Nach einer Haartransplantation sind die Geheimratsecken des BVB-Trainers verschwunden. Männer sind besonders eitel, wenn es um den Kopf geht.

Berlin. Keine Fläche unseres Körpers eignet sich mehr zum Experimentierfeld für die Identität als der Kopf. Hippiemähne, Irokesenschnitt, Gretchenlook, Bubikopf: Die Art, wie Menschen ihre Haare tragen, ist immer auch irgendwie ein Bekenntnis. Und es ist mehr als der Ausdruck von Wertvorstellungen. Haare sagen etwas über Lebenskraft, über erotische Attraktivität - und über Männlichkeit. Letzteres vor allem deshalb, weil Männer das biologische Pech haben, dass ihnen die Haare in der Regel eher ausfallen als Frauen und sie deshalb schneller und schmerzhafter den Verlust dessen zu spüren bekommen, was ihre Vitalität und Individualität ausmacht.

Kaum verwunderlich, dass es eigentlich keinen Bereich gibt, der Männer empfindlicher in ihrer Eitelkeit trifft als ihr Haupthaar. Anspielungen auf einen Bauchansatz stecken sie ebenso locker weg wie eine vorlaute Bemerkung über Fältchen um die Augen. Wer sich indes herausnimmt, über eine "entlaubte Stirn" zu lachen, macht einen großen Fehler. Und das hat sicherlich damit zu tun, dass er den Mann mit einem unabwendbaren Prozess konfrontiert, der sich durch Fitnesstraining und strenge Diät nicht mehr rückgängig machen, sondern nur noch verdecken lässt.

Etliche Männer greifen mittlerweile zur Haartransplantation. Fußballstar Wayne Rooney gehört zu den Prominentesten. Doch während beim britischen Profikicker der Eingriff recht auffällig ist, hat das jüngste Bekenntnis von Dortmunds Trainer Jürgen Klopp eher überrascht: "Ja, es stimmt, ich habe mich einer Haartransplantation unterzogen. Und ich finde, das Ergebnis ist ganz cool geworden, oder?", sagte Klopp der "Bild"-Zeitung.

Ja, es ist ganz cool geworden. Warum sind Männer wirklich so eitel, wenn es um ihre Haare geht? Die Psychologen Reinhold Bergler und Tanja Hoff haben für eine empirische Untersuchung "Die Sprache der Haare" untersucht. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass die Frisur eines Menschen tatsächlich einer der wichtigsten Schlüsselreize bei einer neuen Begegnung ist. Interessant dabei ist, dass Frauen und Männern den Haaren unterschiedliche Bedeutung beimessen. Auch Frauen meinen, an den Haaren einiges ablesen zu können. Temperament, Gesundheit, Modebewusstsein. Das ist es aber auch schon. Männer dagegen wollen in den Haaren ihres weiblichen Gegenübers viel mehr erkennen können. Sie schließen von der Haarfarbe auf Intelligenz, unterstellen blonden Frauen, dass sie geistig nicht so rege sind wie dunkelhaarige, halten Brünette für zurückhaltend, Rothaarige für zickig. Männer ziehen von Frisuren Rückschlüsse auf Selbstbewusstsein, Leistungsorientierung, auf ihre politische Einstellung und den Umgangston.

Tatsächlich, so die Autoren der Studie, messen Männer dem Haar zu viel Bedeutung bei und überschätzen ihre Urteilskraft und ihre Rückschlüsse von der Haarpracht auf den Charakter. Frauen dagegen, so die Studie, sehen bei der ersten Begegnung erst ins Gesicht und dann aufs Haar.

Haare sind für den Mann also offenbar mehr ein Mittel der Selbstdarstellung als für die Frau. Und vielleicht ist das der wahre Grund dafür, dass Männer so verletzlich sind, wenn ihnen die Haare ausfallen. Ein frisch gelifteter Silvio Berlusconi mit künstlich aufgefülltem Haupthaar hat etwas Lächerliches. Er erinnert an Gustav von Aschenbach, die nicht mehr jugendliche Hauptfigur in Thomas Manns "Tod in Venedig", die sich die Haare färben und schminken lässt, um dem von ihm angebeteten Knaben Tadzio zu gefallen.

Schön sind Männer, die zu den Veränderungen stehen, die sich nicht vermeiden lassen. Ein Jude Law, dem das Haupthaar allmählich ausfällt, wird eigentlich immer attraktiver, weil wir immer mehr von seinem schönen Gesicht zu sehen bekommen. Niemand würde Bruce Willis als "Arsch mit Ohren" bezeichnen oder Yul Brynner eine "Platte" nachsagen. Und ganz sicher hätten wir auch Sean Connery sexy gefunden, wenn er als James Bond keine Perücke getragen hätte.

Aber nicht jeder Mann, der ein bisschen nachhelfen lässt, ist gleich ein Geck. Jürgen Klopp mag keine Geheimratsecken, er mag seine wilde Mähne, er hat sie sich ein bisschen auffrischen lassen. Na und? Wenn er es nicht nach besonders aufmerksamen Beobachtungen zugegeben hätte, wäre es vermutlich den meisten gar nicht aufgefallen.