Die Behörde spricht von einer “marktbeherrschenden Stellung“ der fünf führenden Anbieter in Deutschland. Das wird Folgen haben.

Hamburg. So ganz mit rechten Dingen geht es nicht zu auf dem deutschen Tankstellenmarkt, aber konkrete Preisabsprachen zwischen den Mineralölkonzernen lassen sich nicht nachweisen. So kann man die 49 Seiten starke "Sektoruntersuchung Kraftstoffe" zusammenfassen, die das Bundeskartellamt gestern in Bonn veröffentlicht hat. Die Behörde spricht von einer "marktbeherrschenden Stellung" der fünf führenden Anbieter in Deutschland und will deshalb einen "weiteren Konzentrationsprozess durch eine restriktive Zusammenschlusskontrolle aufhalten". Im Klartext: Fusionen der fünf großen Marktspieler sind tabu, Zukäufe kleinerer Wettbewerber nur noch im Ausnahmefall möglich.

Besonders interessant liest sich die ausführliche Passage über die Preisgestaltung an den Tankstellen. So haben sich laut Bundeskartellamt Pächter verschiedener Mineralölkonzerne per Telefon gegenseitig über Preisveränderungen informiert. Hier hält die Behörde ein Verstoß gegen das geltende Kartellrecht für möglich und will diesen Fällen nachgehen.

Die Wettbewerbshüter weisen auch auf ein Phänomen hin, das viele Autofahrer seit Jahren beobachten: So würden die Preise freitags (vor der Fahrt ins Wochenende) oft steigen und am Sonnabend sinken. Zudem müsse der Kunde zu Beginn der Ferienzeit und vor Feiertagen meist tiefer ins Portemonnaie für eine Tankfüllung greifen. "Dennoch gibt es keine belastbaren Beweise für Preisabsprachen", sagt Kartellamtssprecher Kay Weidner dem Abendblatt. Solche Absprachen seien aber auch gar nicht nötig wegen der wenigen Anbieter und der dadurch großen Transparenz.

Die Deutschland-Zentrale von Shell in Hamburg weist Preisabsprachen und den vom Kartellamt kritisch betrachteten telefonischen Austausch von Preisen unter Pächtern von sich. "Uns ist nicht bekannt, dass Shell-Stationen davon betroffen sind", sagte Sprecherin Cornelia Wolber dem Abendblatt. "Bei uns findet die Preisaufnahme nicht zwischen Pächtern, sondern zwischen Pächtern und der Zentrale statt."

Während die deutschen Autofahrer im Juni zum Teil Jahreshöchstpreise für ihren Kraftstoff bezahlen mussten, freuen sich die Kunden in Österreich über Billigsprit. Der Grund: Die Aldi-Tochter Hofer ist mit Kampfpreisen in den dortigen Mineralölmarkt eingestiegen. Ein Liter Diesel war daraufhin - zumindest kurzzeitig - mit 56,5 Cent so billig wie seit 30 Jahren nicht mehr, berichtet die "Süddeutsche Zeitung". Ob Aldi auch in Deutschland den hiesigen Marktführern Paroli bieten will, ließ das Unternehmen gestern offen. Sollte sich der Discounter dafür entscheiden, könnte es nach Expertenmeinung zu einer bösen Überraschung für Shell und Co kommen. Denn Wettbewerbsrechtler sind der Meinung, dass Aldi den Kraftstoff sogar unter Einstandspreis anbieten darf. Der Grund: Der Discounter hat keine marktbeherrschende Stellung im Raffineriegeschäft.