Sie war eine junge, fröhliche Person - ein bisschen melancholisch zuweilen. Aber eigentlich nur dann, wenn das Schicksal ihr arg mitspielte. Eine...

Sie war eine junge, fröhliche Person - ein bisschen melancholisch zuweilen. Aber eigentlich nur dann, wenn das Schicksal ihr arg mitspielte. Eine kluge, offenbar belesene Frau. Eine junge Intellektuelle. Mutter zweier Jungs, von denen der jüngere ab und an kränkelte. Zu Hause war Ilse Weber in Witkowitz bei Mährisch-Ostrau. Dort schrieb sie Kinderbücher und Hörspiele, übersetzte Lyrik. Ihre Sorgen und Nöte teilte sie mit ihrer besten Freundin, Lilian, einer schwedischen Diplomatentochter, die mittlerweile in London lebte, und an die Ilse lange, ausführliche Briefe verfasste.

Zu ihr schickt sie 1939 den älteren Sohn, Hanus, um ihn in Sicherheit zu bringen vor den Nationalsozialisten und deren Helfern. Hanus wächst überwiegend bei Lilians Familie in Schweden auf und verdankt ihr vermutlich sein Leben. Seine Mutter zieht mit Mann Willi und Sohn Tomas zunächst nach Prag, weil sie hofft, dass die Umstände dort bessere wären.

Als Ilse Weber 39 Jahre alt war, wurde sie gemeinsam mit ihrer Familie nach Theresienstadt deportiert. In den zwei Jahren, die sie in Theresienstadt verbrachte, suchte sie Trost für sich und die Mithäftlinge in selbst gedichteten Versen und Liedern. Manche von diesen konnten über die Lagergrenzen nach draußen geschmuggelt werden. Die meisten jedoch wurden nach der Befreiung in einem gemauerten Versteck, das Willi Weber gebaut hatte, gefunden und so für die Nachwelt gerettet. Ilse Weber hat dies nicht mehr miterlebt, sie starb 1944 mit ihrem Sohn in Auschwitz. Ihr Mann überlebte.

Viele, viele Jahre später nun wurde auch ein Großteil der Korrespondenz zwischen Ilse und Lilian und der mit Hanus auf einem Dachboden in London und in Schweden gefunden. Mit der Hilfe von Hanus Weber, der heute noch immer in Stockholm lebt und alle diese Dokumente sowie Fotos in seinem Besitz hat, hat die Literatur- und Musikwissenschaftlerin Ulrike Migdal nun ein Buch herausgegeben. "Wann wohl das Leid ein Ende hat" - so lautet der Titel, der einem der Gedichte entliehen ist. Darin finden sich Ilse Webers Gedanken, Ihre Angst, als deutschsprachige Jüdin in Mähren, spiegelt sich in ihren Zeilen an die Freundin. Nicht nur aber lernt der Leser die Verfasserin der Briefe kennen, er erfährt auch auf sehr ungewöhnliche, weil persönliche Weise etwas darüber, wie die Nazis und der Schrecken langsam Raum greifen konnten.

Das Buch, das bei Hanser verlegt wurde, erscheint am 30. Juli. Im Journal lesen Sie jetzt einen exklusiv ausgewählten Vorabdruck.


Ulrike Migdal (Hrsg.), "Ilse Weber. Wann wohl das Leid ein Ende hat. Briefe und Gedichte aus Theresienstadt", 352 S. mit Photographien und Zeichnungen, Carl Hanser Verlag, ISBN 978-3-446-23050-7, 21,50 Euro