Es ist ein Duell mit ungleichen Waffen: Aktivisten von Greenpeace mit ihren Schlauchbooten gegen die Riesenschiffe einer hochgerüsteten Fangflotte. Regine Frerichs war dabei und rettete einigen der magischen Tiere das Leben.

Der Blick eines Hundes oder einer Katze kann herzerweichend sein. Wer aber unter Wasser beim Tauchen einem Wal begegnet, für den sei das ein ganz besonderes und unvergessliches Erlebnis, sagt Regine Frerichs, Greenpeace-Mitarbeiterin und Walschützerin. Man schaue durch die sanften Augen direkt in die Seele des Meeresriesen. "Wale sind für mich faszinierende und sehr intelligente Lebewesen. Allein schon durch ihre Größe und ihre Eleganz." Immer wieder gewinnen Walforscher den Eindruck, dass diese größten Lebewesen des Planeten mit Menschen in Kontakt kommen wollen. Ganz vorsichtig, was sich bei der Körpergröße gar nicht vermuten lässt. "Mit einem Flukenschlag könnten sie ein Boot zerstören. Sie tun es aber nicht", sagt Frerichs. Die Magie, die für Frerichs und ihre Mitstreiter von Greenpeace von diesen Tieren ausgeht, berührt offenbar nicht jeden: Sie werden von hochgerüsteten Jägern gejagt, die es darauf abgesehen haben, sie zu töten - ein erbarmungsloses, blutiges Geschäft.

Regine Frerichs hat früher als Pferdewirtin gearbeitet, Geologie und Paläontologie studiert und während des Studiums eine Ausbildung zur Forschungstaucherin gemacht. So kam sie zu Greenpeace, zunächst ehrenamtlich in der Tauchtruppe, seit dem Jahr 2000 fest angestellt. Die Hamburgerin, 1960 geboren, ist eine kräftige, besonnene Frau mit Nerven wie Drahtseilen, die gern mal hintergründig lächelt.

"Der Wal bewegt sich kaum noch, aber er atmet weiter. Jetzt ziehen sie das noch lebende Tier längsseits, befestigen seine Fluke an der Reling. Der Kopf ragt nun senkrecht in die Tiefe. Plötzlich beginnt der Wal noch einmal, sich zu wehren. Mit letzter Kraft versucht er, sich loszureißen, um Luft zu holen. Aber so festgebunden kann er nicht an die Oberfläche kommen. Die Versuche werden schwächer, hören auf, das große Tier ertrinkt."

In ihrem Buch "Im Fadenkreuz der Walfänger" beschreibt Frerichs so den Todeskampf eines Wals. Eine Szene, die sich alltäglich in den Weiten der Ozeane wiederholt, wenn die japanische Walfangflotte ausrückt. Immer weder versuchen die Walschützer von Greenpeace dies zu verhindern. Für die mächtigen Tiere riskieren sie eine Menge. Im Ernstfall auch ihr Leben.

Regine Frerichs kommt aus einer ganz normalen gutbürgerlichen Familie. Sie und ihre Geschwister haben als Kinder Bäche gestaut, Frösche und Blindschleichen gefangen, Tiere gesund gepflegt. "Vielleicht kommt daher so ein Automatismus, dass man erhalten will, womit man groß geworden ist."

Heute bildet die Hamburgerin international die Schlauchboot-Aktivisten aus. Und wenn Greenpeace mal wieder Teilnehmer für eine Schiffsbesatzung sucht, steht ihr Name ganz weit oben auf der Liste.

Die Greenpeacer können sich vor Anfragen nicht retten, aber Regine Frerichs warnt, mal eben einen Wal retten zu wollen, genügt nicht als Bewerbungsgrundlage: "Klar, es macht Spaß, ist eine Herausforderung, ein bisschen Abenteuerlust ist auch dabei. Aber es ist eben kein 9-bis-17-Uhr-Job. Und man muss hochqualifiziert sein."

Als die Nachricht kam, dass Greenpeace nach einer längeren Pause wieder zu einer Walschutz-Mission ins Südpolarmeer aufbrechen wollte, hat sie alle Hebel in Bewegung gesetzt, "weil ich unbedingt dabei sein wollte". Das Ziel der Aktivisten auf dem Greenpeace-Schiff "Esperanza" war klar: so viele Abschüsse wie möglich verhindern. Ihre Schlauchboote manövrierten sie zwischen Harpune und Wal und versuchten mit ihren Feuerlöschpumpen den Jägern die Sicht zu nehmen. Es war ein Kampf wie zwischen David und Goliath: "Die Japaner haben ihre Wasserkanonen verstärkt, um sich die Schlauchboote vom Leib zu halten. Wenn man zu dicht an die Schiffe herankommt, schlagen sie mit den Bootshaken nach uns. Und am Fabrikschiff werden Trossen durchs Wasser gezogen, an denen die Wale hängen." Es kommt vor, dass die Besatzung eines Schlauchboots über Bord geht.

