Auch zu Hause kreisen die Gedanken ständig um die Arbeit? Die Nächte sind schlaflos? Die Seele fühlt sich ausgebrannt? So geht es Millionen von Menschen. Sie leiden am Burnout-Syndrom und trauen sich nicht, es zuzugeben.

Wenn Markus Müller (Name geändert) mal wieder schlaflos im Bett lag, stellte er sich vor, wie er den Computer zertrümmert, damit der ihn nicht mehr quälte. Er dachte häufig daran, dass früher alles besser war und dass die zusätzlichen Projekte, die sein Chef ihm gegeben hatte, nicht zu schaffen waren.

"Ich blieb immer länger im Büro, aber war nicht wirklich produktiv, fühlte mich einfach nur leer und erschöpft. Ich schleppte mich nur noch mit Widerwillen zur Arbeit", erzählt der Ingenieur. Der 55-Jährige, ein fleißiger, perfektionistischer Mann, verlor nicht nur die Lust an der Arbeit, auch privat mied er Kontakte, sogar das Fußballtraining gab er auf: "Ich wollte den anderen mit meiner Trauermiene nicht auf den Wecker gehen."

Als auch noch der Magen schmerzte, ging Müller endlich zum Hausarzt. Der diagnostizierte das Burnout-Syndrom, verbunden mit einer depressiven Störung, und schickte ihn sofort in eine sechswöchige Kur.

Burnout ist ein schleichender Prozess, der sich über Monate, manchmal Jahre hinziehen kann. Es kann mit einem Unwohlsein bei der Arbeit anfangen, in Gereiztheit und Antriebslosigkeit übergehen und in einen dramatischen Zustand von Depression und vollkommener Hilflosigkeit münden.

Früher wurde das Burnout-Syndrom vor allem in den sogenannten helfenden Berufen festgestellt: bei Ärzten, Schwestern, bei Lehrern und Sozialarbeitern mit hoher Arbeitsbelastung, ebenso unter Managern mit hohem Leistungsdruck. Doch inzwischen ist das Syndrom in rund 60 Berufen beschrieben worden. Auch der Skispringer Sven Hannawald litt darunter, der Rapper Eminem und Ex-SPD-Chef Matthias Platzeck. "Früher war Alkoholsucht das größte Sorgenkind der Betriebsärzte, heutzutage müssen sie sich immer öfter um die Seelennot der Beschäftigten kümmern", sagt Dr. Hans-Peter Unger, Chefarzt der Psychiatrie und Psychotherapie der Asklepios Klinik Harburg. Laut einer Emnid-Umfrage fühlen sich 25 Prozent der Erwerbstätigen durch ihren Job "verschlissen und erschöpft".

Burnout kann jeden treffen. Es gibt äußere Faktoren, die das Syndrom auslösen können, zum Beispiel ein Wechsel der Arbeitsstelle, eine Beförderung, aber auch schlechtes Betriebsklima, Mobbing, unklare Hierarchien oder geringe Einflussmöglichkeiten und permanenter Zeitdruck. Manchmal sind auch Menschen betroffen, die einfach "den falschen Job" haben: "Wenn Sie schon immer lebendig und kreativ waren, aber aus Sicherheitsdenken in die Verwaltung gegangen sind, dann ist die Gefahr groß, dass Sie da eingehen", sagt der Hamburger Burnout-Experte Professor Matthias Burisch.

Denn auch die Persönlichkeit spielt eine große Rolle. Nach Burischs Erfahrung sind vor allem zwei Typen von Arbeitnehmern besonders gefährdet auszubrennen: Zum einen sind es die zielstrebigen, idealistischen Typen, die sich voll mit ihrer Arbeit identifizieren und ihr Selbstwertgefühl über ihren beruflichen Erfolg definieren. Sie gehen mit zu hohen Erwartungen an ihren Job heran und können ihn dann nicht erfüllen. Burisch nennt sie die "Selbstverbrenner", die nicht Nein zu sich selbst sagen können und sich ihren Stress oft selbst schaffen.

