Branche fürchtet Verlust von 60 000 Jobs. In Hamburg könnten auch Stammbelegschaften betroffen sein.

Hamburg/Frankfurt. Der Auftragseinbruch im Maschinenbau hält nun schon seit acht Monaten an. Im Mai waren die Orderbücher um fast die Hälfte weniger gefüllt als vor Jahresfrist. Zwar fiel das Minus mit 48 Prozent nicht ganz so dramatisch aus wie im April als die Auftragszahlen um 58 Prozent abgestürzt waren. Doch diese Entwicklung beruht nur auf der Tatsache, dass das Geschäft im Mai 2008 schon nachgelassen hatte und damit die Vergleichszahlen niedriger ausfielen, so der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). 158 000 von 954 000 Beschäftigten sind in Kurzarbeit - also etwa jeder sechste Mitarbeiter. In Hamburg arbeiten nach Informationen des Abendblatts rund 50 Betriebe kurz.

Das Auftragsminus im Norden fällt mit 41 Prozent etwas geringer aus als bundesweit. "Wir hoffen, dass in diesem Jahr von den 100 000 Beschäftigten in der Branche in Niedersachsen, Bremen, Schleswig-Holstein und Hamburg nicht mehr als 2500 Arbeitsplätze wegfallen", sagte Jörg Mutschler, Geschäftsführer des VDMA Nord, dem Abendblatt. Noch 2008 waren 5000 Jobs entstanden. Hamburg profitiere derzeit davon, dass hier weniger Werkzeugmaschinenhersteller und keine großen Autowerke ansässig seien. "Die Auf- und Abschwünge fallen im Norden etwas schwächer aus."

Alle vom Abendblatt befragten Hamburger Maschinenbauer sind jedoch ebenfalls von den Auftragsrückgängen betroffen. Dies gilt für Blohm+Voss Industries, die mit 360 Beschäftigten in Hamburg die maritime Industrie beliefern, genauso wie für den Körber-Konzern. "Unser Auftragsrückgang liegt leicht über zehn Prozent", sagte Körber-Sprecherin Bettina Lichtenberg. Das Geschäft mit Zigarettenmaschinen laufe unverändert gut und auch die neue Sparte für Maschinen zur Herstellung von Arzneiverpackungen liege auf Vorjahresniveau. Die Papier- und Werkzeugmaschinensparte sei dagegen deutlich stärker von der Krise betroffen. Beide schnitten aber noch besser ab als die jeweilige Branche. Bei einigen Körber-Töchtern wird seit Mitte Mai zum Teil kurzgearbeitet. Verhandlungen über einen Stellenabbau in der Papiersparte sowie bei Blohm Jung in Bergedorf laufen noch.

Die beiden Gabelstaplerbauer Still und Jungheinrich spüren den weltweiten Nachfrageeinbruch deutlich. Bei Still arbeiten 1400 der 1900 Beschäftigten seit Februar kurz. Bei Jungheinrich sind in Norderstedt und im bayerischen Moosburg 1900 und im IT-Bereich in Hamburg 100 Beschäftigte von Kurzarbeit betroffen. 320 Mitarbeiter in der Zentrale könnten noch folgen. Darüber hinaus hat das Unternehmen 240 Stellen für Leiharbeiter abgebaut. 45 Zeitverträge würden nicht verlängert und auch betriebsbedingte Kündigungen könnten nicht ausgeschlossen werden, sagte ein Jungheinrich-Sprecher dem Abendblatt. "Der Markt hat sich aus unserer Sicht ähnlich wie die Verbandszahlen entwickelt", sagte Bert-Jan Knoef von der Still-Geschäftsführung - das Minus beträgt somit knapp 50 Prozent.

Bundesweit sei die Zahl der Stellen in der Branche von Dezember 2008 bis April 2009 um 13 000 zurückgegangen, hat VDMA-Chefvolkswirt Ralph Wiechers errechnet. "Dass wir im Jahresverlauf 50 000 bis 60 000 Jobs weniger haben, ist nicht auszuschließen." Der Verband erwartet 2009 einen Produktionsrückgang von 15 bis 20 Prozent. Ein Haupthindernis für den Weg aus der Krise sehen die Maschinenbauer in der zögerlichen Kreditvergabe durch die Banken. Es könne nicht angehen, dass die Staaten die Märkte mit Geld fluteten und die Banken Liquidität bunkerten, kritisierte gestern VDMA-Hauptgeschäftsführer Hannes Hesse. Er hoffe immer noch, dass sich die Lage Mitte des Jahres entspanne. Der Bedarf für neue Maschinen sei vorhanden und die Lager seien leer. Entmutigen ließen sich die Firmen nicht. "Die Maschinenbauer sind erstaunlich wenig niedergeschlagen." So erwarten nach einer Blitzumfrage von Ende Mai zwar 54 Prozent der Firmen Einschnitte bei den Stammbelegschaften. Doch 73 Prozent wollen ihr Lehrstellenangebot konstant halten und nur acht Prozent mit weniger Ingenieuren auskommen. Dagegen wollen doppelt so viele Firmen Ingenieure einstellen und der Rest die Zahl dieser Fachleute konstant halten.