Regierung in Madrid erwägt Flucht unter den europäischen Rettungsschirm EFSF. Bankenverband und HWWI-Chef begrüßen den Schritt.

Madrid. Madrid läuft langsam die Zeit davon. Um einen Bankenkollaps abzuwenden, wird Spanien voraussichtlich noch an diesem Wochenende einen Antrag auf Hilfe beim Euro-Rettungsfonds stellen. Dies haben Nachrichtenagenturen aus EU-Kreisen erfahren. Bis zuletzt feilschte die spanische Regierung jedoch um Details und betonte wiederholt, eine Entscheidung sei noch nicht gefallen. Damit wäre Spanien nach Irland, Griechenland und Portugal das vierte Euro-Land, das unter den Rettungsschirm EFSF schlüpfen muss.

Die spanischen Banken brauchen dringend eine große Kapitalspritze. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet nach Informationen der "Welt" in einem bislang unveröffentlichten Report mit einem Bedarf von unter 50 Milliarden Euro. Das liegt deutlich unter dem bisher von Berlin und Brüssel befürchteten Bedarf von 100 Milliarden Euro frischen Kapitals.

Aber auch ein Wert unter 50 Milliarden Euro dürfte Madrid überfordern. In dem spanischen Bankenrettungsfonds Frob sind nach diversen Hilfsaktionen kaum mehr Mittel. Und Spanien bekommt am Kapitalmarkt nur noch frisches Geld gegen hohe Zinsen geliehen. Zudem hat die Ratingagentur Fitch die Bonitätsnote Spaniens auf "BBB" von zuvor "A" gesenkt. Damit liegt das Land nur noch knapp oberhalb des von vielen Investoren gemiedenen Ramschniveaus, was die Refinanzierung der Staatsschulden weiter verteuern dürfte. Zuletzt musste Spanien für seine Schuldenaufnahme Anlegern eine Rendite von fast sieben Prozent bieten. Bei diesen Größenordnungen gingen Irland, Portugal und Griechenland unter den Rettungsschirm EFSF.

Spanien wird deshalb seit Tagen von den Euro-Partnern gedrängt, ebenfalls einen Antrag auf Hilfe zu stellen, um die Krise nicht noch weiter eskalieren zu lassen. Doch Spanien weigert sich bislang beharrlich; die Regierung fürchtet strenge Reformauflagen von EU und IWF. Zudem hat sie Sorge, für Jahre vom Kapitalmarkt abgeschnitten zu werden.

Auch US-Präsident Barack Obama hat die Europäer zu schnellem und entschlossenem Handeln gegen die Schuldenkrise und eine drohende Rezession aufgefordert. Kurzfristig müsse das Finanzsystem stabilisiert werden, wozu auch gehöre, "so bald wie möglichKapital in die schwachen Banken zuinjizieren", sagte Obama am Freitag bei einer spontan einberufenen Pressekonferenz in Washington. Darüber hinaus sei es wichtig, den Wirtschaftsnöten mit Wachstumsprogrammen zu begegnen.

"Die gute Nachricht ist", so Obama, "dass es einen Weg aus den Problemen gibt." Auch die deutschen Banken befürworten eine Unterstützung Spaniens durch den Rettungsschirm EFSF. "Sollte Spanien tatsächlich Hilfe benötigen, um seine Banken zu rekapitalisieren, sollte das Land nicht zögern, diese vomEU-Rettungsschirm EFSF anzunehmen", erklärte der Präsident des Bankenverbandes, Andreas Schmitz. Instrumente für Hilfen seien vorhanden. Die Entscheidung liege aber in Madrid.

+++ Spanien vor Flucht unter den Rettungsschirm +++

+++ Einigung bei Fiskalpakt erst bei Wachstumsprogrammen +++

Die spanische Regierung benötige zudem einen glaubwürdigen Bankenrettungsplan. "Denn jede weitere Verunsicherung, jede weitere Spekulation darüber, wo die Entwicklung hingehen könnte, ist Gift für die Märkte", sagte Schmitz weiter. Ohne Rettungsplan könnten die Märkte auch Hilfe durch den EFSF nicht als Lösung, sondern als weitere Zuspitzung der Krise bewerten.

"Für Spanien ist der Weg unter den Rettungsschirm ein guter und richtiger Schritt", sagte der Direktor des hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts, Thomas Straubhaar, dem Abendblatt. Allen Finanzmarktakteuren sei klar, dass sich Spanien nicht selbst refinanzieren könne. Dies sei auch keine Überraschung. "Da die Zinslast zur Aufnahme frischen Kapitals auf den Finanzmärkten derzeit zu hoch ist, bleibt dem Land keine andere Wahl, als unter den Rettungsschirm zu schlüpfen. Ob es sich dabei um den kleinen oder großen Rettungsschirm handelt, ist sekundär." Der Schritt trage eher zur Klärung als zur Verschlimmerung der Lage bei.

Im Gegensatz zu Griechenland habe Spanien kein Ausgabenproblem, sondern ein Kostenproblem, sagt Straubhaar: "In Spanien haben Staat und Private in Zeiten niedriger Zinsen zu vielin Infrastruktur und Immobilieninvestiert, was zu einer Immobilienblase geführt hat. Zugleich stiegen die Löhne zu stark, was die Lohnstückkosten enorm in die Höhe getrieben hat. Zwischen 1999 und heute sind sie um 25 bis 30 Prozent stärker gewachsen als die deutschen. Zudem haben sich die Bürger zu hoch verschuldet. Dies alles brachte die Banken unter Druck, sodass eine Rekapitalisierung der Geldinstitute jetzt notwendig wird." Ein Aus für den Euro sieht Straubhaar nicht: "Ob der Euro überlebt, ist eine politische Entscheidung, keine ökonomische."