Manche Kerle entwickeln einen Schuhtick, der Frauen erbleichen lässt: Sie geben viel Geld für edles Schuhwerk aus, um damit aufzufallen. Und dann diskutieren sie mit Gleichgesinnten endlos im Internet: über Besohlungsfragen, Zwiegenähte und die besten Schuhmacher in Europa.

Hermes ist stolz. Endlich habe er sein Traummodell gefunden, verrät er im Internet - und zeigt eine Nahaufnahme samt Beschreibung, die anderen Männern den Mund wässrig machen soll: "Ein Vickermann & Stoya, rahmengenäht, cognacfarben, Rendenbach-Sohle 1 cm (. . .) Der Schuh hat keine zwei Schritte weit gedrückt, und eines kann ich sagen: So ein Maßschuh macht süchtig."

Wenn Sie nicht die Bohne verstehen, wovon "Hermes" redet, ist das völlig normal. Schließlich hat der Mann ein ausgefallenes Steckenpferd: edle Schuhe. Was für andere Männer ihr Pirelli-Kalender oder ihr Aktienportfolio ist, das sind für die Besucher von www.dailyshoes.de ihre kostbaren Ledertreter.

Weil der Markt klein und Gleichgesinnte mitunter weit entfernt sind, treffen sie sich in Internetforen, um über die Vorzüge bestimmter Edelschuhe, Leisten und Lederarten zu diskutieren. Dort stellen sie auch ihre Schätzchen zur Schau, geputzt, gewienert und stramm aufgespannt.

Exzentrisch? Ein bisschen schon. Aber diese Männer leben das vor, was gerade wieder salonfähig wird: Man zeigt, was man hat. In schlechten Zeiten zählen gute Schuhe. "Einen rahmengenähten Schuh zu tragen bedeutet, sich weg vom Schein und hin zum Sein zu bewegen", sagt Annette Protz, Chefredakteurin von dailyshoes.de. "Inzwischen ist das eine Werte-Entscheidung: Ja zur Qualität, zur Handarbeit und zum Standort Europa."

Statt modischer China-Importe also lieber ein Schuh mit Klasse? Wer kann, der leistet sich genau das. Darum haben auch Schneider und Hutmacher nach langen Flautejahren wieder volle Auftragsbücher. Man braucht als Mann mit Stil nicht viele Sachen, aber dafür die richtigen. "Gut ausgestattet zu sein ist für viele Männer ein super Gefühl", weiß Annette Protz. Und das fängt mit rahmengenähtem Schuhwerk an, dezent, aber doch sichtbar für jeden, der ebenfalls darauf achtet.

Was heißt überhaupt rahmengenäht? Der Name kommt von einem schmalen Lederstreifen, der rings um den Schuh angebracht wird und den Schaft mit der Sohle verbindet. Früher wurde er tatsächlich von Hand genäht; heute gibt es dafür Einstechmaschinen, was den Aufwand jedoch nur unwesentlich mindert. Eine spezielle Unterart der rahmengenähten sind zwiegenähte Schuhe, bei denen Schaft und Boden durch zwei Nähte verbunden sind. Als "Budapester", wie man nach ihrem Herkunftsort manchmal salopp alle Edelschuhe mit Lochverzierung bezeichnet, gilt korrekt nur ein bestimmtes Modell mit breitem Leisten und hoher, runder Spitze.

Rahmengenähte Schuhe sind bequem und extrem langlebig, trotzen allen Modetrends - und gelten darum vielen als spießig. Doch hat die Renaissance des Handwerks jetzt die strengen Regeln etwas gelockert. Englische Schuhmacher beispielsweise haben kein Problem damit, schlanke oder spitze Formen und neue Farbmischungen anzubieten.

Reiner Hautop, Inhaber des gleichnamigen Fachgeschäfts in Bremen, importiert rahmengenähte Schuhe von rund 20 Produzenten aus Europa, "weil jeder so seine besonderen Stärken hat". Er hat den Imagewandel selbst miterlebt: "Gerade die jungen Leute, die die modernen Anzüge anziehen, tragen dazu wieder einen klassischen Schuh. Typen, die sportlich in Tommy Hilfiger herumlaufen, kombinieren dies mit einem rahmengenähten Tricker's anstatt mit Turnschuhen."

Tricker's, Red Wing und Waterville, kaum einer kennt die Marken, aber was macht das schon? "Viele Männer waren unzufrieden mit den bekannten Labels, die Schuhe waren geklebt, voller Chemie und oft ihr Geld nicht wert", sagt Hautop. "Genau diese Klientel greift jetzt auf die alte Handwerkskunst zurück."

