Firmengründer plant weitere fünf Jahre an der Spitze seines Unternehmens. 2008 schließt mit Rekordergebnis ab.

Hamburg

Das Wort Krise nimmt Günther Fielmann nicht in den Mund. 19 Minuten und 30 Sekunden redet er über "Erfolge", "das beste Ergebnis der Firmengeschichte", "Expansion" und dass sein Unternehmen "immer besser und günstiger" sein wolle als die Konkurrenz.

Günther Fielmann zieht Bilanz für das Jahr 2008. Unterbrochen wird sein Vortrag lediglich von kurzen TV-Werbespots, die hinter dem Vorstandsvorsitzenden auf einer Leinwand zu sehen sind. Fielmann-Kunden ("Die sind authentisch, denen haben wir nichts in den Mund gelegt") sprechen über Europas größte Optikerkette - selbstverständlich nur Positives. Den Chef - ganz Marketingprofi - freut's. Er genießt stillt, lässt die Bilder wirken. Nur einmal kann er sich eine Bemerkung nicht verkneifen. Als ein Mann, schätzungsweise Mitte 30, in einem der Filmchen auf seine Brille zeigt und sagt: "Die habe ich schon fünf Jahre." "Zu lange", flüstert Günther Fielmann seinem Finanzvorstand Georg Alexander Zeiss zu - und beide lächeln.

Auch beim Blick auf die wichtigsten betriebswirtschaftlichen Kennziffern könnte Fielmann zumindest dann und wann einmal die Mundwinkel nach oben ziehen. Doch sein Gesicht bleibt ohne Regung, der Chef konzentriert sich auf seinen Text. Er macht den Eindruck, als wolle er die Fakten für sich sprechen lassen. Der Außenumsatz ist 2008 um 7,4 Prozent auf 1,06 Milliarden Euro gestiegen, der Gewinn vor Steuern legte um 18,7 Prozent auf 161,8 Millionen Euro zu, nach Steuern blieb ein Ergebnis von 113,9 Millionen (plus 38,9 Prozent) übrig, die Zahl der Mitarbeiter stieg um 750 auf mehr als 12 600, 21 zusätzliche Filialen wurden eröffnet und die Dividende wird um 55 Cent auf 1,95 Euro aufgestockt. Ein Rekord jagt den nächsten. Fielmann macht eine Pause, blickt in die Runde der Journalisten. Kein Applaus? Gut, dann weiter.

Nach 19 Minuten und 30 Sekunden erscheint statt eines Werbespots das Wort "Krise" auf der Leinwand. Fielmann spricht nun über heute und die Zukunft. Doch wer Horrorszenarien und Zauderei erwartet hat, wird überrascht. Nicht nur dass die Zahlen für das erste Quartal 2009 gut ausfallen - Fielmann nennt die Krise eine Chance, er will expandieren. Allein in diesem Jahr wird das Unternehmen 25 neue Filialen eröffnen, mittelfristig soll die Zahl der Geschäfte von derzeit rund 620 auf nahezu 800 steigen. Einige Filialen in Hamburg sind ihm zu klein, zum Beispiel an der Mönckebergstraße ("Da schauen wir nach alternativen Standorten."). Und auch dem Zukauf von Konkurrenten steht Fielmann offen gegenüber.

Um 3,5 Prozent auf 267,9 Millionen Euro konnte die Optikerkette im ersten Quartal ihren Außenumsatz erhöhen. Der Gewinn vor Steuern ist zwar von 38,7 auf 33,0 Millionen Euro gesunken. Aber nur, weil die Werbeaufwendungen um zehn Millionen Euro aufgestockt wurden. Die TV-Spots kosten ebenso Geld wie die Anzeigenkampagne in Zeitungen und Zeitschriften. "Wir denken nicht in Quartalen", sagt Fielmann zu der Marketingoffensive.

Schuldzuweisungen an die Verursacher der Finanzmarktkrise, die mit ihren hochriskanten Geschäften die Weltwirtschaft ins Taumeln gebracht haben, liegen Günther Fielmann nicht. "Diese Menschen hatten doch auch den Druck von außen, haben in einem System funktioniert." Allerdings blickt er wenig später anerkennend zu seinem Finanzvorstand. "Wir haben Lehman-Zertifikate weitläufig umfahren und sind schuldenfrei", sagt der Chef. Und Kollege Zeiss verweist auf seine Anlagestrategie, die er knapp mit "Festgeldkonten" umschreibt.

Zum Schluss der Bilanzvorlage gibt es noch eine persönliche Kampfansage an die Konkurrenz. Wie denn seine Lebensplanung für die kommenden Jahre aussehe, will das Abendblatt von Günther Fielmann wissen. Schließlich feiert der Mann, der die kostenlose Brille erfand, im September seinen 70. Geburtstag. Ist er in fünf Jahren noch Vorstandsvorsitzender? "Das hoffe ich", sagt Fielmann. "Ich will meinen Wettbewerbern doch nicht die Freude machen abzutreten." Mit dem Verweis auf die jungen Vorstände an seiner Seite ("Ich habe ein gut aufgestelltes Führungsteam.") und auf seinen Sohn Marc (19), der an der renommierten London School of Economics und Political Science (LSE) studiert und behutsam als Nachfolger aufgebaut wird, macht Fielmann zugleich deutlich, dass es auch ohne ihn an der Konzernspitze kein Führungsvakuum geben würde. "Aber einen konkreten Zeitplan für die Übergabe der Geschäfte, den gibt es nicht", beteuert der Chef.