Die Walschützer wollen Bilder für die Weltöffentlichkeit erzeugen. Motive wie das von einer verendeten Walkuh und ihrem getöteten Kalb stellen die Walfänger ins Abseits. Die Japaner schlagen zurück, indem sie die Greenpeacer als "Terroristen" bezeichnen. Ein Duell zwischen kämpferischer Begeisterung und wirtschaftlichem Kalkül.

Die Aktionen der Umweltschützer funktionieren nur mit einer Mannschaft, die auf Gedeih und Verderb zusammengeschweißt ist. "Man muss schon in der Lage sein, so lange Zeit auf einem Schiff zu leben", sagt Regine Frerichs, "kompatibel mit anderen Menschen, aber auch konfliktfähig. Konflikte treten nun einmal auf - und müssen beseitigt werden. Man kann nicht weglaufen. Ein harmoniesüchtiger Mensch ist auf dem Schiff eher verloren." Und man muss psychisch stabil sein. Wer den Todeskampf eines Wals erlebt, darf Emotionen nicht an sich heranlassen.

Regine Frerichs ist keine gutmenschelnde Weltverbesserin. Sie hat kein Problem damit, wenn Menschen in der Arktis für ihr Überleben einen Wal töten, der dann einen Winter lang für das ganze Dorf reicht. "Es tut mir leid um das Tier, wie es mir um die Kuh leid tut, die ich esse. Aber der Mensch ist nun mal ein Allesfresser." Den Greenpeace-Aktivisten geht es um den kommerziellen Walfang. Denn was der Natur über die Maßen entnommen wird, kann sie nicht mehr nachproduzieren. "Wale sind ein Symbol des Überlebens", sagte der britische Naturschützer Peter Scott, "ein Symbol allen Bewahrens."

Die Japaner können mittlerweile ihre Fangquoten, die sie sich selbst gesetzt haben (935 Minkwale, 50 Finnwale und 50 Buckelwale im Jahr) nicht mehr erfüllen. Von der Jagd auf Buckelwale haben sie Abstand genommen, weil die Amerikaner wegen ihrer Whalewatch-Industrie interveniert haben. Denn vor den amerikanischen Küsten werden hauptsächlich Buckelwale beobachtet, die wegen ihrer Gesänge am populärsten sind.

Die Fangsaison dauert 100 Tage, das heißt, jeden Tag müssen zehn Wale gefangen werden. Und wenn die Greenpeace-Leute nur ein paar Tiere retten, verderben sie den Häschern schon das Geschäft. Regine Frerichs' persönliche Rechnung ist: "Durch unsere Aktion werden während zwei Wochen gut 200 Wale nicht gefangen." Und das ist mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.

Walfleisch verkauft sich ohnehin nicht mehr so gut. Mehrere Eigner der Flotte haben ihre Anteile schon verkauft. Auch Norwegen und Island, die küstennahen Walfang betreiben, erreichen nicht mehr ihre gesetzten Quoten. Die Hoffnung ist, dass sich der Walfang irgendwann nicht mehr rechnet. Frerichs und ihre Mitstreiter glauben: "Es ist nur noch eine Frage der Zeit."

Die Metzelei läuft unter dem Titel "wissenschaftlicher Walfang". Dabei gibt es seit Jahren kaum neue Erkenntnisse. "Ich muss keinen Minkwal mehr aufschneiden um zu sehen, was er gefressen hat", sagt Walschützerin Regine Frerichs.

Die Walfänger weichen nun in antarktische Schutzgebiete aus, weil die Tiere dort nicht so stark kontaminiert sind. Wenn in der Nordsee ein Wal strandet, muss er wegen hoher Schadstoffwerte als Sondermüll entsorgt werden.

Frerichs will die Menschen nicht missionieren, sagt sie. Sie wünsche sich nur, dass sich jeder in Deutschland - einem Land, in dem es die Menschen zumeist gut haben - ein paar Gedanken macht, wie er vernünftig und nachhaltig leben kann. Manchmal fragt sich die Hamburgerin: "Warum setze ich mich eigentlich für diese Leute ein? Dann bin ich nicht gerade stolz, der Spezies Mensch anzugehören."

In diesen Wochen kämpft Regine Frerichs mal wieder in der Nordsee für Meeresschutzgebiete. Aber immer wieder denkt sie an die Wale. Im November fährt sie auf die Lofoten. Zu einer Whale-watching-Tour. Ganz privat. Friedlich und unblutig.