Und die hat ihren Preis. Zwischen 200 Euro für einen Greve oder Grenson, bis zu 900 Euro für einen Edward Green und 1200 für einen John Lobb kosten diese Herrenschuhe schon. "Ich finde es krass, 250 Euro für ein Paar Schuhe auszugeben", sagt ein junger Kaufmann aus Eimsbüttel, "aber es fühlt sich so geil an." Und das Beste daran ist: Je älter der Schuh ist, desto wertvoller wird er. Erst die Patina macht den gepflegten Edelschuh zum Renommierobjekt und unterscheidet den Einsteiger vom Liebhaber.

Wer erst mal auf den Geschmack gekommen ist, lässt so schnell nicht mehr locker. Die Schuhe sind so komfortabel, dass die Kunden "ruckzuck wieder im Laden stehen" (Hautop). Dazu kommt der Prestigefaktor.

Der ist es wohl, der im Internet ein wahres Schuhe-Schaulaufen ausgelöst hat. Größer, schöner, edler! Da werden sie vorgeführt: Die handgemachten Stiefeletten vom Großvater, die ungarischen rahmengenähten Halbschuhe, deren Schöpfer Jenö Kovacs jüngst einen Herzinfarkt überstand, und der Oxford-Halbschuh mit weißer Naht, die "in Kürze gedunkelt" werden soll.

Die letzten verbliebenen Schuhmacher vernehmen das mit Freude. Dabei lag in Deutschland das Handwerk schon beinahe am Boden: Von bundesweit 40 000 Schuhmachern in den 50er-Jahren gibt es heute noch ein Zehntel. Doch ihre Dienste sind wieder gefragt. Auch England, Österreich und Ungarn haben ihre Schuhtradition neu belebt und unter Kennern eine Art Schuh-Tourismus ausgelöst: Wenn Sie mal in London sind, gehen Sie zu Lobb! Im Internet berichtet "Flair" begeistert aus Österreich vom Edelschuhmacher Scheer: "Sobald du das Geschäft (wobei dieser Ausdruck eigentlich dafür beinahe an Frevel grenzt) betrittst, fühlst du dich umgehend in das Wien des ausgehenden 19. Jahrhunderts zurückversetzt. (. . .) Mir hat es - ehrlich - die Sprache verschlagen, als ich zum ersten Mal dort war. Habe nicht gewusst, nein mir niemals vorstellen können, dass es so schöne Schuhe gibt." Luteno findet: "Das Flair von EdMeier in München (kennst du ja) finde ich auch super!"

Da geraten die Herren ins Schwärmen und zeigen plötzlich ganz viel Gefühl: "Stellt's doch eure Schuhkleidung in die Auslage, ladet's Bilder hoch!!!!", fleht einer. Der Schuh an sich ist eben eine dramatische Angelegenheit. Und deshalb geht bei heiklen Fragen schon mal ein Riss durch die Community. Etwa bei dieser: Darf man rahmengenähte Schuhe besohlen? Nein, sagen die einen, denn die Naht muss unter dem Schuh zu sehen sein. "Die wollen im Cafe sitzen und lässig ihre gute Sohle zeigen", weiß Schuhmacher Torsten Grönwoldt. Ach was, entgegnen andere, wer will schon im Winter durchweichte Füße kriegen?

Mark Schmidt (33) aus Hamburg ist einer von denen, die lieber kalte Füße kriegen, als optisch Kompromisse zu machen. Der Modedesigner nennt eine Kollektion von etwa 70 Schuhpaaren sein eigen, die er im Laufe der Jahre zusammengekauft hat. Die bewahrt er in einem eigens dafür gefertigten Regal auf; jeden Karton schmückt ein Foto seines Inhalts. Schmidt schwört auf Ledersohlen. "Klar hab ich meistens nasse und klamme Füße. Aber das nehme ich in Kauf." Nichts gehe über das Tragegefühl von rahmengenähten Lederschuhen, "ich spüre den Untergrund, und Laub kann auch kaum dran kleben bleiben." Schmidt ist konsequent: "Ich gucke beim Mann auf die Schuhe", sagt er. "Da kann er oben ruhig mal ein Schnäppchenteil anhaben."

Der Schuh, findet auch Reiner Hautop, erhebe den ganzen Mann. "Auf den Schuh werden sie angesprochen. Ein neuer Porsche erregt nicht mehr so viel Aufmerksamkeit!"