Zehn Jahre lang war Andreas Langkau katholischer Priester. Er liebt seinen Beruf, er berät sogar Priesteranwärter. Und dann passiert es: Er verliebt sich und steht dazu. Für die Kirche eine schwere Verfehlung, die hart geahndet wird.

Andreas Langkau hat nie daran gezweifelt, dass er treu sein könnte. Er glaubte, dass ihm die Liebe zu Gott ein Leben lang reichen, dass er die volle Erfüllung in der Gemeindearbeit und im Gebet finden würde. Das war vor zehn Jahren.

Heute, mit 36 Jahren, muss Andreas Langkau einsehen, dass er sich getäuscht hat. Eine Erkenntnis mit zwei Seiten. Einerseits bedeutet sie, dass er sein Amt und damit alle bisherigen Sicherheiten aufgeben muss. Andererseits fühlt er sich jetzt als ganzer Mensch, er hat Schmetterlinge im Bauch und weiß, was partnerschaftliche Liebe bedeutet.

Andreas Langkau ist Priester, und er liebt eine Frau. Dazu steht er, auch öffentlich. Seit Dezember 2003 ist er von Erzbischof Werner Thissen vom Dienst suspendiert. Er ist damit der zweite Pfarrer, der in den vergangenen sechs Monaten im Erzbistum Hamburg sein Amt niederlegen musste, weil er sein Zölibatsversprechen nicht mehr halten kann. Ein schmerzlicher Verlust für die Katholische Kirche, die mit Langkau nicht nur einen der wenigen jungen Priester aufgeben muss, sondern auch einen ihrer Hoffnungsträger. Ihm wurde zugetraut, innerhalb der Kirche besondere Verantwortung zu übernehmen.

Langkau sieht gut aus, ist hoch gewachsen und schlank. Ein Mann, der zuhören kann, offen ist und gerne lacht. Für den Lübecker, der von frühester Jugend an aktives Kirchenmitglied ist, steht schon nach dem Abitur fest: Ich werde Priester. Sehr zur Freude seiner tief gläubigen Eltern und zum Entsetzen seiner Brüder, die Angst haben, er würde am Zölibat zu Grunde gehen. "Wie gut meine jüngeren Brüder mich schon damals kannten", sagt Langkau lächelnd. Er selbst empfand den Zölibat damals nicht als Opfer, trotz seiner Freundschaften zu Mitschülerinnen. "Für mich war die Enthaltsamkeit kein Hauptthema, meine persönliche Beziehung zu Jesus war entscheidend."

Der 19-Jährige geht zum Studium der katholischen Theologie nach Münster, wird als einer der wenigen seines Jahrgangs ausgesucht, um in Rom an der Universita Gregoriana zu studieren. Er beendet das Studium mit Summa cum laude (eins mit Auszeichnung) und wird 1993 mit 26 Jahren zum Priester des Bistums Osnabrück geweiht, das später zu Teilen ins Erzbistum Hamburg übergeht. Die Priesterweihe - ein unglaublich erhabener Moment. Seelsorger zu sein, sein Leben in den Dienst der Menschen zu stellen, sie bis in den Tod zu begleiten, die frohe Botschaft zu verkünden, Gottesdienste zu feiern - das macht für Andreas Langkau das Wesen seines Berufes aus.

Zwei Jahre später geht er als erster westdeutscher Kaplan nach Ostdeutschland. Die Diaspora - eine Herausforderung. In Rostock lernt er Christina als aktives Gemeindemitglied kennen. Die beiden arbeiten zusammen, mehr nicht.

Während Langkau anschließend in Münster promoviert, wird bei ihm aus Freundschaft Liebe: "Sie hat mich besucht, und bei mir hat es einfach Klick gemacht. Das war beflügelnd und zugleich furchtbar belastend." Er fühlt sich, als würde er fremdgehen. "Eine Beziehung zu einer Frau passte nicht zu meiner Gottesbeziehung, ich fühlte mich wie in einer Ehe mit Gott. Christina war somit die Geliebte." Priester sollen in jeder Hinsicht frei sein für die Gläubigen in der Gemeinde, so will es die Kirche.

Seine Liebe zu Christina ist eine verbotene Liebe, die er nicht zulässt, gegen die er innerlich ankämpft und die er schließlich äußerlich beendet. Er schmeißt die Doktorarbeit hin und wird 1999 Kaplan im Hamburger Ortsteil Blankenese. Zwischen den beiden herrscht Funkstille. "Ich habe diese wunderbare Gemeinde betreut. Es war eine schöne Zeit. Aber innerlich habe ich immer eine ganz tiefe Sehnsucht nach Christina gespürt", sagt Andreas Langkau.

Die Ehelosigkeit erscheint ihm irgendwann als reine Kopfsache, ihm fehlt die positive Begründung dafür. Theologisch wird der Sinn des Zölibats damit gerechtfertigt, dass den ehelosen Priester später das Himmlische Reich erwartet. Der Verzicht auf Partnerschaft soll Hinweiszeichen sein für das "eigentliche" Leben nach dem Tod. Doch der junge Mann will im Hier und Jetzt leben. Bei einer Ordensschwester spricht er sich aus, sonst redet der junge Kaplan mit niemandem über seine Probleme.

