Am Wasserturm des Ohlsdorfer Friedhofs erinnert ein liebevoll gestalteter Garten an bekannte und unbekannte Hamburgerinnen. Ein Verein kümmert sich um ihre Geschichten und Grabsteine.

Begonnen hat alles mit einem schlichten grauen Stein auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Der Gedenkstein von Yvonne Mewes (1900-1945), einer Lehrerin, die individuellen Widerstand gegen das NS-Regime leistete und an den Folgen ihrer KZ-Haft starb, war bereits umgefallen und sollte zu Straßenbelag zerschreddert werden. "Das gehört sich nicht", fand die Historikerin Dr. Rita Bake (50). So rief sie mit ihren Freundinnen Dr. Silke Urbanski und Helga Diercks-Norden den Garten der Frauen ins Leben, der am 2. Juli sein fünfjähriges Bestehen feierte.

164 Frauen und Männer haben sich in einem Verein zusammengetan, um historische Grabsteine zu retten und sie in den Garten der Frauen am Wasserturm an der Cordesallee umsetzen zu lassen.

Ruhig ist es hier und licht; ein Ort zum Durchatmen, zum Schauen und Verweilen. Rosen, Kornblumen und Mohn, Vergissmeinnicht und Himmelsschlüssel wetteifern in diesem heiteren Garten zwischen den Grabsteinen miteinander, Friedhofsblumen sind tabu. "Friedhöfe sind Orte für die Lebenden, nicht für die Toten", findet Rita Bake. Besucher können in den metallenen Büchern blättern: Die Tafeln erzählen von den Frauen, deren Grabsteine hier ihren letzten Platz fanden.

Es sind ganz unterschiedliche Persönlichkeiten. Darunter bekannte wie Gerda Gmelin (1919-2003), die ihren Platz neben Yvonne Mewes im Rosenbeet gefunden hat. Aber auch nicht (mehr) so bekannte wie die Politikerin Emmy Beckmann oder Bertha Keyser, der "Engel von St. Pauli". Ihnen gegenüber steht der Stein mit dem Porträt der Schauspielerin Annie Kalmar (1877-1901), die nie verwinden konnte, dass sie wegen ihrer Schönheit, nicht wegen ihres Talents verehrt wurde. Der Stein von "Mutter Veldkamp" (1865-1944), die ein großes Cafe auf dem Dom betrieb und Hamburger Waisenkinder finanziell unterstützte, bildet auf der anderen Seite den Gegenpart. Eine schlichte Platte erinnert an die Mäzenin Emmy Ruben (1875- 1955), die in der Nazizeit viele als entartet geltende Künstler unterstützte; ihre Sammlung schenkte sie 1948 der Hamburger Kunsthalle.

Doch es wird auch an Frauen erinnert, deren Stein nicht mehr existiert oder die nie einen hatten. ",Kein Stein? Pech gehabt!' So sollte es ja nicht sein", sagt Rita Bake. Nun wächst im hinteren Teil des Gartens eine Spirale aus Erinnerungssteinen, oft individuell nach dem Schicksal der Frauen gestaltet. Wie der Stein des Euthanasieopfers Erna Hoffmann (1892-1942). Man ließ sie verhungern wie weitere 40 Hamburgerinnen. Ein Stein erschien Rita Bake als "zu kompakt für einen Menschen, der durch das Verhungern immer durchscheinender wird". Nun erinnern zarte Glasstifte hinter Gitterstäben an Erna Hoffmann.

Widerstandskämpferinnen, Frauenrechtlerinnen, Opfer des NS-Regimes und Hamburger Originale wie Vogeljette und Zitronenjette haben hier zusammengefunden. Besonders glücklich ist Rita Bake über den Stein von Margaretha Rothe (1919-1945), einer Medizinstudentin, die Flugblätter der Weißen Rose verteilte und an den Folgen der Gestapo-Haft starb. Für eine Forschungsarbeit über ihr Schicksal wurde eine Klasse der nach ihr benannten Hamburger Schule mit dem Bertini-Preis geehrt. Die Klasse gestaltete auch den Stein mit dem "Papierflieger" in Erinnerung an die Flugblätter.

In einem dicken Aktenordner sammelt Rita Bake die Namen der Frauen, die noch für den Garten der Frauen infrage kommen. Wenn die Liegezeit der Grabstellen abgelaufen ist und nicht verlängert wird, kann der Verein aktiv werden. Etwa 1500 Euro kann eine Grabsteinumsetzung kosten, eine speziell angefertigte Tafel in den Metallbüchern 270 Euro. Finanziert wird der Garten durch Spenden und Mitgliedsbeiträge. Die weiblichen Vereinsmitglieder können sich in einer der fünf Gemeinschaftsgrabstätten einkaufen und dort beisetzen lassen. Für 122 Mitglieder wird dort Platz sein, das erste Sammelgrab ist teilweise belegt und mit einer Welle aus Stein bedeckt, ein Symbol für ständige Wiederkehr.

Eine Gartengruppe des Vereins trifft sich sporadisch zum Frühstück und sorgt fürs Gießen, Jäten und Bepflanzen des Areals. Und im Sommer stehen die Frauen jeden Sonntag mit ihrem Infotisch, Kaffee und Kuchen am Wasserturm an der Cordesallee und informieren über ihre Aktivitäten.