Mitten in der Stadt steht sie - und öffnet die Kunstmeile hin zu den Deichtorhallen: die Hamburger Kunsthalle. Ein Gespräch mit ihrem Leiter über Mäzene, junge Künstler und Kulturpolitik.

Journal:

Kann man Hamburg unter den derzeitigen Umständen noch guten Gewissens als "Kunststadt" bezeichnen?

Professor Hubertus Gaßner:

Meines Wissens will sich Hamburg erst zur Kunststadt entwickeln und hat noch nicht den Anspruch es bereits zu sein. Ich bin da sehr optimistisch, dass es Hamburg trotz allem gelingen wird, weil es als lebenswerte Stadt bei vielen Künstlern einen guten Ruf hat.



Wie bringt man eine große Institution wie die Kunsthalle heutzutage durch? Haben Sie noch Einsparpotenzial?

Weitere Einsparungen würden an die Substanz des Museums gehen. Wir setzen deshalb vor allem auf vermehrte Einnahmen durch Sponsoring, Mäzene und Besucher.



War es schwierig, eine Ausstellung wie Mark Rothko zu bekommen?

Bei dem Begriff "bekommen" liegt ein Irrtum vor. Ausstellungen bekommt man nicht, sondern um jedes einzelne Bild muss gebeten und gerungen werden. Dies ist bei Rothko wegen der Fragilität der Werke, der wenigen Bilder, die die europäischen Museen haben und wegen der hohen Preise, die sie zurzeit auf dem Kunstmarkt erzielen, besonders schwierig. Dank des Engagements der Familie und insbesondere von Christopher Rothko ist es uns jedoch gelungen, zahlreiche Leihgeber zu überzeugen, dass sie ihre Werke noch einmal für die Ausstellung ausleihen.



Kann Hamburg im Konzert der Großen mitspielen?

Ausstellungen wie die zu Caspar David Friedrich und Rothko, aber auch kleinere wie die Ausstellungen zu Helene Schjerfbeck, Daniel Richter und Vallotton bringen der Hamburger Kunsthalle eine Aufmerksamkeit in der Presse und beim Publikum weit über Hamburg hinaus. Nach Berlin, München und Dresden steht die Hamburger Kunsthalle zusammen mit dem Städel in Frankfurt, der Staatsgalerie Stuttgart und einigen anderen Museen sicher an der Spitze der zweiten Riege deutscher Museen.



Das Mäzenatentum ist in Hamburg stark vertreten - profitiert die Kunsthalle davon?

Da wir weder einen Ausstellungsetat noch einen Ankaufsetat haben, sind wir in beiden Bereichen zu hundert Prozent auf Mäzene und Sponsoren angewiesen. Unter ihnen befinden sich naturgemäß auch zahlreiche Hamburger. Die Stadt ist bei den Erwerbungen insofern finanziell beteiligt, als sie mit der Stiftung für die Hamburger Kunstsammlungen einen matching fund bildet, also die von der Stiftung eingeworbenen Gelder um die gleiche Summe bis zu einem bestimmten Limit ergänzt.



Gibt es in Hamburg eine Konkurrenzsituation der großen Häuser oder kooperieren Sie?

Eine Konkurrenzsituation zwischen den großen Häusern gibt es in Hamburg nicht. Für die Kooperation ist durchaus ein Wille vorhanden.



Wie können Sie Kunst wieder ins Gespräch bringen?

Durch gute Arbeit.



Können Sie noch junge Hamburger Künstler fördern?

Es ist nicht die Aufgabe der Hamburger Kunsthalle, speziell junge Hamburger Künstler zu fördern. Wir kaufen von ihnen jedoch genauso Werke wie von anderen deutschen und internationalen Künstlern an und berücksichtigen sie ebenso wie diese in unseren Ausstellungen. Einen Heimspielbonus sollte es eher nicht geben. Im Übrigen plant die Hamburger Kunsthalle zusammen mit der Sammlung Falckenberg und dem Hamburger Bahnhof in Berlin eine große Ausstellung über die Kunst in Hamburg und Berlin der letzten 20 Jahre.



Haben junge Künstler in Hamburg überhaupt eine Chance?

Da die Mieten in Hamburg sehr teuer sind, verzeichnet die Stadt eine bedauerliche Abwanderung junger Künstler nach dem Ende ihres Studiums. Die Kulturbehörde ist bereits bemüht, hier gegenzusteuern. So werden in der Speicherstadt Ateliers mit durch die Stadt vermittelten Sponsorengeldern subventioniert. Die Philipp-Otto-Runge-Stiftung der Hamburger Kunsthalle vergibt seit diesem Jahr ebenfalls ein Jahresstipendium für Künstler bis 35 Jahre.



Was wünschen Sie sich von der Kulturpolitik?

Mit unserer Kultursenatorin können wir sehr zufrieden sein. Sie setzt sich für die Belange der Museen und der Kunst mit großem Engagement ein, obwohl auch ihre Handlungsmöglichkeiten bei den gegebenen Mitteln beschränkt sind.



Wird sich etwas unter Schwarz-Grün ändern, gibt es Signale?

Nach meinen Erfahrungen wird sich unter der neuen Koalition kaum etwas ändern. Erfreulich wäre natürlich, wenn beide Parteien der Kunst einen höheren Stellenwert in unserer Gesellschaft beimessen würden, jenseits von allen Spekulationen über Standortfaktoren und repräsentativen Events.



Professor Gaßner leitet die Kunsthalle seit Februar 2006.