Vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise werden die Signale aus den Fluggesellschaften immer dramatischer. “Für die Luftfahrtbranche geht es ums Überleben“, sagte Giovanni Bisignani, Generaldirektor des Airline-Weltverbandes IATA, auf dem Jahrestreffen in Kuala Lumpur (Malaysia).

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"Etwa 100 000 Jobs sind in Gefahr, wenn die Konjunktur sich nicht erholt", warnte der Chefökonom des Verbandes, Brian Pearce. In Europa könnten etwa 25 000 Arbeitsplätze verschwinden.

Nach dem 11. September 2001 seien die Umsätze um sieben Prozent gesunken und trotz einer starken Konjunktur habe es drei Jahre gedauert, den verlorenen Boden wieder gutzumachen, erklärte Bisignani. Für 2009 erwarte er einen Umsatzrückgang der Fluggesellschaften um 15 Prozent auf 448 Milliarden Dollar (323 Milliarden Euro) - und dies inmitten einer globalen Rezession. Bisignani geht davon aus, dass die Branche in diesem Jahr einen Verlust von neun Milliarden Dollar ausweist. Noch im März hatte man einen nur etwa halb so großen Fehlbetrag prognostiziert.

Dabei sei das von der IATA aufgezeigte Szenario keineswegs überzogen pessimistisch, meint der Luftfahrtexperte Per-Ola Hellgren von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW): "Das ist vielleicht sogar noch untertrieben." Er geht davon aus, dass in Europa einige Fluggesellschaften die Krise nicht auf sich allein gestellt überleben werden. "Zunächst sind mittelgroße Anbieter wie die tschechische CSA, die polnische LOT oder auch die skandinavische SAS in ihrer Unabhängigkeit gefährdet", sagt Hellgren dem Abendblatt. Dies hat zur Folge, dass die Großen - in Europa sind dies die Lufthansa, Air France/KLM und British Airways (BA) - noch größer werden. "Bei der Lufthansa wird eine Vielzahl von Anfragen nach Zusammenschlüssen vorliegen", sagt Martina Noß, Luftfahrtanalystin bei der Nord/LB. So gilt etwa die SAS als Kandidat für eine Übernahme durch den Kranich-Konzern, zumal man bereits in der Star Alliance zusammenarbeitet.

Doch in Expertenkreisen spricht man schon darüber, dass eventuell nicht nur Fluglinien der zweiten Reihe der Krise zum Opfer fallen. "Längerfristig gesehen halte ich es für möglich, dass wir selbst unter den großen der Branche Zusammenschlüsse sehen", so Hellgren. "Der europäische Markt reicht für zwei oder drei starke Gesellschaften", ist Hellgren überzeugt - und unter den drei führenden gilt BA als die schwächste.

Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft Air Berlin ist nach Ansicht des LBBW-Analysten nicht akut gefährdet, zumal sie sich in der vorigen Woche durch eine Kapitalerhöhung stärken konnte. Martina Noß sieht einen weiteren Faktor, der für diesen Anbieter spricht: "Air Berlin profitiert davon, dass Geschäftsreisende zunehmend gezwungen sind, bei Flugbuchungen auf die Kosten zu achten."

Der irische Billig-Primus Ryanair gilt ebenfalls nicht als Wackelkandidat, jedenfalls solange die Treibstoffpreise nicht - wie im vorigen Jahr - wieder allzu drastisch anziehen. Sollte es aber auch dazu noch kommen, geriete das Geschäftsmodell der Billigflieger stark unter Druck, so Hellgren: "Es macht einen Unterschied, ob sich ein Flugticket wegen hoher Kerosinpreise von 50 Euro auf 100 Euro verteuert oder von 700 auf 750 Euro."

Bisher jedoch zeigt sich Ryanair-Chef Michael O'Leary wie gewohnt selbstbewusst. Man überlege sogar, die Lufthansa zu kaufen, tönte er kürzlich. Das werteten Experten zwar aus vielerlei Gründen als einen Witz. Richtig ist aber, dass Ryanair an der Börse mittlerweile knapp 5,3 Milliarden Euro teuer ist, während die Lufthansa nur noch eine Marktkapitalisierung von 4,5 Milliarden Euro hat.