Viel zu große Pullover und weite Röcke kaschieren die nicht so perfekten Oberschenkel oder das kleine Bäuchlein. Hamburger Imageberaterin zeigt, wie der Oversized-Look richtig geht.

Hamburg. Der Trick funktionierte schon früher gut: Mit einem Griff in den Kleiderschrank des großen Bruders oder des Freundes bekam das eigene Outfit einen neuen Schliff. Die übergroßen Hemden und weiten Jeans wurden als Boyfriend-Style bezeichnet – und dann um einige Komponenten erweitert. Das Spiel mit den eigentlich zu großen Kleidungsstücken folgt allerdings einigen Regeln, vor allem die Proportionen sollten stimmen.

Denn ein weiter Strickpulli, ein überlanger Schal und dazu klobige Stiefel sind zu viel des Guten. Gerade mit den dicken Kleidungsstücken in Herbst und Winter mutiert der lässige Oversized-Stil schnell zum Schlabberlook. Die Imageberaterin Bettina Kiefer aus Hamburg sagt daher: „Meine goldene Regel lautet: Immer nur ein Oversized-Teil tragen, den Rest eng oder zumindest figurbetont.“

Das heißt in der Praxis: „Trage ich unten weite, aufgekrempelte Boyfriend-Hosen mit Pumps oder Halbschuhen, dann muss ich oben ein eng anliegendes Shirt oder einen schmal geschnittenen Pulli anziehen“, erläutert Kiefer. Dazu könne man eine Blazerjacke aus Jerseystoff kombinieren, die an den Ärmeln aufgekrempelt ist und bis zur Taille reicht. Wer das ganze umdrehen möchte, trägt oben weite Pullis oder Blazer und dazu eine enge Leggins und – das ist laut Kiefer erlaubt – dicke Boots.

Die Hersteller machen das auch so vor: Cinque lässt eine enge Lederhose zu einem weiten Cardigan tragen, Eve in Paradies einen entsprechend weiten Pullover zur engen Hose. Comma kombiniert eine anliegende Jeans mit einer weiten Jacke. Sisley macht es anders herum: Eine weite Hose wird mit einem engen Oberteil kombiniert.

„Man muss den Stil verstehen“

„Man muss den Stil verstehen“, sagt auch die Einkaufsberaterin Stephanie Zarnic aus München. „Es sollte immer eine Unterbrechung in der Silhouette geben, sonst wirkt das ganze einfach sackartig.“ Ihr Tipp für die kommende Wintersaison sind die Blazermäntel, die das Runde betonen und nicht selten große Schulterpolster haben. „Aber darunter unbedingt untenherum wieder etwas Enges tragen – entweder eine Leggins oder dicke Strumpfhosen“, sagt sie. Mango hat eine wirklich enge Stoffhose dazu, Karl Lagerfeld macht dies mit einer anliegenden Lederhose genauso.

Auch der Personal Shopperin Anette Helbig aus Hannover gefallen die großen Wollmäntel in O-Form: „Etwas kastig muss sein“, sagt sie. „Das gehört zum Stil, den man schon aus den 80ern kennt.“ Eine Variante des Blazermantels sind Winter-Cardigans oder weite Capes, sagt Kiefer. „Je nach Dicke des Stoffes kann man diese auch im Büro anbehalten“, findet sie.

Wem es im Herbst oder Winter trotz Thermoleggins oder dicker Wollstrumpfhose zu kalt wird, der kann auch auf sogenannte Jeggins zurückgreifen. Das sind Jeans, die statt Reißverschluss und dickem Bündchen obenherum so schmal wie eine Leggins geschnitten sind. „Statt einem Rock sollte man sich ruhig trauen, dazu einen weiten Pulli wie ein Kleid zu tragen“, sagt Zarnic. In punkto Pullis hat Kiefer einen ganz klaren Favoriten: „Große Strickmuster mit Tieren oder Rauten, damit liegt man zurzeit voll im Trend“ sagt sie.

Eines muss jedoch klar sein, sagt Kiefer: „Der Oversized-Stil ist sehr männlich. Wem das nicht gefällt, der muss gegensteuern.“ Das geht beispielsweise mit dicken Wollkleidern, die zwar gerade geschnitten sind, aber über dem Knie enden. „Da kann man dann gut eine dicke farbige Strumpfhose zu anziehen und schmale Schuhe mit Absatz tragen“, sagt Kiefer. Wer besonders mutig ist, der zieht dazu noch Overknee-Stiefel an – jedoch ist hier Vorsicht geboten: „Overknees tragen oft zusätzlich auf und machen das Bein dicker“, sagt Anette Helbig. „Außerdem verkürzen sie die gesamte Figur.“

Zu einem übergroßen Pulli, enger Hose und klobigen Stiefeln gehören laut Kiefer in dieser Saison unbedingt die sogenannten Statement-Ketten: „Dicke Anhänger an langen Halsketten oder – noch moderner – Colliers, mit großen Zacken oder mehreren Perlenreihen, die auch gut zu einem einfarbigen Wollpulli oder einem schönen T-Shirt getragen werden können.“ Sie liegen auf dem Stoff auf.

Oversize steht längst nicht jedem

Bei allen Variationen dieses Stils sollte man eines nicht außer Acht lassen: „Oversize steht längst nicht jedem, man braucht die richtige Figur“, findet Anette Helbig. Und das sind – da sind sich alle Expertinnen einig – sehr schlanke, nicht zu kleine, aber auch nicht zu große Frauen. Helbigs Meinung nach sollte man auch nicht unbedingt den ganzen Look bedienen wollen und sich lieber eine Sache heraussuchen. „Der Stil sollte bewusst getragen werden, auch wenn man sich prima dahinter verstecken kann“, sagt sie.

Und das gilt längst nicht nur für kleinere Frauen, die in einem großen Pulli oder klobigen Schuhen schnell aussehen, als hätten sie nicht nur beim großen Bruder geklaut, sondern als hätten sie einfach nichts Passendes gefunden. „Auch große Frauen bekommen durch überweite Kleidung schnell einen noch längeren Oberkörper, als sie ohnehin schon haben“, warnt Helbig. Die Beine könnten dadurch wiederum unproportional kurz erscheinen.

Auch Britt Kiefer findet, dass die Proportionen in jedem Fall stimmen müssen. „Man sollte einfach nicht verkleidet aussehen“, sagt sie. Ihr Rat: Immer schauen, dass einzelne Körperteile nicht zu stark betont werden oder die Kleidung gar aufträgt. „Wer einen großen Busen hat, der sollte etwa mit sehr groben Strick aufpassen“, sagt sie.

Auch mit Jeanshosen unter dem langen Pulli ist es nicht immer einfach: „Die Gesäßtaschen an einer Jeans zeichnen sich häufig unter dem Pullover ab“, sagt Kiefer. Besser sei eine Leggins. Statt zu grob gestrickten Pullis rät Stefanie Zarnic zu feinen Maschen – Modelle, „die zwar weit geschnitten sind, aber kurz über der Taille enden“. Wer sich für diese Variante entscheidet, der sollte aber auf keinen Fall einen Gürtel in der Hose tragen. Sonst kommt der Schnitt des kurzen Pullis nicht richtig zur Geltung.

„Vom ursprünglichen Boyfriend-Style haben sich die Trends für den kommenden Winter und Herbst weiter entwickelt und eine ganz eigene Stilrichtung entwickelt“, fasst Britt Kiefer zusammen. Wer sie umsichtig kombiniert, sieht lässig und modebewusst aus – genau die richtige Haltung für kalte Tage.