Miteigner Ferdinand Piëch kritisiert Wiedeking. Kredite werden zu teuer. Der Automanager droht im Zwist des Familienclans zerrieben zu werden.

Hamburg. Schwarzwaldhochstraße, ein Porsche 911 Cabrio schlängelt sich entlang der kurvigen Straße. Am Steuer sitzt Wendelin Wiedeking. "Porsche fahren ist fast eine erotische Freude", sagte Wiedeking, Vorstandsvorsitzender des Sportwagenbauers, im Interview mit dem Abendblatt. Das war im Jahr 2000. Doch heute dürfte der Porsche-Chef nur noch wenig Muße für Vergnügungsfahrten haben.

Dem erfolgsverwöhnten Wiedeking (56), der Porsche sanierte und dafür gesorgt hat, dass es den Autobauer überhaupt noch gibt, weht derzeit eine scharfer Wind ins Gesicht. Eine "Palastrevolution" und damit die baldige Ablösung des Porsche-Chefs mitsamt dem Finanzvorstand Holger Härter drohen. Vom Thron stoßen will den "König von Zuffenhausen", wie Wiedeking rund um den Stuttgarter Stadtteil manchmal genannt wird, offenbar Ferdinand Piëch, der Porsche-Miteigentümer und frühere Volkswagenchef. Der Grund: Wiedeking kaufte auf Weisung der Porsche-Eigner die Mehrheit an VW zusammen - und gab dafür zu viel Geld aus.

Porsche hat sich für dieses Geschäft mit zehn Milliarden Euro verschuldet und konnte in den vergangenen Tagen nur in sehr mühsamen Verhandlungen erreichen, dass der Kredit verlängert wurde - zu einem weit höheren Zinssatz als in der Vergangenheit. 3,3 Milliarden Euro müssen in einem Jahr getilgt werden, weitere 6,7 Milliarden innerhalb von zwei Jahren. Selbst für Wiedeking, der aus Porsche in wenigen Jahren aus einem Verlustbringer einen der profitabelsten Autobauer der Welt machte, dürfte das ambitionierte Zahlungsziel eine Herausforderung sein. Erschwerend kommt hinzu, dass die Porsche-Eigentümer, die Familien Porsche und Piëch, eigene Aktien von Porsche und ihrem Autohandelshaus in Österreich bei den Banken als Pfand hinterlegen mussten.

Das rief Ferdinand Piëch, Enkel von Porsche- und VW-Gründer Ferdinand, auf den Plan. Er riet, Porsche solle nicht länger VW übernehmen, stattdessen könne VW Porsche schlucken und gleichzeitig die Bankschulden tilgen. Eine Verdrehung der Lage, bei deren Umsetzung Wiedeking nichts anderes übrig bliebe, als seinen Hut zu nehmen. Gleichzeitig kursieren in den Medien Gerüchte, wonach Wiedekings bisher größter Unterstützer Wolfgang Porsche, auch ein Enkel des Gründers, wegen des Finanzierungsproblems die Seiten wechselte - hin zu Ferdinand Piëch. Porsche schweigt darüber, aber eine Äußerung vor wenigen Tagen auf der Motorshow in Shanghai lässt vermuten, dass er Wiedeking weiterhin unterstützt. "Wir haben mit Herrn Wiedeking erfolgreich zusammengearbeitet und das soll auch so bleiben", hat er auf eine diesbezügliche Frage eines Journalisten geantwortet.

Wolfgang Porsche ist Aufsichtsratsvorsitzender bei Porsche, nicht Ferdinand Piëch, der dem Gremium aber angehört. Auf der Arbeitgeberbank des Aufsichtsrats sitzen derzeit drei Porsches aber nur zwei Piëchs. Zwischen ihnen versucht der ehemalige Henkel-Chef Ulrich Lehner zu vermitteln. Für Piëch eine unerträgliche Situation, zumal auch die Vertreter der Arbeitnehmer um den Betriebsratsvorsitzenden Uwe Hück hinter Wiedeking stehen. Diese Solidarität besteht schon seit 1993, als Wiedeking durch die Porsche-Hallen schritt und den 9000 verängstigten Mitarbeitern sagte, dass der Autobauer saniert werden muss.

Es gelang ihm, die damals am höchsten eingestuften japanischen Branchenexperten zu holen, die den Autobauer auf mehr Effizienz trimmten - obwohl die Japaner sonst nie der europäischen Konkurrenz halfen. Die Hierarchieebenen wurden verringert, die Arbeitszeit wurde flexibler, die Zahl der Mitarbeiter auf 6200 zusammengestrichen.

Plötzlich hatte Porsche wieder eine Perspektive und Wiedeking wurde Beifall gezollt - und das über Jahre hinweg. Denn der Porsche-Chef sorgte auch anderweitig für Aufmerksamkeit. Neue Modelle wie der Boxster, Cayenne, Cayman und noch in diesem Jahr der Panamera kamen oder kommen neben dem legendären 911er auf den Markt.

Wiedeking sammelte derweil Preise für seine Leistung wie andere Menschen Briefmarken, darunter die Ehrung "Manager des Jahres", den Hans-Peter Stihl-Preis, der nach einem ehemaligen Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelstages benannt ist, oder die Auszeichnung "Europäischer Manager des Jahres 2008".

Viel Beifall gab es auch, als Wiedeking öffentlich die Annahme der Wirtschaft von Subventionen anprangerte. "Porsche und Stütze passen nicht zusammen", sagte der Manager. Wiedeking nahm Porsche aus dem MDAX, mit der Begründung, dass die vierteljährliche Reportpflicht für das Unternehmen zu teuer sei. Auch sonst veröffentlicht der Manager nur die Zahlen von Porsche, um deren Herausgabe eine Aktiengesellschaft nicht herumkommt. Auch über das Gehalt des Chefs, geschätzte 80 Millionen Euro im Jahr 2008 (davon ein Großteil erfolgsabhängig), schweigen Porsche und Wiedeking.

Ferdinand Piëch will sich aber nicht wegen des hohen Gehalts von Wiedeking trennen, sondern er sieht durch die hohen Schulden im Zuge der VW-Übernahme die Chance, endlich wieder als Nummer eins im Konzern dazustehen - denn Piëch ist Aufsichtsratsvorsitzender von VW. Und wenn der neue Autokonzern von den Wolfsburgern geführt würde, hätte nicht sein Cousin Wolfgang, sondern er das Sagen.

Wiedeking könnte also zwischen die Fronten eines familieninternen Machtkampfes geraten sein. Doch das dürfte nichts Neues für ihn sein. Seit 1983 ist er mit einer dreijährigen Pause bei Porsche, seit 1992 ist er Vorstandssprecher und zwölf Monate später wurde er Vorstandschef des Autobauers. Er hat schon viele Querelen überlebt. Und wenn ihm dies diesmal nicht gelingt, könnte der gebürtige Westfale, der bereits beim Studium Fertigungstechnik in Aachen zwei noch heute existierende Firmen gründete, ein gefragter Berater werden. Oder er bearbeitet gemeinsam mit seiner Frau Ruth, die er schon seit dem Gymnasium kennt, seine Äcker im württembergischen Bietigheim. Selbst dann wäre er noch mit dem Autobauer verbunden. Sein Traktor (Baujahr 1961) ist nämlich auch ein Porsche.