Norddeutsche Firmen leiden unter einer Finanzklemme: Die Banken können sich derzeit zwar Geld zu günstigen Konditionen leihen - geben aber zuwenig an die Wirtschaft weiter.

Hamburg. Norddeutsche Firmen geraten immer stärker in eine Finanzklemme, weil die Banken nur noch zögerlich Kredite vergeben. "Die Hamburger Firmen spüren eine Verschärfung bei der Kreditvergabe", bestätigt Bernd Reichhardt von der Handelskammer. Besonders betroffen seien die Branchen Logistik, Automobilzulieferer und Außenhandel.

"Trotz massiv gesunkener Leitzinsen haben die Banken die Risikoaufschläge für Kredite erhöht", sagt Volker Tschirch, Vorstandssprecher des AGA Unternehmensverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistung, dem Abendblatt. "Wir gehen davon aus, dass sich die Finanzierungskonditionen weiter verschärfen werden", sagt der Verbandschef. "Selbst für die Finanzierung von bestehenden Aufträgen ist es schwierig, Kredite zu bekommen", sagt Heiko Messerschmidt von der IG Metall Küste.

Dabei wäre mehr Geld als genug da. Über 400 Milliarden Euro hat die Europäische Zentralbank (EZB) gerade den Geldinstituten für ein Jahr zum niedrigen Festzins von nur einem Prozent gutgeschrieben. Nach Berechnungen der Nachrichtenagentur Reuters stellte die EZB den Banken bisher insgesamt fast eine Billion Euro zur Verfügung.

Doch Anzeichen dafür, dass dieses Geld in die Wirtschaft fließt, gibt es nicht. Eher horten die Banken das Geld und legen es an. "Spätestens im Spätsommer wird sich die Lage drastisch verschärfen und dann droht eine massive Finanzklemme", sagt Anton Börner, Präsident des Bundesverbandes Groß- und Außenhandel. Die Folge wäre eine spürbar steigende Arbeitslosigkeit.

Spielraum für Kredite ist eingeschränkt

Inzwischen verstärkt auch Bundesbank-Präsident Axel Weber den Druck auf die Banken: "Sollten die Maßnahmen der Notenbanken an Banken scheitern, werden die Notenbanken die Banken umgehen und die Wirtschaft direkt stützen", sagt Weber. Praktiziert wird das bereits in den USA. Die US-Notenbank gibt Firmen direkt Kredite, indem sie Unternehmensanleihen aufkauft.

Die Banken wehren sich gegen die Vorwürfe. "Unsere Firmenkredite haben sogar leicht zugenommen", sagt Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg. Die Deutsche Bank verweist darauf, dass sie aktuell elf Milliarden Euro an ungenutzten Kreditlinien für den Mittelstand vorhält.

Fakt ist aber, dass die Banken ihre Kredite mit mehr Eigenkapital unterlegen müssen, wenn sich die Bonität der Firmen verschlechtert. Das schränkt den Spielraum für neue Kredite stark ein, weil die Banken auch noch unter den "Giftpapieren" der Finanzkrise leiden, die ebenfalls Eigenkapital binden. Diese Papiere sollen zwar ausgelagert werden. Eine Lösung ist aber noch nicht gefunden.

Kein Kredit ohne Warenkreditversicherung

Die Kreditklemme wird durch ein weiteres Problem verschärft. Die Unternehmen können kaum noch ihre Warenlieferungen gegen die Insolvenz ihrer Kunden versichern. Denn die Kunden zahlen in der Regel erst nach vier bis sechs Wochen. Kann ein Kunde die gelieferte Ware nicht bezahlen, springt ein Warenkreditversicherer ein. Dafür muss der Lieferant einen bestimmten Prozentsatz seines Jahresumsatzes zahlen.

Der Versicherer überwacht gleichzeitig die Bonität seiner Abnehmer. Verschlechtert sich diese, hebt er den Versicherungsschutz auf und der Lieferant muss das Risiko selbst tragen. Das sehen die Banken nicht gern. "Ohne Warenkreditversicherung geben die Banken regelmäßig keinen Kredit", sagt Tschirch. Die Deckung von Geschäften nach Osteuropa werde zum Teil komplett abgelehnt.

Doch die Kreditversicherer wollen sich nicht den Schwarzen Peter zuschieben lassen. "Im Vergleich zu der Zeit vor der Krise stellen wir derzeit noch mehr als 90 Prozent des damaligen Volumens an Versicherungsschutz zur Verfügung", sagt Gerd-Uwe Baden, Vorstandsvorsitzender der Euler Hermes Kreditversicherungs-AG.

"Zu den wichtigsten Gründen für Insolvenzen zählen wegbrechende Aufträge und ausbleibende Kredite. Wir stehen am Ende dieser Kette", sagt er. "Man kann von uns nicht erwarten, sehenden Auges bis zu einer Insolvenz engagiert zu bleiben." Deshalb hofft die Wirtschaft jetzt auf staatliche Hilfe für die Kreditversicherer. Bei den geplanten Hilfen geht es um eine staatliche Rückversicherung für Kreditversicherer. Der Staat würde dann einen Teil der möglichen Schäden tragen.