Für Schulkinder wird's jetzt spannend: Ende des Monats gibt es Halbjahreszeugnisse. Doch viele sehen dem mit gemischten Gefühlen entgegen: Werden die Schulnoten gut genug sein, oder droht womöglich der Vermerk: Versetzung gefährdet? Schulleistungen sind von vielen Dingen abhängig, nicht nur von intellektuellen Fähigkeiten. Eine wichtige Rolle spielt auch, ob sich ein Kind in seiner Klasse wohlfühlt, gern lernt oder soziale oder psychische Probleme hat.

Das kann so weit gehen, dass Fachleute von Schulversagen sprechen, wenn ein Schüler in der Schule bei Weitem nicht mehr die Leistung zeigt, die von ihm erwartet wird. "Das kann zum Beispiel daran liegen, dass Teilleistungen gestört sind, also Kinder an einer Rechtschreib- oder Rechenschwäche leiden, oder dass sie emotionale Probleme haben", sagt Dr. Andreas Richterich, Oberarzt in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychosomatik am Universitätsklinikum Eppendorf. Es kann auch sein, dass Kinder in der Schule Angst vor Klassenkameraden oder vor Benachteiligung haben. "Oder die Kinder leiden unter Prüfungsangst, beherrschen den Lernstoff in einer entspannten Situation gut, können ihn aber in einer Prüfungssituation wie Klassenarbeit oder mündlicher Prüfung nicht abrufen und werden dann wesentlich schlechter benotet", so der Kinderpsychiater. Manche sind zum Beispiel handwerklich geschickt, können sich aber nicht gut ausdrücken. Auch das kann sich negativ auf die Schulnoten niederschlagen. "Oder das Kind lernt zu Hause zu wenig, weil seine Interessen sich auf Freunde und Hobbys konzentrieren, oder es schwänzt dauernd die Schule."

Nicht immer sind Eltern über die Schulleistungen ihres Kindes gut im Bilde. Je älter die Kinder werden, umso selbstständiger erledigen sie ihre Schulaufgaben. Und fragt man einen 14-Jährigen danach, wie es in der Schule ist, bekommt man oft nur knappe Antworten von "gut" über "geht so" bis "ätzend". Eltern sollten sich damit nicht zufriedengeben, sondern nachfragen und sich über den Leistungsstand ihrer Kinder informieren. "Wenn es Probleme gibt, sollten Eltern zunächst die Kinder nach ihrer Sicht der Dinge fragen", so Richterich. Dabei könne zum Beispiel herauskommen, dass es dem Kind schwerfällt, sich auf einen bestimmten Lehrer einzustellen, dass es überfordert ist oder psychische Probleme hat. Dann sollten Eltern sich auch nicht scheuen, Kontakt mit den Lehrern aufzunehmen.

Je nach der Ursache für die schlechten Leistungen können Eltern selbst ihren Kindern helfen oder professionelle Unterstützung suchen. "Wenn Teilleistungsstörungen vorliegen oder schwerwiegende emotionale Probleme, sollte eine Beratungsstelle oder ein Kinder- und Jugendpsychiater befragt werden", so Richterich. Beratung von Fachleuten sei auch sinnvoll, wenn ein Kind schnell deutlich in den Schulleistungen nachlässt und Verhaltensänderungen hinzukommen, wenn die Leistungen langsam, aber kontinuierlich immer schlechter werden.

Eltern sollten in solchen Fällen auch überprüfen, ob ihre Erwartungen der Leistungsfähigkeit des Kindes entsprechen oder ob es überfordert ist. Da kann es sinnvoll sein, im Rahmen einer Beratung durch psychologische Tests die Leistungsfähigkeit eines Kindes einzuschätzen. "Wenn ein Kind gut oder durchschnittlich begabt ist und nur Vieren oder Fünfen schreibt, können wir davon ausgehen, dass andere Gründe vorliegen. Wenn ein Kind fleißig lernt und trotzdem auf dem Gymnasium in der sechsten, siebten Klasse nicht mehr mitkommt, kann es daran liegen, dass dieses Kind kognitiv überfordert ist", sagt Richterich. Zwar sei es richtig, dass Eltern für ihre Kinder immer den bestmöglichen Schulabschluss erreichen wollen, und es sei auch manchmal eine schwere Entscheidung, welche Schule für ein Kind die richtige sei. Langfristig am besten sei es aber, ein Kind passend zu seinen Begabungen zu beschulen.