch sind sich die Experten sicher, dass die Erholung kommt. "Schon im dritten Quartal kann es ein leichtes Plus beim Bruttoinlandsprodukt geben", sagt Bräuninger. Hoffnung für den Arbeitsmarkt bedeutet das noch nicht. "Die Arbeitslosenzahlen werden steigen, selbst wenn wir schon viele positive Konjunkturdaten bekommen", so Bräuninger. Das IMK sieht sogar die Gefahr einer langen Stagnation nach der Erholungsphase. "Dank der staatlichen Stabilisierungspolitik werden wir 2010 eine Beruhigung erleben, aber keine Wende zum Besseren", sagte Horn. "Es besteht die Gefahr, dass wir Japans Weg der Neunzigerjahre in eine langjährige Stagnation einschlagen." Deshalb hält er ein drittes Konjunkturprogramm für notwendig, rechnet aber nicht damit, dass es vor der Bundestagswahl kommt. Für 2010 erwartet das IMK noch immer einen Rückgang des Wirtschaftswachstums um 0,4 Prozent nach minus 6,5 Prozent in diesem Jahr.

Das HWWI hält keine weiteren Konjunkturprogramme für notwendig. "Wichtig ist, dass diese Programme jetzt ihre volle Wirkung entfalten können", sagt Bräuninger. Die Ausgabe der Mittel nennt er "noch zu zögerlich".