An diesem Sonnabend begehen Dänen und Deutsche den 200. Geburtstag des Dichters Hans Christian Andersen. Auf seinen Reisen besuchte er auch Hamburg - und schwärmte von Jungfernstieg, Alsterpavillon und Botanischem Garten. Aber warum hatte er immer ein Seil dabei?

Die Fahrt mit dem Schiff nach Lübeck und von dort aus über Wandsbek mit der Postkutsche war zwar recht anstrengend gewesen, dennoch brannte Hans Christian Andersen nun darauf, die große deutsche Hafenstadt endlich selbst kennenzulernen. "Obwohl ich zwei Nächte nicht geschlafen hatte, ging ich nicht zu Bett, sondern besah die Elbe, den Hafen (. . .) und verlief mich in der Stadt", notierte er am 18. Mai 1831 über seinen ersten Hamburg-Besuch, bei dem er allerdings anfänglich von schrecklichen Zahnschmerzen geplagt wurde.

Später fand der Dichter aber dann doch Gelegenheit, die Schönheiten der Hansestadt zu genießen. Er saß im Alsterpavillon und verzehrte dort für fünf Courant-Taler Schokolade und Kuchen. Und anschließend besuchte er auch den Botanischen Garten, den er schöner fand als den in seiner Heimatstadt Kopenhagen.

"Insgesamt ist Andersen bestimmt 30mal in Hamburg gewesen, denn die Stadt lag für ihn sozusagen am Weg", sagt Torkild Hinrichsen, der im Altonaer Museum die Ausstellung "Märchen eines Lebens - Mit Hans Christian Andersen durch das malerische Europa" konzipiert hat. "Wenn er nach Süden reiste, kam er zunächst mit der Kutsche von Lübeck, und seit der Eröffnung der Eisenbahnlinie im Jahr 1844 stieg er in Kiel in den Zug, der ihn bis nach Altona brachte, was ja damals zum Dänischen Gesamtstaat gehörte."

Andersens Hamburg-Aufenthalte sind gut belegt, denn der dänische Märchendichter führte akribisch Tagebuch. Zu seinem Reisegepäck gehörte stets ein dickes Seil, denn er hatte panische Angst vor Hotelbränden und hoffte, sich so im Ernstfall noch aus dem Fenster ins Freie retten zu können.

In Hamburg logierte er gern im Hotel l'Europe an der Alster oder im Streit's am Jungfernstieg. Unter dem 20. Mai 1831 vermerkte er: "Später im Stadttheater, wo man den ,Freischütz', eine Oper von Weber, spielte. Das Theater ist sehr elegant und groß, vier Etagen mit Vergoldungen. Hier waren Herren und Damen, aber alle behielten den Hut auf."

Bei einem späteren Hamburg-Besuch im Mai 1840 schenkte ihm der dänische Gesandte ein Billet für ein Konzert mit Franz Liszt, der den Dichter stark beeindruckte. "Ich ging durch eine Hintertür des Hotels Stadt London in einen prächtigen großen Saal. Besonders die Damen waren enthusiastisch, und die Hamburger Kaufleute schienen bei den Tönen das Gold klingen zu hören, und dann spielte ein Lächeln um ihren Mund. Ich sah Liszt von Angesicht zu Angesicht. Er hatte etwas Spinnenartiges, und etwas Dämonisches war um ihn."

Als Andersen ein knappes Jahr nach dem Großen Brand Anfang 1843 wieder in die Stadt kam, interessierten ihn neben den Spuren der Katastrophe auch die nun entstehenden Neubauten. "Hamburgs abgebrannter Teil beginnt hier und dort einige neue Gebäude zu zeigen, die das Areal der Zerstörung überdecken. Streit's neues Hotel ist ein großer, schwerer Kasten, aber man darf ja nicht nach halb getaner Arbeit urteilen", schrieb er am Montag, den 20. Februar 1843, und fügte mit einem gewissen Schauder hinzu: "In dem nebligen Wetter sah es aus, als ob die Ruinen noch rauchten. Der nasse Nebel umspielte die abgebrannten Türme."

Immer wieder hat Andersen seine Reisenotizen sehr direkt in seine literarischen Werke einfließen lassen. So findet sich in seinem 1857 erschienenen Roman "Sein oder Nichtsein" die folgende Hamburg-Passage: "Nach dem Brand von Hamburg waren um den alten Jungfernstieg herum neue, prächtige Häuser emporgewachsen. Unsere Freunde wählten das Hotel Victoria und jubelten aus ganzem Herzen, als sie die Aussicht bemerkten. Von ihrem Fenster schauten sie direkt auf das Alsterbassin, wo die leichten Gondeln schaukelten. Musik klang aus dem Alsterpavillon herauf, an dem sich Menschenmassen vorbeischoben."

Der letzte Hamburg-Besuch des berühmten Dänen verlief weniger glücklich: Nach einem Abstecher in der Stadt wollte er mit dem Zug wieder nach Hause fahren, wurde aber krankheitsbedingt aufgehalten: Völlig entkräftet brach er am 25. Juli 1873 auf dem Altonaer Bahnhof zusammen.

Zwei Jahre später, am 4. August 1875, starb Hans Christian Andersen in Kopenhagen an Leberkrebs.