Burnout-gefährdet ist aber auch ein eher passiver Arbeitnehmertyp mit wenig Selbstvertrauen und wenig Ehrgeiz, der überaus korrekt und oft perfektionistisch ist, aber nicht das erforderliche Maß an Entschlossenheit mitbringt, um Ziele zu erreichen. Diese Menschen können schlecht Nein zu anderen sagen, scheuen Konflikte.

Beiden Typen gemeinsam ist ein Hunger nach Anerkennung, nicht nur finanzieller Art, sondern auch nach Lob. Wenn also Lehrer vergeblich auf Unterstützung und Dank von ihren Schülern warten oder Mitarbeiter nie ein Lob von ihrem Chef hören, fressen viele ihren Frust in sich hinein.

Weniger erschöpfungsgefährdet sind Menschen, die nicht nur einen sicheren Job, sondern auch "viel Selbstbewusstsein, Selbstachtsamkeit und ein intaktes Privatleben" haben, sagt Hans-Peter Unger. Doch wer hat heutzutage schon einen sicheren Job?

"Mit der Globalisierung in den 90er-Jahren haben auch die psychischen Erkrankungen zugenommen", sagt Unger. Angst sei eben ein guter Nährboden für psychische Probleme. Die moderne Arbeitswelt ist instabiler geworden. Früher gab es feste Regeln, starre Hierarchien, aber auch weniger Druck und Angst vor Arbeitslosigkeit. Heute gehören Kreativität, Individualismus und Selbstverwirklichung zum Job - auch das macht Menschen Angst. Und: "Viele verharren an Arbeitsplätzen, die sie, gäbe es Alternativen, längst verlassen hätten", sagt Burisch.

Doch Burnout ist kein unabänderliches Schicksal. Deshalb sollte man erste Signale wie Reizbarkeit, Schlaflosigkeit oder Magenschmerzen ernst nehmen. Beim Hausarzt sollte zunächst ausgeschlossen werden, dass körperliche Ursachen zu der Erschöpfung führen. Burisch rät dazu, zunächst mit dem Partner über das Problem zu sprechen. Außerdem gibt es einen Burnout-Test im Internet unter www.swissburnout.ch "Wenn das nicht hilft, sollte man einen Psychologen aufsuchen und ein paar Beratungsstunden nehmen, um Lösungswege zu finden."

Auch ambulante Gruppentherapien können helfen, den Druck genauer zu erkennen, die eigene Situation besser einzuordnen. "Man muss einen Eigensinn entwickeln, innere Verträge mit sich abschließen und überprüfen, ob die eigenen Ziele noch mit denen des Unternehmens übereinstimmen", sagt Unger, der solche Therapien an seiner Klinik anbietet. Der Betroffene muss erkennen, dass er nicht beliebig belastbar ist, dass er sich und anderen Grenzen setzen muss und dass Projekte auch mal scheitern dürfen. Außerdem sollten sich Burnout-Gefährdete eine Methode suchen, wie sie entspannen können. Zum Beispiel durch Yoga.

Bei andauernder Schlaflosigkeit oder tiefen Depressionen kann manchmal nur eine Klinik helfen. Zum Beispiel die Medizinisch-Psychosomatische Klinik Bad Bramstedt, die eine eigene Station mit 16 Betten für Burnout-Patienten bereithält. "Burnout wird von den Krankenkassen nicht anerkannt, meist werden die Patienten mit der Diagnose einer akuten Belastungsreaktion oder einer depressiven Störung eingewiesen", sagt der Chefarzt der Klinik, Professor Detlev Nutzinger. Mit einer vier- bis sechswöchigen Kombination aus Verhaltenstherapie und Fitnesstraining werden die meisten Patienten wieder arbeitsfähig.

"Man muss verstehen, dass man nicht immer der perfekteste und beste Arbeitnehmer sein kann", sagt Nutzinger.