2001 wird er Jugendpfarrer für ganz Schleswig-Holstein und gleichzeitig Beauftragter für die Berufungspastoral; er berät also junge Männer, die Priester werden wollen, und Frauen, die überlegen, ins Kloster zu gehen oder einen kirchlichen Beruf zu ergreifen. Über den Zölibat, für die meisten Bewerber das Haupthindernis, muss er viel sprechen. "Innerlich habe ich damals angefangen, den Pflichtzölibat infrage zu stellen", gibt Langkau zu. Heute hat er eine klare Meinung: "Er sollte abgeschafft werden."

Der Preis, den die Kirche für diese strenge Regel bezahlt, ist nach Langkaus Meinung inzwischen viel zu hoch. "Der Preis steigt mit jedem Priester, der aufhören muss, obwohl er seinen Beruf liebt. Und er steigt mit jedem fitten, jungen Menschen, der wegen des Zölibats nicht weiter Priester werden will". In Deutschland werden katholische Gemeinden nicht nur aus Geldmangel oder aufgrund von Mitgliederschwund, sondern zumeist aus Priestermangel zusammengelegt. "Es ist einem Priester heute kaum noch möglich, in den riesigen Gebieten seiner seelsorgerischen Aufgabe nachzukommen", weiß Langkau.

In seiner Zeit als Jugendpfarrer trifft er Christina wieder, und plötzlich weiß Andreas Langkau, dass diese Liebe zu ihr richtig ist. Er ist glücklich und tatkräftiger denn je in seiner Arbeit. "Ich dachte ja lange, Frau und Gottesbeziehung passen für einen Priester nicht zusammen, aber das Gegenteil ist der Fall. Beide Beziehungen befruchten einander, die Beziehung zu Gott und zu den Menschen wird ganzheitlicher. Ich weiß endlich, wie wirkliche Liebe sich anfühlt", sagt Langkau mit Leidenschaft. Er sei mit dieser Erkenntnis der bessere, reifere Priester geworden. Doch gleichzeitig bedeutet sie das Ende seines Amtes. Eine heimliche Geliebte will er nicht, auch wenn sie von der Kirche insgeheim toleriert werden würde.

Langkau entscheidet sich für Christina. Am 18. 12. 2003 wird er suspendiert: "Ich habe geweint, aber später war ich nur erleichtert." Als er seiner Heimatgemeinde seine Entscheidung öffentlich mitteilt, gibt es spontan Applaus.

Die Konsequenzen aber sind hart: Der gut ausgebildete Priester, bisher behütet und versorgt mit Dienstwohnung und sicherer Existenz, steht vor dem Nichts. Er darf bis zu seiner Laisierung (der Entpflichtung vom Zölibat, die frühestens mit 40 Jahren vom Papst erteilt wird) kein Amt in der Kirche übernehmen, außerdem weder in Schulen noch an der Universität Religion lehren. Es gibt keinen Arbeitsmarkt für arbeitslose Priester. Auf dem freien Markt konkurriert er mit Therapeuten und Sozialpädagogen.

Langkau darf nicht kirchlich heiraten. Und wenn er mit Christina zusammenzieht, kann sie auf Grund ihrer vermeintlich unmoralischen Lebensweise - er begeht ja praktisch "Ehebruch" - ihre Arbeit in einem katholischen Kindergarten verlieren. Die Kirche zahlt ihm zwar ein Überbrückungsgeld und rückwirkend in die Rentenkasse ein, aber in die Arbeitslosenversicherung hat sie nicht investiert. Findet Langkau nicht bald einen Job, muss er Sozialhilfe beantragen. Angesichts des enormen Priestermangels in Deutschland eine absurde Situation.

Langkau sagt, er hege keinen Groll gegen die Kirche. Was ihn allerdings wütend macht, ist die Prioritätensetzung, nach der ein Priester suspendiert wird: "Wenn ich sage, ich liebe eine Frau, muss ich gehen. Doch wenn Priester Menschen aus der Kirche vergraulen oder alkoholabhängig sind, wird darüber großzügig hinweggesehen. Selbst mit Kinderschändern wurde lange Zeit laxer umgegangen. Das kann nicht sein."

Wie so oft beim Thema Frauen, Sexualität und Liebe geht bei der Katholischen Kirche hier sofort die rote Lampe an, da rangieren die Regeln vor Qualifikation und sogar dem Bedürfnis der Gläubigen, die Beistand brauchen. Andreas Langkau fordert, dass die Bischöfe auch um der Gläubigen Willen endlich anfangen, den Zölibat offen beim Papst anzusprechen: "Die Menschen in der Gemeinde wollen lieber einen glaubwürdigen Priester als einen, der vertuscht."

Manchmal vermisst er seinen Beruf schmerzlich. Dennoch sieht er positiv in die Zukunft. Er will Christina heiraten, er möchte Kinder, und er sagt vollkommen überzeugt: "Für die Kirche mag ich ein sündiger Priester sein. Und ich trage die Enttäuschung vieler Gläubigen als Bürde. Doch ich empfinde keine Schuld für die Liebe, die ich lebe. Sie ist echt und tief - ein Geschenk."