Santorin. Das Wrack eines Kreuzfahrtschiffs vergiftet das Meer vor Santorin. Umweltschützer warnen: Dem Urlaubsidyll droht eine Katastrophe.

Viele der 1167 Passagiere standen an der Reling und bestaunten das Postkarten-Panorama, als das Kreuzfahrtschiff„Sea Diamond“ am Nachmittag des 5. April 2007 in die Caldera, die von steilen Felswänden umgebene Bucht von Santorin, einfuhr. Da passierte die Katastrophe: Kapitän Giannis Marinos hatte sein 22.400 Tonnen schweres Schiff auf ein Riff gesteuert. Der Rumpf wurde auf einer Länge von zehn Metern von den Felsen aufgeschlitzt. In einer dreistündigen dramatischen Rettungsaktion wurden Urlauber und Besatzungsmitglieder in Sicherheit gebracht. 15 Stunden nach der Havarie sank das Schiff. Ein 45-jähriger Passagier und seine 16 Jahre alte Tochter gelten seit dem Untergang als vermisst.

Auch 17 Jahre nach dem Unglück bei der griechischen Kykladeninsel steigen immer noch Öl und andere giftige Stoffe aus dem Wrack an die Oberfläche. Die Bewohner von Santorin fürchten eine „ökologische Bombe“. Eine Bürgerinitiative fordert jetzt in einem Offenen Brief an den Umweltschutz-Ausschuss des griechischen Parlaments, das Schiff zu bergen.

Havarie vor Santorin: Giftstoffe belasten Meerwasser

Schon kurz nach der Havarie versprach die griechische Regierung, das Wrack zu heben. Aber geschehen ist das bisher nicht. Ein runder, ölverschmierter Gummiwulst an der Meeresoberfläche markiert die Stelle, an der die „Sea Diamond“ liegt. Immer noch steigt Öl aus dem Schiff an die Oberfläche. Auch viele andere Giftstoffe an Bord des Wracks – Säuren aus Batterien, Schwermetalle, Flüssigkeiten und Gase aus Klimaanlagen – sind „eine toxische Zeitbombe“, wie die griechische Meeresbiologin Anastasia Miliou sagt.

Das Kreuzfahrtschiff „Sea Diamond“ lief 2007 vor der griechischen Insel Santorin auf ein Riff.
Das Kreuzfahrtschiff „Sea Diamond“ lief 2007 vor der griechischen Insel Santorin auf ein Riff. © picture-alliance/ dpa | epa ANA Stringer

Je weiter das Wrack verrostet, desto mehr dieser Schadstoffe werden freigesetzt, fürchten Experten. Ein Gutachten der Universität Kreta bestätigt die Befürchtungen der Bürgerinitiative. „Jede weitere Verzögerung wird zur ökologischen Zerstörung der Caldera führen“, heißt es in der Expertise. In ihrem Offenen Brief an den Parlamentsausschuss schreiben die Einheimischen: „Wir leben auf einer ökologischen Zeitbombe, die eine irreparable Katastrophe für die Caldera, die Lebensqualität der Bewohner und Besucher sowie die Wirtschaft unserer Insel auslösen wird.“ Die beste Lösung sei, die „Sea Diamond“ zu bergen.

Griechische Regierung hat bisher nicht gehandelt

Aber eine Hebung des Wracks ist schwierig und riskant. Es liegt auf einem steilen Abhang und könnte bei einem Bergungsversuch noch tiefer in die Bucht abrutschen. Außerdem sind die Kosten gewaltig. Sie werden auf mehrere hundert Millionen Euro geschätzt. 2014 verurteilte ein Gericht die zyprische Reederei Louis Cruises als Eignerin der „Sea Diamond“ dazu, das Wrack heben zu lassen. Aber das Unternehmen legte Berufung ein. Weil das Verfahren immer wieder vertagt wird, gibt es bisher kein rechtskräftiges Urteil. Auch die Versicherung der Reederei will nicht für die Bergung aufkommen.

Santorin ist wegen seiner Idylle bei Griechenland-Urlaubern sehr beliebt.
Santorin ist wegen seiner Idylle bei Griechenland-Urlaubern sehr beliebt. © iStock | aletheia97

2019 glaubte sich die Bürgerinitiative fast am Ziel: Der Staatsrat, Griechenlands oberstes Verwaltungsgericht, urteilte, das Ministerium für die Handelsmarine sei verpflichtet, für die Hebung des Wracks zu sorgen. Aber eine internationale Ausschreibung des Ministeriums verlief im Sande, obwohl sich zwei Bergungsfirmen um den Auftrag beworben hatten. Es scheint, als wolle die Regierung die „Sea Diamond“ sich selbst überlassen.

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Louis Cruises hat sich übrigens schon im September 2014 in Celestial Cruises umbenannt – wohl um die Erinnerung an die Havarie zu tilgen. Die Schuldfrage konnte nie restlos geklärt werden. Der Kapitän machte „starke Strömungen“ für die Havarie verantwortlich. Er benutzte offenbar eine alte Seekarte, auf der das Riff nicht verzeichnet war. Der Kapitän wurde 2013 zunächst zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Im Berufungsverfahren wurde die Strafe auf fünf Jahre reduziert und gegen eine Geldbuße ausgesetzt.