Ich wandre durch Theresienstadt

Ich wandre durch Theresienstadt, das Herz so schwer wie Blei, bis jäh mein Weg ein Ende hat, dort knapp an der Bastei. Dort bleib ich auf der Brücke stehn und schau ins Tal hinaus: Ich möcht so gerne weitergehn, ich möcht so gern nach Haus! "Nach Haus!" du wunderschönes Wort, du machst das Herz mir schwer, man nahm mir mein Zuhause fort, nun hab ich keines mehr. Ich wende mich betrübt und matt, so schwer wird mir dabei, Theresienstadt, Theresienstadt wann wohl das Leid ein Ende hat wann sind wir wieder frei?

Theresienstadt, Theresienstadt

Theresienstadt, Theresienstadt, wie bin ich deiner müd und satt, könnt ich dich doch verlassen. In deinen Mauern wohnt das Leid, und grenzenloses Elend schreit aus deinen Gassen.

Schon zweimal zog der Lenz ins Land, du hältst uns immer noch gebannt von Hunger müd und Sehnen. Wann kommt der Tag, den wir erflehn, da frei wir in die Heimat gehn, in Freude sich verwandeln unsre Tränen.

Theresienstädter Schlummerlied

Eiapopeia, ihr Kinder schlaft ein, du Junge aus Böhmen, du Mädel vom Rhein. Einander fremd kamt ihr hierher, habt beide keine Heimat mehr. Nun schlaft ihr friedlich im gleichen Raum und lächelt im wonnigen Kindertraum, fern unsrem Leid und fern unsrer Pein. Eiapopeia, ihr Kinder schlaft ein. Was sinnst du mit wachem Blick vor dich hin, du ernsthafter kleiner Junge aus Wien? Dein Vater ist tot, er starb im KZ Er saß wohl gerne an deinem Bett. Du musst vergessen, du bist ja noch klein. Wir wollen alle recht gut zu dir sein. Wir helfen dir tragen, dann ist’s nicht so schwer. Schlaf jetzt, mein Junge, und grüble nicht mehr. Schlaft alle, ihr Kleinen, blond oder braun, aus Böhmen, aus Mähren, aus Deutschlands Gau’n. Wie wir aus der Bahn gerissen, entgleist, verlassen, hungrig, krank und verwaist. Ihr teilt unser Elend, ihr teilt unser Los, wenn Gott will, werdet ihr trotzdem groß. Jetzt wanken wir alle, überbürdet mit Not, doch jeder Nacht folgt ein Morgenrot! Eiapopeia, es bleibt nicht nur Traum, bald hat die Welt für uns wieder Raum, die Ketten fallen und wir sind frei, und alles Schwere ist vorbei! Die Wunde schließt sich und vernarbt, bald habt ihr vergessen, wie ihr gedarbt. Und Hand in Hand stürmt ihr hinaus und erkämpft euch Heimat und Vaterhaus.

Brief an mein Kind

Mein lieber Junge, heute vor drei Jahren bist ganz allein Du in die Welt gefahren. Noch seh ich Dich am Bahnhof dort in Prag, wie Du aus dem Abteil verweint und zag den braunen Lockenkopf neigst hin zu mir und wie Du bettelst: lass mich doch bei Dir. Dass wir Dich ziehen ließen, schien Dir hart, acht Jahre warst Du erst und klein und zart. Und als wir ohne Dich nach Hause gingen, da meinte ich, das Herz müsst mir zerspringen. Gar oft hab ich geweint, das glaube mir, und trotzdem bin ich froh, Du bist nicht hier. Die fremde Frau, die Dein sich angenommen, die wird einst sicher in den Himmel kommen. Ich segne sie mit jedem Atemzug, wie Du sie liebst, es ist doch nie genug. Es ist so trüb geworden um uns her, man nahm uns alles fort, nichts blieb uns mehr. Das Haus, die Heimat, nicht ein Winkel blieb und nicht ein Stückchen, das uns wert und lieb. Sogar die Spielzeugbahn, die Dir gehört, und Deines Bruders kleines Schaukelpferd. Nicht mal den Namen hat man uns gelassen. Wie Vieh gezeichnet gehen wir durch die Gassen mit Nummern um den Hals das macht nichts aus, wär ich mit Vater nur im gleichen Haus. Und auch der Kleine darf nicht bei mir sein, Im Leben war noch nie ich so allein. Du bist noch klein, und drum verstehst Du’s kaum, so viele sind gedrängt in einem Raum. Leib liegt an Leib, du trägst des andern Leid und fühlst voll Schmerz die eigne Einsamkeit. Mein Bub, bist Du gesund und lernst Du brav? Jetzt singt Dich niemand wohl mehr in den Schlaf? Manchmal des Nachts, da will es scheinen mir, als fühlte ich Dich wieder neben mir. Denk nur, wenn wir uns einmal wiedersehen, dann werden wir einander nicht verstehen. Du hast Dein Deutsch schon längst verlernt in Schweden, und ich, ich kann doch gar nicht schwedisch reden. Wird das nicht komisch sein? Ach, wär’s so weit doch schon, dann hab ich plötzlich einen großen Sohn. Spielst Du mit Bleisoldaten noch so gerne? Ich wohn in einer richtigen Kaserne mit dunklen Mauern und mit düstren Räumen, von Sonne ahnt man nichts, von Laub und Bäumen. Ich bin hier Krankenschwester bei den Kindern, und es ist schön zu helfen und zu lindern. Nachts wache ich bei ihnen manches Mal, die kleine Lampe hellt nur schwach den Saal. Ich sitze da und hüte ihre Ruh, und jedes Kind ist mir ein Stückchen Du. Mancher Gedanke fliegt dann hin zu Dir und trotzdem bin ich froh, Du bist nicht hier. Das Leben hat viel Schönes mir genommen, um wieviel Glück bin ich bei Dir gekommen. Doch ich trag’s gern, ist es auch manchmal hart, viel Hässliches blieb dir dadurch erspart. Und gerne litt’ ich tausendfache Qualen, könnt ich Dein Kinderglück damit bezahlen. Jetzt ist es spät und ich will schlafen gehn. Könnt ich Dich einen Augenblick nur sehn! So aber kann ich nichts als Briefe schreiben, die voller Sehnsucht sind und liegen bleiben.